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Samstag, Juli 27, 2024
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    Die „Hochwasser-Demenz“: Ein Symptom des Kapitalismus

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    Das tödliche und zerstörerische Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg neigt sich dem Ende. Die Flutkatastrophen nehmen zu. Der Umgang der Herrschenden mit den Umweltkrisen führt uns die Ohnmacht des Systems vor Augen. – Ein Kommentar von Felix Zinke und Ahmad Al-Balah.

    Seit vergangenen Freitag herrscht Hochwasser in vielen Gebieten Bayerns und Baden-Württembergs. Viele Landkreise waren von einem sogenannten Jahrhunderthochwasser betroffen, also einem Hochwasser, das Pegelstände überschreitet, die im Durchschnitt nur einmal in 100 Jahren erreicht werden.

    Bayerische und schwäbische Landkreise haben den Katastrophenfall ausgerufen. Mindestens sechs Menschen sind in den Fluten gestorben. Hunderte Menschen mussten ihre Häuser verlassen, es fanden Evakuierungen mit Booten und Hubschraubern statt. Einsatzkräfte sind so ausgelastet, dass in einigen Gebieten kurzzeitig nur noch die Rettung von Menschenleben bewältigt werden konnte. Leider war selbst das nicht immer erfolgreich.

    Kurzsichtige Politik im Kapitalismus führt zu Versagen

    Während Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Pressevideo explizit auf den menschengemachten Klimawandel als Ursache einging, ist der Klimaschutz der Bundesregierung bewiesenermaßen unzureichend. Noch dazu wurden dem Technischen Hilfswerk (THW) 2023 rund 158 Millionen Euro gekürzt. Der Haushaltsentwurf 2024 enthält erneut Kürzungen in Höhe von 10% beim THW und 20% beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

    Aktivist:innen, die für eine Rettung des Planeten und gegen die Untätigkeit der Regierung in den Hungerstreik gehen, bezeichnet dieselbe Regierung hingegen als „undemokratisch“.

    Hungerstreik für Wandel in der Klimapolitik – Scholz weicht aus

    Was die bayerische Landesregierung angeht, so hatte diese erst 2021 den Bau von neun Poldern (eingedeichte, niedrig gelegene Gelände in der Nähe von Gewässern) beschlossen, von denen allerdings nur einer fertiggestellt ist. „Die Schwierigkeit bei den Poldern ist jetzt nicht eine politische Gruppierung, sondern es sind halt Bürger“, begründet Markus Söder die Verzögerung.

    2018 hatte es in zahlreichen bayerischen Städten und Gemeinden Proteste gegen den Baustopp der Polder gegeben, den vor allem Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger angeheizt hatte. Aiwanger sah die Einrichtung von Poldern als zu kostenintensiv an, da diese „nur alle hundert Jahre mal geflutet“ würden. Hier werden einfache Ausreden und leicht generierte Wählerstimmen gesucht, um der langfristigen Verantwortung nicht nachkommen zu müssen. Anders kann die Politik im Kapitalismus auch nicht funktionieren.

    Passend dazu sind es nicht die Arbeiter:innen, die den Klimawandel verantworten, sondern gerade diejenigen, die an der Spitze der kapitalistischen Überproduktion stehen oder Länder regieren. Zahlreiche Statistiken beweisen, dass ein Großteil der emittierten Treibhausgasemissionen aus der Produktion von Unternehmen stammen oder Folgen davon sind. Insgesamt produzieren 100 Unternehmen über 70% der weltweiten Treibhausgasemissionen.

    Die Widersprüche zwischen System und Natur nehmen zu

    Mit zunehmender Erderwärmung steigt das Ausmaß und die Häufigkeit von Extremwetterereignissen. In Deutschland nehmen Ereignisse wie Dürren, Waldbrände und Hochwasser erheblich zu. Denn durch höhere Lufttemperaturen kann die Atmosphäre größere Mengen Wasser aufnehmen. Das führt dazu, dass es eine lange Zeit hintereinander nicht regnet, da die warme Luft noch nicht mit Wasser gesättigt ist. Wenn es schließlich regnet, kommt es zu weitaus größeren Niederschlagsmengen, die dann schwere Überflutungen herbeiführen können.

    Klar ist, dass solche Hochwasser mit steigender Erderwärmung immer häufiger auftreten werden und das Ausmaß ihrer Zerstörung zunimmt. Schon 2021 gab es im Ahrtal in Nordrhein-Westphalen eine Hochwasserkatastrophe, die mindestens 188 Menschen in Deutschland das Leben kostete.

    Das Bundesministerium für Klimaschutz rechnet mit Kosten zwischen 280 und 900 Milliarden Euro bis 2050. „Nicht mit eingerechnet sind zahlreiche gesundheitliche Beeinträchtigungen, Todesfälle durch Hitze und Überflutungen, die Belastung von Ökosystemen, der Verlust von Artenvielfalt und eine schlechtere Lebensqualität“, muss das Ministerium zudem einräumen. Allein die Zerstörungen im Ahrtal verursachten Kosten in Höhe von 40,5 Milliarden Euro.

    Versicherungsunternehmen warnen, dass die Flutkatastrophen zu teuer würden. Beim letzten Hochwasser im Saarland um Pfingsten herum sagte die saarländische Landesregierung den besonders stark betroffenen Hausbesitzern nach der Flut 75.000 Euro zu. Daher sind sich die meisten bürgerlichen Politiker:innen darin einig, dass zukünftig Einwohner der Flutgebiete mittels Pflichtversicherung gegen diese sogenannten Elementarschäden zahlen müssten. Einige Hausbesitzer würden auf private Versicherung verzichten, weil sie wüssten, dass im Notfall der Staat einspringt. Das dürfe nicht sein, schallt es aus den Reihen der Politik. Ein Sündenbock wird gesucht, doch Schuld sind sie.

    Allianz-Versicherung warnt vor kommenden Flutkatastrophen in Deutschland

     

    An der Klimafrage sieht man, warum es eine Revolution braucht

    Doch um so etwas Tiefgreifendes wie den Klimawandel rückgängig zu machen oder auch nur zu stoppen, dazu braucht es einen Bruch mit dem gesamtem System und einen Umsturz der Verhältnisse. Splitterprobleme oder Teillösungen werden da nicht helfen.

    Nur diejenigen, die sich wirklich für die Mehrheit der Menschen verantwortlich fühlen, werden logischerweise auch etwas so Langfristiges und Teures wie den Klimawandel angehen. Die Politiker:innen im Kapitalismus versuchen uns zu trösten und mit „innovativen Lösungen“ zu überzeugen, während sie Milliarden ins Militär stecken. Im Ernstfall zeigt sich dann inzwischen immer häufiger, was die bürgerlichen Medien nur als „Hochwasser-Demenz“ bezeichnen können: Klassenpolitik.

    Kapitalismus und Umwelt: Zerstörung für Profite!

    • Perspektive Autor seit 2024. Berlin Informatikstudent und Werki in der IT. Schwerpunkte: internationale Kämpfe und Imperialismus.Begeisterter Radfahrer.

    • Ahmad Al-Balah ist Perspektive-Autor seit 2022. Er lebt und schreibt von Berlin aus. Dort arbeitet Ahmad bei einer NGO, hier schreibt er zu Antifaschismus, den Hintergründen von Imperialismus und dem Klassenkampf in Deutschland. Ahmad gilt in Berlin als Fußballtalent - über die Kreisliga ging’s jedoch nie hinaus.

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