Sowohl auf EU-Ebene als auch in der deutschen Bundesregierung wurde sich auf angekündigte Maßnahmen gegen die Rechte von Geflüchteten geeinigt. Asylverfahren an Außengrenzen, längere Abschiebehaft und insgesamt mehr Abschiebungen stehen kurz vor dem Beschluss.
Die Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten und Europaparlament zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) wurden am vergangen Mittwoch beendet. Zuvor gab es noch Unstimmigkeiten bei einzelnen Aspekten: Ungarn, Österreich und Polen zum Beispiel war der „Krisenmechanismus“ nicht weitreichend genug. Er soll EU-Staaten erlauben, bei „übermäßiger“ Migration noch härter gegen Geflüchtete vorzugehen.
Deutschland hatte im September den Weg für die GEAS-Reform freigemacht. Sie umfasst Asylverfahren an der EU-Außengrenze für Menschen aus Ländern mit geringer Hoffnung auf einen erfolgreichen Asylantrag oder aus sogenannten „sicheren Drittstaaten“. Die Menschen werden dazu unter Haftbedingungen festgehalten. Insgesamt könnten Geflüchtete dort sechs Monate verbringen müssen, wenn sich einem abgelehnte Asylverfahren ein Abschiebungsverfahren anschließt. Kinder mit ihren Familien sind davon ebenfalls betroffen.
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Europäische Asylrechtsreform kommt
Die Liste der „sicheren Drittstaaten“ soll parallel dazu noch erweitert werden. Um als “sicher” zu gelten, reicht eine Vereinbarung zwischen dem betreffenden Staat und der EU. In diese Länder kann dann abgeschoben werden, unabhängig von der realen Situation in den Ländern.
In den Lagern an den Außengrenzen werden zudem viele persönliche Daten der Asylsuchenden gesammelt. Laut einer neuen Screening-Verordnung werden Gesichtsbilder und Fingerabdrücke in der sogenanntenEurodac-Datei gespeichert. Alle Antragsteller:innen ab sechs Jahre werden biometrisch erfasst.
Zur Verteilung der Geflüchteten wurde beschlossen, dass Länder, die einen „Migrationsdruck“ für sich ausrufen, Geflüchtete an andere EU-Staaten weiterschicken können. Andere Staaten können sich davon aber mit 20.000 Euro freikaufen, wenn sie dafür z.B. die Grenzüberwachung oder die Libysche Küstenwache finanzieren.
Begrüßt wurde die Einigung von Bundesaußenministern Annalena Baerbock (Grüne) und auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie muss im Frühjahr 2024 noch vom Europäischen Rat und dem Europaparlament beschlossen werden. Inkrafttreten würde sie dann 24 Monate danach.
Bundesregierung zieht mit
Auf ein härteres Vorgehen gegen Geflüchtete und Migrant:innen konnte sich die deutsche Bundesregierung ebenfalls einigen. Laut den Fraktionschef:innen von SPD, FDP und Grüne könnten die Gesetzespakete zum Asylrecht und zum Staatsbürgerschaftsrecht im Januar 2024 beschlossen werden.
Zu den Maßnahmen gehört, dass die Abschiebehaft von zehn auf 28 Tage verlängert werden soll. Abschiebungen oder Abschiebehaft müssen in Zukunft nicht mehr angekündigt werden. Leistungen für Asylbewerber:innen sollen gekürzt werden, indem sie erst nach 36 statt nach 18 Monaten Zugang zu Sozialleistungen wie dem Bürgergeld bekommen.
Einbürgerungen hingegen sollen zukünftig bereits nach fünf Jahren möglich werden. Wer gute Leistungen in der Schule oder auf der Arbeit bescheinigt bekomme, soll schon nach drei Jahren diese Chance bekommen. Wer diese Möglichkeit von vornherein nicht bekommen soll, sind Menschen, die Sozialhilfe empfangen. Dabei sind keine Ausnahmen z.B. für Menschen mit Beeinträchtigungen vorgesehen.
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Protest gegen die Verschärfungen
Von linken Kräften gibt es viel Kritik an den Maßnahmen. In einer Erklärung der Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO) heißt es: „Die aktuelle Verschärfung in der Migrationspolitik steht nicht für sich alleine. Sie reiht sich ein in Maßnahmen der Ampel-Regierung, den deutschen Imperialismus im Angesicht von Krisen und Kriegen fit für den internationalen Konkurrenzkampf zu machen.“ Proteste auf der Straße gab es bereits in mehreren Städten, unter anderem vom Bündnis Stop GEAS.
Die FKO kritisiert die Bundesregierung des Weiteren dafür, die EU durch eine gemeinsame „Asylpolitik“ zu stabilisieren, um damit dieses Machtinstrument Deutschlands zu erhalten. Diese diene dem Zweck, den eigenen Arbeitskräftemangel durch gezielte Zuwanderung auszugleichen, unausgebildete Geflüchtete so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Auch werde die gesellschaftliche Debatte nach rechts verschoben, um etwa die massive Aufrüstung nach außen durch die Bundeswehr, aber auch im Zuge dessen die Zunahme von Einschränkungen demokratischer Rechte im Innern z.B. durch neue Polizei- und Versammlungsgesetze ebenfalls gesellschaftlich akzeptabel zu machen.