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Samstag, April 27, 2024
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    Rekordtemperaturen: Ist CO²-Speicherung die Lösung?

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    Die Rekordtemperaturen 2023 lassen einen ungebremst hohen Anstieg der Erderwärmung in den nächsten Jahren befürchten. Nun wird stärker über CO²-Speicherung als Lösungsansatz gesprochen. Doch was kann die Technologie? – Ein Kommentar von Ivan Zimmermann.

    Der EU-Klimawandeldienst Corpernicus veröffentlichte vor kurzem seine Forschungsergebnisse zum Januar 2024, als dem heißesten Januar seit Beginn der Aufzeichnung im Jahr 1850. Auch die Marke von 1,5 Grad Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter wurde in den vergangenen 12 Monaten gerissen.

    Dass die hohen CO²-Emissionen von Verkehr und Industrie zu diesem Temperaturanstieg stark beitragen, ist in der Wissenschaft unumstritten. Der Überschuss an CO² (Kohlenstoffdioxid) in der Atmosphäre ist auf die Verbrennung von fossilen Brennstoffen zurückzuführen. Er trägt in der Atmosphäre zum Treibhauseffekt bei.

    Der heißeste Januar und die stärkste Erderwärmung seit Aufzeichnungen

    Am Dienstag präsentierte die EU-Kommission einen neuen Vorschlag für ein EU-Gesetz, dass EU-Klimaziele für 2040 festhält. Verhandelt wird es zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament. Nach den EU-Wahlen im Juni könnte es beschlussreif im Parlament vorliegen.  Der Gesetzesentwurf enthält das Ziel, die CO²-Emissionen der EU-Mitgliedsländer um 90% im Vergleich zu 1990 zu senken. Außerdem soll weiter in den Ausbau von Erneuerbaren Energien investiert werden, indem auch Technologien zur CO²-Speicherung im breiten Maßstab angewandt werden. Diese Technologien zur CO²-Speicherung sind jedoch umstritten.

    Der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unterstützt die Vorhaben zur CO²-Speicherung. Nach seiner Vorstellung solle CO² in den Meeresgrund der Nordsee gepumpt werden. In diesem Quartal könnte schon ein entsprechendes Gesetz zur Abstimmung vorliegen. Doch gegen das Vorhaben regt sich Protest. Denn die Anwendung der Technologie birgt Gefahren, und viele Fragen sind noch offen.

    Auf dem Prüfstand

    CO²-Speicherung, engl. Carbon dioxide capture and storage (CSS), bezeichnet den Prozess, bei dem CO² aufbereitet, komprimiert und zu einer Speicherstätte transportiert wird. Das CO² kann dabei sowohl aus der Atmosphäre wie auch aus den Abgasen von Kohlekraftwerken und Industrie aufgenommen werden. Das CO² direkt nach Entstehung aufzufangen, steht bei der Debatte im Mittelpunkt.

    Das gespeicherte CO² kann sowohl in Lagerstätten gespeichert werden, aber auch für die Produktion weiter verwendet werden, z.B. zur Herstellung von Koks und synthetischen Treibstoffen, wobei es dann wieder der Atmosphäre zugefügt werden würde. Als Langzeitlagerstätten werden salzwasserführende Grundwasserleiter, leere Erdgas- und Erdölstätten sowie tiefliegende Kohleschichten diskutiert.

    Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe würden die Kapazitäten für diese präferierten Orte in Deutschland für die Speicherung von knapp 23 Milliarden Tonnen Co² reichen. So könnten sie die Emissionen der Industrie über 30-60 Jahre auffangen.

    Die Endlagerung birgt je nach Ort unterschiedliche Risiken: Durch das Pressen von Kohlenstoffdioxid in Schichten, die Salzwasser führen, wird das Salzwasser zur Seite verdrängt und kann dadurch in das Grund- bzw. Trinkwasser gelangen. Auch sind durch den Druck Erschütterungen in den Lagerstätten möglich, die zu Rissen im Gestein und dem Wieder-Austreten von CO² führen können. Das ist in unterirdischen Lagerstätten sowieso immer möglich. Auch wären viele potenziell nutzbare Schichten durch die hohe Anzahl an Bohrlöchern zur Probenentnahme nicht mehr risikofrei nutzbar. Austretendes CO² kann außerdem Grundwasser versäuern und unter Druck Schwermetalle freisetzen, die dann ins Trinkwasser gelangen können.

    Die Kosten tragen wir

    Für die Einschätzung von CO²-Speicherungs-Technologien ist außerdem wichtig: Aufbereitung, Komprimierung und Transport brauchen zusätzliche Energie. Der Wirkungsgrad, z.B.von Kohlekraftwerken, ist mit CO²-Speicherungs-Systemen deutlich eingeschränkt und es kann mit einem erhöhten Brennstoffverbrauch von 24-40% gerechnet werden, was neben anderen Preisfaktoren zu einer Teuerung des Stroms führen würde.

    Auch der Aufbau der gesamten Infrastruktur wird teuer: Es geht um Aufbereitungsanlagen, Pipelines, die Erschließung von Lagerstätten, deren Betrieb und die Ewigkeitskosten für die Überwachung von Langzeit-Lagerstätten.

    Ob die nötigen Finanzmittel durch eine Erhöhung des Strompreises oder durch Milliarden-Subventionen aus Steuergeldern finanziert werden – die Kosten trägt am Ende die Mehrheit der Endverbraucher:innen, die Arbeiter:innenklasse.

    Für die Wissenschaft ist klar: Ohne Speicherung von großen Mengen CO² werden die selbst gesteckten hohen Ziele von EU und BRD zur Reduzierung von Emissionen nicht erreicht werden. Nicht erreicht werden sie aber auch bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt in der kapitalistischen Produktionsweise im Sinne der Kapitalist:innenklasse und ihrer Unternehmen.

    Die Arbeiter:innenklasse oder Kleinbäuer:innen hingegen werden infolge der anwachsenden Klimakatastrophen weiter ihrer Existenzgrundlage beraubt, was zu fortschreitender Verelendung und (Land-)Flucht führt, auch in den abhängigen Ländern und Neo-Kolonien. Todesopfer und Fluchtbewegungen sind dort schon an der Tagesordnung.

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