Deutschland braucht Tech-Unternehmen, um im internationalen Konkurrenzkampf mithalten zu können. Der kriminelle Wirecard-Konzern war ein solches Unternehmen – weshalb es von der Bundeskanzlerin, aber auch von führenden deutschen Geheimdienstlern unterstützt wurde. Nun ist heraus gekommen, dass Bernd Schmidbauer, Ex-Geheimdienstkoordinator unter Helmut Kohl, sich mit dem derzeit untergetauchten Jan Marsalek traf.
Sieben Jahre lang war Bernd Schmidbauer Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes. Der CDU-Politiker übernahm zwischen 1991 und 1998 die Kommunikation zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem Auslandsgeheimdienst BND, dem Inlandsgeheimdienst BfV und dem Militärgeheimdienst MAD.
2006 beendete er seine Mitarbeit im parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste zu dem Zeitpunkt, als öffentlich wurde, dass während seiner Tätigkeit als Geheimdienstkoordinator Journalist:innen durch den BND bespitzelt worden waren.
Treffen in Marsaleks Privat-Villa
Wie der SWR berichtet, hatte sich Schmidbauer laut jüngster eigener Aussage mit Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in dessen Münchner Villa getroffen. Der Mann gilt als dubiose Schlüsselfigur im Wirecard-Skandal.
Demnach soll es in dem Treffen vor ungefähr zwei Jahren in einem Sitzungsaal des Münchners Anwesens von Marsalek um Libyen und die Technik der Geheimdienste gegangen sein. Marsalek habe dabei Interesse an Nachrichtendienst-Technik gehabt. Allerdings habe Schmidbauer nicht den Eindruck gehabt, dass Marsalek noch groß weitere Informationen gebraucht hätte.
Mit anwesend beim Treffen soll auch Martin W. gewesen sein, die damalige ‚Nummer Zwei‘ im Österreichischen Inlandsgeheimdienst „Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“ (BVT). Der Linkspartei-Abgeordnete Fabio De Masi – der auch im Wirecard-Untersuchungsausschuss sitzt – erklärte, dass dieser Martin W. möglicherweise im Auftrag von Marsalek gespitzelt habe.
Martin W. habe laut De Masi auch einen anderen früheren BVT-Mann – Egisto O. – aufgefordert, den Lebenslauf des Linkspartei-Politikers an den früheren deutschen Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer zu übermitteln. O. soll darauf entgegnet haben: „Ist schon passiert!“
„Ich frage mich: Wozu, wenn nicht, um mich über Schmidbauer bei deutschen Diensten auszuforschen?“, erklärte dazu De Masi vergangene Woche in einem Interview mit dem Freitag.
Politiker und Geheimdienstler für Wirecard
Schmidbauer ist bereits der zweite Geheimdienstkoordinator, der in den Wirecard-Sumpf verstrickt ist. Im Juli 2020 wurde bekannt, dass auch Klaus-Dieter Fritsche, Ex-Vize-Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und jahrelanger Geheimdienstkoordinator, sich für das kriminelle Unternehmen einsetzte. Zeitgleich hatte er den rechten österreichischen Innenminister Kickl beraten.
Wirecard: Ex-Geheimdienstkoordinator Fritsche setzte sich für kriminellen Tech-Konzern ein
Auf Nachfrage erklärte Fritsche, dass er im Sommer 2019 von „einem Freund“ gefragt worden sei, ob er für das Unternehmen einen Kontakt zum Kanzleramt organisieren könne. Welcher „Freund“ das war, ist bisher unbekannt.
Kurz zuvor hatte bereits Ex-Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg über sein Unternehmen für die Firma Lobbyismus betrieben. Guttenberg steht über die Firma „Augustus Intelligence“ in Kontakt mit zwei ehemaligen deutschen Geheimdienst-Chefs.
Bei ihrer Septemberreise 2019 nach China setzte sich dann auch Kanzlerin Angela Merkel vor Ort persönlich für Wirecard ein.