Innenministerin Nancy Faeser spricht in diesem Fall vom Beweis einer „wehrhaften Demokratie“. Doch inwieweit können wir uns auf den Staat im Kampf gegen den Faschismus verlassen? – Ein Kommentar von Michael Koberstein.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte bestätigt, dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextrem einstufen darf und demnach eine geheimdienstliche Überwachung stattfinden kann. Das ist nun die zweite Instanz, die die Beobachtung der AfD bestätigt. Als Begründung gab das Gericht an, dass es „Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen“ gebe.
Dieses Urteil wird von Politiker:innen der etablierten Parteien begrüßt. So meinte Innenministerin Nancy Faeser, das Urteil zeige, dass wir eine „wehrhafte Demokratie“ seien. „Unser Rechtsstaat“ habe „Instrumente, die unsere Demokratie vor Bedrohungen von innen“ schützten. Diese Instrumente werden eingesetzt – und seien nun erneut von einem unabhängigen Gericht bestätigt worden, so Faeser.
Stimmen für AfD-Verbot werden lauter
Das Urteil kommt zu einer Zeit, zu der ein Parteiverbot der AfD viel diskutiert und von verschiedenen politischen Strömungen gefordert wird. So wurde bereits eine Petition mit 800.000 Unterschriften beim Bundesrat eingereicht. Auch CDU-Politiker:innen sprechen sich für ein Verbot aus.
Zudem stehen zurzeit zwei Kandidaten der AfD, die für die Europawahl antreten, unter Druck. Gegen Petr Bystron wird wegen Bestechlichkeit ermittelt und Maximilian Krahs Mitarbeiter wurde wegen Spionageverdachts (für China) festgenommen. Sind diese Entwicklungen ein Zeichen dafür, dass die BRD eine antifaschistische Demokratie ist, auf die man sich beim Kampf gegen Faschismus verlassen kann?
Faschismus hört nicht bei der AfD auf
Zunächst muss erst einmal festgestellt werden, dass sich der deutsche Faschismus nicht auf die AfD begrenzt. Wie das Politikmagazin „Report Mainz“ recherchiert hat, gibt es in der AfD zahlreiche persönliche Verbindungen von AfD-Mitgliedern zu rechten Burschenschaften, z.B. durch Alexander Jungbluth. Dieser ist Mitglied der Bonner Burschenschaft Raczeks, die bei der Deutschen Burschenschaft einen „Ariernachweis“ forderte.
Auch die Übergänge von anderen faschistischen Parteiprojekten der Heimat (ehemals NPD) zur AfD sind lange belegt. Faschistische Netzwerke gehen aber weit über den parlamentarischen Rahmen hinaus. Regelmäßig fliegen solche Netzwerke in Polizei, Bundeswehr, Geheimdiensten etc. auf.
Veröffentlichte NSU-Akten: Der Verfassungsschutz hat nicht “versagt”, er hat seine Arbeit gemacht
Viele Institutionen des deutschen Staatsapparat sind historisch von Faschisten durchdrungen. Vor allem der Verfassungsschutz (VS), der die AfD überwachen soll, fällt dabei ins Auge. Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Präsident des VS, soll selbst Verbindungen mit der AfD gehabt haben und ist bekannt dafür, rechtsradikale Positionen zu vertreten. Auch über die NSU-Mordserie der 2000er soll der VS allem Anschein nach gewusst haben. Die AfD ist also nur ein Stückchen eines faschistischen Mosaiks, das nicht durch seine Entfernung zerstört wäre.
Wen bekämpft die „wehrhafte Demokratie“?
Zudem wurde das Parteiverbot aufgrund „Verfassungsfeindlichkeit“ in der BRD das erste Mal bei der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD) angewandt, nicht bei einer faschistischen Partei. Überwachungen bis hin zu Verboten sind bis heute vor allem für fortschrittliche bis revolutionäre Organisationen Normalität. Besonders häufig wird dabei auf den Paragraphen 129 zum Verbot „krimineller Vereinigungen“ und seine Unterparagraphen 129a und 129b zurückgegriffen. Dass der Staat derart gegen Antifaschist:innen vorgeht, zeigt doch, dass ihm am Kampf gegen den Faschismus letztlich nicht viel gelegen ist.
Gerade im Zuge pro-palästinensischer Protestwellen gegen den Israel-Gaza Krieg wurde nicht nur massive Polizeigewalt angewandt, sondern auch Organisationen wie das palästinensische Gefangenensolidaritätsnetzwerk Samidoun verboten. Argumente zur „Verteidigung der Demokratie“ werden also oft gegen Personen und Gruppen angewandt, die die imperialistische Politik der BRD oder das kapitalistische System insgesamt bekämpfen wollen.
„Antifaschismus“ der Ampel
Und obwohl sich CDU, SPD, Grüne und FDP gerade im Zuge der Anti-Rechts-Proteste als große Antifaschisten inszenieren, sind sie es, die Positionen der AfD und der faschistischen Bewegung (in abgeschwächter Form) übernehmen und in die Tat umsetzen – z.B. bei der GEAS-Reform, die das Recht auf Asyl quasi abgeschafft hat. Auch die Aufrüstung der Bundeswehr und die Wiedereinführung der Wehrpflicht waren vor Beginn des Ukraine-Kriegs AfD-Forderungen, für die sich jetzt Grüne und SPD aussprechen.
Das macht die AfD nicht weniger faschistisch, ihre Beliebtheit ist auch für klassenkämpferische, sozialistische Gruppen ein Warnsignal, dass faschistische Forderungen für Teile der Arbeiter:innenklasse attraktiv sind.
Der antifaschistische Kampf, auch gegen die AfD, bleibt notwendig. Dabei sollte aber das Vertrauen nicht auf den staatlichen Institutionen der BRD liegen. Stattdessen müssen sie als Teil des Problems benannt und bekämpft werden. Es dürfen des Weiteren keine Forderungen nach gesetzlichen Maßnahmen aufgestellt werden, die auf fortschrittliche und revolutionäre Organisationen zurückfallen.