`
Montag, September 9, 2024
More

    „Rheinmetall Entwaffnen“ – Antimilitaristisches Aktionscamp im September in Kiel

    Teilen

    Vom 3. – 8. September finden sich Aktivist:innen in Kiel zusammen. Ihr Ziel: Kriegstreiber:innen blockieren und antimilitaristische Strategien diskutieren. Im Zuge des Ukraine-Kriegs und des Besatzungskriegs in Gaza ist Widerstand gegen Aufrüstung aktueller denn je. Daher ist es angebracht, einen kurzen Überblick über antimilitaristische Aktionen der letzten Jahre in Deutschland und Europa zu geben.

    Bei deutschen Rüstungsunternehmen und insbesondere Rheinmetall klingeln die Kassen. Seit der von Bundeskanzler Olaf Scholz beschworenen „Zeitenwende“ und dem damit einhergehenden Sondervermögen für die Bundeswehr mangelt es nicht an Aufträgen. Ende Juni erhielt Rheinmetall den größten Auftrag seiner Firmengeschichte: die Produktion von Artilleriemunition im Wert von bis zu 8,5 Milliarden Euro.

    Begründet wird die zunehmende Aufrüstung durch die Gefahr des russischen Imperialismus. Laut dem deutschen Kriegsminister Boris Pistorius dürfe man nicht glauben, dass Putins militärische Ambitionen bei der Ukraine haltmachen würden. Deshalb müsse man „bis 2029 kriegstüchtig sein“.

    „Rheinmetall Entwaffnen“ – Widerstand trotz Einschüchterung und Repression

    Dass es bei der Kriegstüchtigkeit nicht wirklich um Verteidigung und Schutz der Bevölkerung geht, sondern um die Profite der Rüstungsindustrie und geopolitische Machtspiele, davon sind viele Antimilitarist:innen überzeugt. Unter dem Motto „Kiel entwaffnen – Kriegsindustrie versenken!“ findet daher vom 3. – 8. September das Aktionscamp „Rheinmetall Entwaffnen“statt.

    Dort werden die Teilnehmenden „gemeinsam mit internationalen Freund:innen und Genoss:innen über Strategien für unseren gemeinsamen Kampf diskutieren und direkte Aktionen gegen Militär und Rüstungsindustrie durchführen“. Mobilisiert wird dafür mit Infoveranstaltungen in verschieden Städten.

    Seitdem das Aktionscamp 2018 zum ersten Mal stattfand, reagierten Polizei und Behörden immer wieder mit Repression gegenüber den Teilnehmenden und Veranstalter:innen. So erhob das Ordnungsamt der Stadt Kassel 2022 eine Strafanzeige gegen die Anmelderin des Camps. Sie habe gegen etliche Auflagen verstoßen und solle 4.500 Euro Strafe zahlen. Das Verfahren wurde letztlich vom Amtsgericht Kassel eingestellt. Für die Anwaltskosten musste die Anmelderin aber selbst aufkommen.

    Neben diesem juristischen Einschüchterungsversuch kam es auch zu Polizeigewalt. Bei einer Blockade des Waffenproduzenten Kraus-Maffei Wegmann – Hersteller des weltweit exportierten „Leopard”Panzers – führte der Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray zu 87 Verletzten. Dennoch war die Blockade erfolgreich und der Waffenproduzent musste seine Produktion für den Tag einstellen.

    Antimilitaristischer Widerstand bleibt aktuell

    Diskussionen und erste Vorstöße zu einer Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland, die jährliche Rekrutierung tausender Minderjähriger durch die Bundeswehr, deutsche Rüstungsexporte an das Besatzungsregime Israel in seinem Krieg gegen Palästina – Antimilitarismus bleibt ein zentrales Thema für die politische Widerstandsbewegung. Auch versucht der deutsche Staat immer deutlicher, „Kriegstüchtigkeit“ in der Bevölkerung zu normalisieren.

    So etwa auch beim neu eingeführten „nationalen Veteranentag“. Durch diesen sollten Soldat:innen als Verteidiger:innen der deutschen Bürger:innen, anstatt lediglich deutscher Profitinteressen präsentiert werden und die Bundeswehr in ein positives Licht gerückt werden. Doch in Deutschland und Europa regt sich auch zunehmend Widerstand gegen Aufrüstung und Militarisierung.

    Veteranentag in Deutschland – weiteres Zeichen der Kriegstreiberei

    Streiks der Hafenarbeiter:innen gegen Kriegslieferungen

    Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Streiks und Proteste der Hafenarbeiter:innen. Schließlich sind sie es, die für das Verladen von Kriegsgeräten zuständig sind. Sie haben daher nicht nur etliche Berührungspunkte mit der Kriegsindustrie, sondern können auch ein gewisses Maß an Druck auf sie ausüben.

