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Montag, September 9, 2024
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    Die deutsche Waffenindustrie: Hochrüsten fürs Heimatland

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    Im Zuge der allgemeinen Kriegsvorbereitung intensiviert Deutschland derzeit den Rüstungsexport und treibt damit das Kriegsgeschehen weltweit voran. Was sind die logistischen Dreh- und Angelpunkte bei deutschen Waffenexporten?

    „Wir müssen kriegstüchtig werden“, so die Ankündigung von Verteidigungsminister Boris Pistorius. Deutschland bereitet sich auf kommende Kriege vor. Neben der Ausbildung von Soldat:innen braucht es dafür auch eine „konkurrenzfähige“ nationale Rüstungsindustrie. Dass in diesem Fall der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, die regierende SPD und die IG Metall für einen Deal zur Aufrüstung Deutschlands zusammenkommen, ist nur eine logische Konsequenz der „Sozialpartnerschaft“ und der laufenden Kriegsvorbereitungen.

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    Schlüsselindustrien für den Krieg

    Das Bundesverteidigungsministerium hat 2020 ein Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vorgelegt, das eine Liste an nationalen Schlüsseltechnologien für die deutsche Kriegsfähigkeit aufstellt. Diese sollen gefördert werden, um zukünftig eigenständiger nationale Interessen militärisch durchsetzen zu können. Dafür bedarf es der Unabhängigkeit von ausländischen Zulieferern in den Spezial-Bereichen Schutz, Sensorik, gepanzerte Fahrzeuge, Marineschiffsbau, vernetzte Operationsführung, elektronische Kampfführung, Kommunikationstechnologien und Künstliche Intelligenz (KI).

    Im März 2024 hat der Bundestag einen Antrag der CDU/CSU angenommen, der eine Überarbeitung dieses Strategiepapiers vorsieht. Demnach soll unter anderem die Exportpolitik vereinfacht werden, um auf dem internationalen Rüstungsmarkt besser konkurrieren zu können.

    Mit einem Zuspitzen der geopolitischen Auseinandersetzungen stiegen speziell die Rüstungsexporte aus Deutschland schon in den vergangenen Jahren stark an: Sie erreichten 2023 einen neuen Höchststand von 12,2 Mrd. Euro, darunter allein 6,4 Mrd. Euro für Kriegswaffen. Zehn Jahre zuvor waren es noch gerade 5,8 Mrd. Euro. „Der neue Höchstwert für das Jahr 2023 ist eine direkte Konsequenz der sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit”, so Staatssekretär Sven Giegold (Grüne).

    Wer kauft die deutschen Rüstungsgüter ein? Mit 4,4 Mrd. Euro war die größte Käuferin die Ukraine. Danach folgen die europäischen Länder Norwegen, Ungarn, das Vereinigte Königreich und Polen, gefolgt von den USA und Israel. Deutschland spielt also eine entscheidende Rolle in der Aufrüstung Europas und der EU als kommende Militärmacht. Mit seinen Exporten in die Ukraine und nach Israel beteiligt sich Deutschland mit den dazugehörigen Waffenindustriellen somit tatkräftig an aktuellen Kriegen, die Zehntausende das Leben kosten.

    Die deutschen Rüstungskonzerne im Überblick

    Airbus ist zwar ursprünglich ein französisches Unternehmen, das man als Hersteller von Passagierflugzeugen kennt. Dadurch jedoch, dass Airbus 21 Prozent seiner Umsätze mit Wehrtechnik über seine Sparte „Airbus Defense and Space“ macht, stellt das Unternehmen gleichzeitig den zweitgrößten Rüstungskonzern Europas dar – und den größten mit deutscher Beteiligung. In Taufkirchen, in der Nähe von München, befindet sich der Hauptsitz der „Airbus Defense and Space“. Weitere Standorte sind über ganz Deutschland verteilt. Der Konzern erwirtschaftete 2022 12,1 Mrd. US-Dollar und beteiligt sich beispielsweise an der Produktion von Kampfhubschraubern und am Kampfflugzeug „Eurofighter Typhoon”, das für verschiedene europäische Armeen produziert wird.

    Platz zwei auf der Liste ist Rheinmetall mit 4,6 Mrd. US-Dollar Umsatz (Stand: 2022). Es ist damit das größte ursprünglich deutsche Rüstungsunternehmen. Rheinmetall produziert vor allem Landwaffensysteme wie Panzer (z.B. „Leopard 2”) sowie Munition. Auch im völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei in Kurdistan sowie in der Ukraine kommen Rüstungsgüter des Konzerns aktuell zum Einsatz. In der Ukraine eröffnete Rheinmetall erst diese Woche eine Munitionsfabrik.

    Der wichtigste Standort ist das niedersächsische Unterlüß, wo „Rheinmetall Defense” und „Rheinmetall Waffen Munition GmbH” sitzen. Der Standort beschäftigt ca. 2.500 Arbeiter:innen, und seit diesem Jahr wird dort eine weitere Munitionsfabrik gebaut.

    Als größter deutscher Rüstungsproduzent ist der Konzern auch vielen Friedensaktivist:innen ein Dorn im Auge. Seit mehreren Jahren organisiert das antimilitaristische Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“  Protest gegen das Unternehmen und ruft auf, in Form von zivilem Ungehorsam die Rüstungsproduktion zu stören. Auch dieses Jahr mobilisiert das Bündnis zu einem Aktionscamp vom 03.-09. September in Kiel – ein für Rheinmetall wichtiger Produktionsstandort, wo Landwaffensysteme entwickelt werden.

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    Das deutsch-französische Unternehmen „KNDS” (Zusammenschluss von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter) ist auf die Produktion von Panzern spezialisiert, die aktuell unter anderem in der Ukraine eingesetzt werden. Mit 3,2 Mrd. US-Dollar Umsatz ist es der drittgrößte Rüstungshersteller mit deutscher Beteiligung.  Die Kriegsproduktion reicht von luftverladbaren und hochgeschützten Radfahrzeugen (MUNGO, AMPV, DINGO, GFF4 und BOXER*) über Aufklärungs-, