Israel hat am Sonntag die Mehrheit seiner Truppen aus dem südlichen Gazastreifen abgezogen. Ein Angriff auf Rafah steht nichtsdestotrotz unmittelbar bevor. Gleichzeitig mobilisiert die Armee Truppen an der Grenze zum Libanon. In Kairo haben sich Vertreter der Hamas und Israel zu Verhandlungen getroffen. Der Iran droht Israel mit Vergeltungen für den Angriff auf sein Konsulat in Syrien.
Am vergangenen Sonntag, dem 7. April, hat die israelische Armee die 98. Kommandoabteilung aus dem südlichen Gazastreifen abgezogen. Die Kommandoabteilung habe die „Hamas-Brigaden in Chan Junis aufgelöst“ und „Tausende ihrer Mitglieder getötet“. Von israelischer Seite heißt es: „Wir haben dort alles getan, was wir konnten.“
Gleichzeitig steht der Termin für die israelische Großoffensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens nun fest. Laut Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu seien die Ziele die Freilassung aller Geiseln und der vollständige Sieg über die Hamas. „Dieser Sieg erfordert den Einmarsch in Rafah und die Ausschaltung der dortigen Terroristenbataillone“, so Netanyahu. „Es wird geschehen – es gibt ein Datum.“
Die Armee werde „je nach den operativen Erfordernissen weiterhin dort operieren“. Zudem bleibe die Nahal-Brigade im Gazastreifen präsent. Der Generalstabschef der israelischen Armee, Herzi Halevi, sagte daher noch am Sonntag: „Der Krieg in Gaza dauert an, und wir sind weit davon entfernt, aufzuhören.“ Als Grund dafür wird genannt, dass sich weitere hochrangige Hamas-Funktionäre im Küstengebiet versteckt hielten. Der Krieg gegen das palästinensische Volk wird also fortgesetzt.
Zudem teilte das israelische Militär mit, dass es eine weitere Vorbereitungsphase auf einen potentiellen Krieg im Norden des Landes an der Grenze zum Libanon und Syrien abgeschlossen habe. Es ging dabei vor allem um eine breite Mobilisierung von Soldaten. Man sei nun in der Lage, „alle benötigten Soldaten innerhalb weniger Stunden einzuberufen und auszurüsten und sie für defensive und offensive Einsätze an die Front zu bringen“.
Ob der Truppenabzug im südlichen Gazastreifen mit diesen Vorbereitungen für einen größeren regionalen Krieg zusammenhängen, ist nicht klar. Die Pressemitteilung der israelischen Armeeführung trägt den zynischen Titel: „Bereitschaft für den Übergang von der Verteidigung zur Offensive.“
Verhandlungen mit der Hamas
In Kairo trifft sich derweil eine Delegation der Hamas mit Vertretern der israelischen Regierung, um über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Die Vertreter der Hamas halten an ihren Forderungen vom 14. März fest, darunter: ein dauerhafter Waffenstillstand, der Rückzug Israels aus dem Gazastreifen, die Rückkehr der kürzlich Vertriebenen sowie ein Austausch von palästinensischen gegen israelische Gefangene. Israel beharrt auf seiner Bedingung, dass die Hamas alle israelischen Gefangenen freilässt.
Zunächst hatte es dem ägyptischen TV-Sender Al Kahera News zufolge Fortschritte bei den Verhandlungen gegeben , wobei bereits Einigkeit bei den Eckpunkten erzielt worden sei. Jetzt heißt es laut Al Jazeera, dass es keine Fortschritte bei den Verhandlungen gäbe und die israelische Delegation auf die Forderungen der Hamas-Vertreter nicht eingehe.
Spannungen zwischen Iran und Israel
Nachdem ein Konsulatsgebäude der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 1. April nach Angaben des syrischen Verteidigungsministeriums von den Golanhöhen aus angegriffen wurde, nimmt die Gefahr einer Eskalation zwischen dem Iran und Israel, dem der Angriff zugeschrieben wird, weiter zu. Bei dem Angriff wurden zahlreiche Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden und mit Kommandeur Mohammed Resa Sahedi (dem Hauptverantwortliche für die Operationen im Libanon und Syrien) und Mohammed Hadi Hadschi Rahimi zwei ranghohe Vertreter der al-Quds-Brigaden getötet.
Die iranische Regierung kündigte daraufhin Vergeltungsschläge an. Diese Ankündigung wurde nun am Sonntag noch einmal durch General Jajhaja Rahim-Sawawi, dem ehemaligen Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, laut Berichten des iranischen Staatssenders Al-Alam wiederholt: „Die Widerstandsfront ist bereit für alle möglichen Vergeltungsszenarien, und keine israelische Botschaft weltweit ist sicher davor“.
Der bereits zitierte Generalstabschef der israelischen Armee IDF, Herzi Halevi, betonte am Sonntag, dass Israel mit dem Iran umzugehen wisse: „Wir sind darauf vorbereitet; wir haben gute Verteidigungssysteme und wissen, wie wir sowohl aus der Nähe als auch an entfernten Orten gegen den Iran entschieden agieren können. Wir arbeiten in Zusammenarbeit mit den USA und strategischen regionalen Partnern.“
Zugleich habe einem anonymen arabischen Diplomaten zufolge der Iran angekündigt, von Vergeltungsschlägen abzusehen, wenn es zum Abschluss eines Waffenstillstands zwischen der Hamas und Israel kommen sollte.
Die Lage im Libanon und Angst vor dem Regionalkonflikt
Schon seit Monaten machen sich unter Beobachtern der Entwicklungen in der Region Befürchtungen breit, dass sich der Vernichtungskrieg Israels gegen die Palästinenser zu einem größeren Krieg in Westasien ausweiten könnte.
Bestärkt werden diese Ängste auch dadurch, dass neben den geschilderten Geschehnissen zuletzt auch die Hisbollah aus dem Libanon mitgeteilt hat, mehrere Dutzend Katjuscha-Raketen auf den Stützpunkt der israelischen Luftabwehr-Einheit auf den Golanhöhen abgeschossen zu haben. Am Sonntag flogen die israelischen Luftstreitkräfte in den Osten des Libanon, um „Vergeltungsmaßnahmen“ wegen des Abschlusses einer ihrer Drohnen auszuüben.
Dieser Vergeltungsschlag folgte auf eine Fernsehansprache des Anführers der Hisbollah, Hassan Nasrallah, am Freitag, in der dieser erklärte: „Wir haben unsere Hauptwaffen noch nicht eingesetzt und auch nicht unsere Hauptstreitkräfte“. Die Hisbollah sei „vollständig vorbereitet“ auf einen möglichen Krieg mit Israel.
Auch Ansar Allah (dt. Helfer Gottes), weithin eher als Huthi bekannt, haben vom Jemen aus erklärt, dass sie in den vergangenen Tagen Raketen und Drohnen auf ein britisches sowie zwei israelische Schiffe gefeuert hätten. Zudem seien mehrere US-Fregatten im Roten Meer von ihnen angegriffen worden.
Die Lage scheint sich demnach weiter zuzuspitzen und eine weitere Eskalation ist nicht auszuschließen.
Von Rojava bis zum Roten Meer – Frieden nur durch Sozialismus!