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Montag, September 16, 2024
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    Baerbock auf Nahost-Reise – Feministische Außenpolitik in Aktion

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    Am Mittwochabend machte sich Außenministerin Annalena Baerbock auf den Weg zu ihrer elften Nahost-Reise seit Oktober 2023. Auch bei diesem Trip sollen Israels Krieg und die humanitäre Lage im Gazastreifen im Vordergrund stehen, doch es gibt noch weitere Stopps.

    Die Lage um den Gaza-Krieg verschärft sich immer weiter – spätestens, seitdem vor kurzem sechs getötete Geiseln gefunden wurden und hunderttausende Israelis ihre Arbeit niederlegten und die Straßen stürmten, um lautstark einen Waffenstillstand und Geisel-Deal zu fordern. Nun macht sich auch Annalena Baerbock auf den Weg in den Nahen Osten, um dort Deutschlands außenpolitische Interessen zu vertreten.

    Die BRD gilt nach den USA als zweitgrößter Unterstützer Israels und daran möchte man auch weiter festhalten. Dennoch hat sich das Klima über die letzten Wochen und Monate verändert: Kritik am Vorgehen der Israelischen Regierung – sowohl in Bezug auf den Gaza-Krieg als auch die immer wieder aufflammenden Konfrontationen mit dem Iran – werden auch bei den Verbündeten immer lauter.

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    Baerbock verteilt harsche Kritik

    Dieser Trend setzt sich auch jetzt weiter fort. Bereits vor ihrem Abflug machte Baerbock die Position des Auswärtigen Amts klar: „Es müssen weiterhin alle Bemühungen auf einen humanitären Waffenstillstand gerichtet sein, der zur Freilassung der Geiseln und einem Ende des Sterbens führt“. Ministerpräsident Netanjahu weigerte sich bis zuletzt, in Verhandlungen über einen möglichen Waffenstillstand einzutreten. Baerbocks Forderungen decken sich mit denen der USA: US-Präsident Biden hatte erst vor kurzem erneut Kritik an Netanjahu geäußert, da dieser seiner Ansicht nach nicht genug tue, um einen Waffenstillstand zu ermöglichen.

    Am Donnerstag ging die Außenministerin bei einer Pressekonferenz im jordanischen Amman noch einen Schritt weiter und richtete harsche Kritik an einzelne Mitglieder der israelischen Regierung. Unter anderem nahm sie Itamar Ben-Gvir, den faschistischen Minister für Nationale Sicherheit ins Visier und verurteilte ihn für seine Provokationen. Ben-Gvir forderte z.B. vor kurzem, eine Synagoge auf dem Jerusalemer Tempelberg zu bauen. Die Stätte gilt aber nicht nur für Jüd:innen als heilig, auch für Muslime spielt sie eine herausragende Rolle, dort steht unter anderem die Al-Aqsa-Moschee.

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    Auch bezogen auf die Eskalationen der Konflikte im Westjordanland positionierte sich Baerbock deutlich: Unter anderem nahm sie Israel als „besatzende Macht“ in der West Bank in die Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung vor „radikalen Siedlern“. Im Großen und Ganzen setzt sie auch hier die Linie der deutschen Außenpolitik fort, die auf eine Beruhigung der Lage und die Verhinderung weiterer Eskalationen im Mittleren Osten hinsteuert.

    Konsequenzen bleiben aus

    Außer harschen Worten muss Israels Regierung aber scheinbar vorerst keine negativen Reaktionen von deutscher Seite erwarten. Darauf pocht allerdings Baerbocks jordanisches Gegenüber, Außenminister Al-Safadi: Dieser fordert die deutsche Regierung dazu auf, ihrer „internationalen und humanitären Pflicht“ nachzukommen und Israel zu sanktionieren. Außerdem sollen seiner Meinung nach Sanktionen gegenüber israelischen Ministern verhängt werden, „die Hass gegen die Palästinenser verbreiten“. Baerbock erwiderte, dass es bereits Sanktionen gegenüber Siedlern im Westjordanland auf EU-Ebene gegeben habe und betonte, dass es auch trotz der Zusammenarbeit mit Jordanien Unterschiede in einigen Ansichten gebe.

    Sie kündigte allerdings an, dass Deutschland weitere 50 Millionen Euro für die humanitäre Hilfe im Gazastreifen durch Hilfsorganisationen aufwenden wird. Auch will man 5 Millionen Euro ausgeben, um die Versorgung von Palästinenser:innen über den sogenannten Jordanien-Korridor aufrecht zu erhalten und die Hilfe für syrische Flüchtlinge in Jordanien um 12,7 Millionen Euro erhöhen.

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    Jedoch pflegt Baerbock auf ihrer Reise nicht nur die diplomatischen Beziehungen mit Jordanien und Israel. Als erster Stopp des Trips besuchte sie am Donnerstag in Riad den Außenminister Saudi-Arabiens, Faisal bin Farhan. Saudi-Arabien gilt als einer der wichtigsten strategischen Bündnispartner im Nahen Osten für Deutschland und andere westliche Kräfte.

    Unter der außenpolitischen Führung Baerbocks haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern immer weiter verstärkt, und das trotz zahlreicher Menschenrechtsverletzungen und der extremen Unterdrückung von Frauen in Saudi-Arabien. Mit Baerbocks Anspruch einer „feministischen Außenpolitik“ passt das zwar gar nicht zusammen – Saudi-Arabien als Bündnispartner zu behalten, ist hier aber scheinbar wichtiger.

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    Die Gespräche mit bin Farhan fanden hinter verschlossenen Türen statt, und eine Pressekonferenz gab es auch nicht. Lediglich Baerbocks Pochen auf eine Zwei-Staaten-Lösung und auch die bevorzugte Lösung des Saudi-Arabischen Königshauses auf ihrer Pressekonferenz in Amman lässt Vermutungen zu. Mutmaßlich war aber neben der Lage um den Gazastreifen auch die Lage rund um die Angriffe von Huthi-Milizen auf Handelsschiffe im Roten Meer ein wichtiges Gesprächsthema.

    Die weiteren Entwicklungen in Deutschlands Beziehung und Haltung gegenüber Israel bleibt es abzuwarten. Baerbock besucht im Lauf des heutigen Tages noch Tel Aviv und das Westjordanland.

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