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Freitag, April 26, 2024
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    Den Weltfrauentag wieder zum Frauenkampftag machen

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    Damit der 8. März wieder ein Tag ist, an dem Frauen ihre Rechte erobern – ein Kommentar von Olga Wolf

    Kommerziell ausgeschlachtet

    Der Drogeriekonzern Rossmann feiert den Weltfrauentag so: Die Internetseite heißt an diesem Tag rossfrau.de und es gibt sogar einen eigenen Hashtag: #LassdieFrauraus. Es gab eine Woche lang Coupons, etwa für eine Gratis-Spülung beim Kauf eines Shampoos und dergleichen. Lass die Frau raus, klar, nirgendwo fühlen wir uns weiblicher und unbefangener als inmitten von Werbungen, die uns suggerieren, dass wir zu klein, zu dick, zu ungestylt sind. Umgeben von Frauen, die einen 8-Stunden Arbeitstag haben, an dem sie mit Mindestlohn bezahlt werden, an dem sie, wie sonst auch, Regale mit Cremes und Shampoo sortieren. In der Filiale eines Unternehmens, dessen Inhaber, Dirk Roßmann, als Multimilliardär ganz weit vorn mitspielt in der Liga der reichsten Deutschen. Der Weltfrauentag klingt nach einer guten Werbekampagne für Herrn Roßmann und nach einem Arbeitstag mit ganz normaler Ausbeutung für die arbeitenden Frauen dort. Rossmann ist natürlich nicht der einzige Konzern, der seinen Profit damit macht, eine politische Einrichtung für die Selbstbestimmung der Frau zu Werbezwecken lau aufzubereiten. Der Faschismus hat aus der Wahrnehmung der Menschen verschwinden lassen, wofür der 8. März steht, und seither dürfen sich Unternehmer für ihr Marketing am Frauentag bedienen.

    Geschichte des Frauenkampftags

    Es war Clara Zetkin, eine deutsche Kommunistin, die sich auf der Zweiten internationalen sozialistischen Frauenkonferenz dafür einsetze, dass es auch in Deutschland einen Frauentag gibt. Das war im Jahr 1910, es ging den Kommunistinnen vor allem darum, einen Tag des Jahres gemeinsam nutzen zu können, um das Frauenwahlrecht zu erkämpfen. Am 8. März findet er seit 97 Jahren statt. Unter anderem Alexandra Kollontai hatte darauf gedrängt, denn der 8. März 1917 war der Tag, an dem Frauen in der russischen Rüstungsindustrie streikten, Streik- und Protestwellen über das ganze Land trugen und letztendlich die Herrschaft des Zaren beendeten, die Oktoberrevolution in Gang brachten. Am Frauentag wird also auch der Frauen gedacht, die alles auf Spiel setzten und ihr Leben riskierten, um ein besseres Leben zu schaffen.

    Im faschistischen Deutschland war der Frauentag verboten – vor allem wegen seines sozialistischen Ursprungs. Ein weiterer Grund war, dass für Frauen, die selbstbewusst ihre Rechte einfordern, im Hitlerfaschismus kein Platz war. Anstelle dessen trat der Muttertag, die Botschaft liegt auf der Hand: Eine Frau galt dann als wertvoller Teil der Gesellschaft, wenn sie Kinder geboren hatte. Rechte und Freiheiten waren weniger ihre Attribute, stattdessen werden Mütter seither mit Blumen und Schokolade beschenkt. Vor allem in dieser Zeit war es ein Zeichen des Widerstands, den 8. März zu feiern. Zwar hatte er sein Gesicht verändert, doch gab es immer Frauen, die eine Verurteilung riskierten, indem sie im Privaten den Frauenkampftag feierten. Selbst in Konzentrationslagern haben Revolutionärinnen gemeinsam und heimlich organisiert, am 8. März der kämpfenden Frauen zu gedenken und Kraft zu schöpfen für die zu überwindenden Hürden.

    Nach langem Hin- und Her ist der Frauentag nach der Angliederung der DDR im wiedervereinigten Deutschland zurückgekehrt. Allerdings ist sein Sinn und Zweck verloren gegangen, den meisten Frauen und Männern ist der Unterschied zwischen Mutter-, Valentins- und Frauentag nicht wirklich klar.

    Die Repolitisierung des Frauentags!

    Heute stellt das Frauenwahlrecht für uns eine Selbstverständlichkeit dar. Oft vergessen wir, dass dieses Recht nicht verschenkt wurde. Eben sowenig das Recht, auch nach der Hochzeit noch den Wohnort selbst zu bestimmen. Das Recht, eine Scheidung zu beantragen, die Einsicht, dass Vergewaltigungen auch innerhalb einer Ehe geschehen – all das sind Erfolge von mutigen Frauen. Ein Blick in die Vergangenheit und um uns herum zeigt aber: Weltweit wurden und werden Frauen ihrer Rechte wieder beraubt. Und auch in Deutschland haben wir Frauen eben nicht alle Rechte, die uns zustehen. Umso bedeutsamer ist, zu sehen: Frauen erobern sich auf der ganzen Welt den 8. März zurück. In weiten Teilen des Welt rufen Frauen zum Streik auf, sie haben erkannt, dass ihre Befreiung nicht sein kann ohne die Befreiung aus den Fesseln der kapitalistischen Lohnabhängigkeit. Jede Frau, die sich am 8. März nicht mit Blumen und Haarspülungsgutscheinen abfrühstücken lässt, sondern die sich mit kämpfenden Frauen solidarisiert, selbst laut wird und ihre Rechte einfordert, trägt ihren Teil dazu bei, entreißt den Konzernen ihre Werbemacht und den Profit, den sie aus dem Frauentag schlagen. Statt einem Tag, der Unternehmer bereichert und Frauen ruhig stellt, wird der Frauenkampftag auf diese Weise wieder einer werden, an dem sich Frauen gemeinsam und international gegen Patriarchat und Kapitalismus zur Wehr setzen.

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    • Perspektive-Autorin seit 2017, Redakteurin seit 2018. Aus dem Rheinland, Sozialwissenschaftlerin. Schreibt am liebsten über das Patriarchat und internationale Frauensolidarität dagegen.

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