    Dies zeigte unter anderem das autonome Hafenarbeiterkollektiv „CALPn in Genua. Als 2019 von dem italienischen Hafen aus Waffen auf das Schiff „Bahri Yanbu” geladen und nach Saudi-Arabien verschifft werden sollten, organisierten sie mit mehreren Gruppen eine Blockade des Schiffes und einen Streik, an dem sich ein Großteil der Arbeiter:innen beteiligte.

    Das Ergebnis: Die Bahri-Flotte unterzeichnete einen Vertrag mit dem Hafenunternehmen, kein Kriegsgerät mehr in Genua zu laden oder zu entladen. Ein großer Erfolg des vergleichsweise kleinen Hafenarbeiterkollektivs, auch wenn dieses mit der Aktion nicht die Verschiffung von Waffen zwischen EU-Ländern in Genua verhindern konnte. Ebenso gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine wurden italienische Arbeiter:innen aktiv. Nachdem die CALP in Genua von als Hilfelieferungen getarnten Waffenlieferungen an die Ukraine berichtete, weigerten sich Arbeiter:innen am Flughafen Pisa, diese zu verladen.

    Auch der von dem israelischen Staat geführte Besatzungskrieg gegen Palästina führte zu einer neuen Welle an Hafenstreiks: Bereits Ende Oktober 2023 rief die Belgische Gewerkschaft der Transportarbeiter:innen dazu auf, keine Waffenlieferungen nach Israel mehr abzufertigen. Im November kündigte in Barcelona die Organisation der Hafenarbeiter:innen Barcelona an, kein Kriegsmaterial mehr nach Israel zu verschiffen. Griechische Arbeiter:innen der Gewerkschaft „PAME” (Militante Arbeiterfront) wiederum demonstrierten vor der israelischen Fluggesellschaft „El Al” und dem Athener Flughafen.

    Hafenarbeiter:innen kündigen Streik gegen Waffenlieferungen an Israel an

    Elbit Systems

    Auch in Großbritannien gab es militante Proteste gegen den Kriegstreiber Israel, wie etwa eine Blockade von „Elbit Systems” durch die Gruppe „Palestine Action”. Elbit Systems ist ein israelisches Unternehmen, das unter anderem Drohnen für das israelische Militär herstellt. Trotz etlicher Festnahmen führten Aktivist:innen immer wieder Blockaden und Sabotagen des Unternehmensstandorts in Oldham durch. Das Ergebnis: die Fabrik in Oldham musste schließen.

    Antimiliaristische Aktionen in Deutschland

    Für die Antikriegsbewegung in Deutschland gibt es allerdings noch Luft nach oben. Trotz weit verbreiteter Antikriegsstimmung gab es bisher nur vereinzelt konsequente antimilitaristische Proteste. Insbesondere die sozialdemokratische Partei „Die Linke” hat seit Russlands Angriff auf die Ukraine ihre Kritik an der NATO und der Aufrüstung größtenteils eingestellt.

    Auch gab es in Deutschland keine vergleichbaren antimilitaristischem Streiks von Hafenarbeiter:innen. Dabei wären diese durchaus angebracht, ist doch der Hamburger Hafen ein zentraler Umschlagplatz für Waffen, mit jährlich rund 1.000 mit Waffen und Munition beladenen Containern.

    Antimilitarismus in Deutschland seit der „Zeitenwende“: Noch Luft nach oben

    Dennoch fanden auch in Deutschland Blockaden statt, wie etwa im März 2022 in Unterlüß: Etwa 30 Aktivist:innnen des „Antimiliaristischen Bündnisses Wendland” versperrten dort die Hauptzufahrt des Produktionsstandorts „Rheinmetall Landsysteme/Waffe Munition GmbH”. Das Bündnis kritisierte dabei vor allem die „Aufrüstungspläne in kaum vorstellbarem Umfang, ohne jegliche gesellschaftliche Teilhabe“ seitens der Ampel-Regierung. Politik und Rüstungsunternehmen arbeiteten in dieser Hinsicht Hand in Hand.

    Aus diesem Grund störten antimilitaristische Jugendliche im Juli auch eine Wahlkampfveranstaltung des Kriegsministers Boris Pistorius. Dabei beklagte dieser die kriegsverdrossene Haltung vieler Jugendlicher. Ob sich aus der in Deutschland weit verbreiteten Kriegsverdrossenheit auch ein erstarkender Widerstand gegen Krieg und Aufrüstung entwickeln wird, wird sich zeigen. Zumindest einen Anstoß in diese Richtung wird das Camp „Rheinmetall Entwaffnen“ im September sicherlich geben.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News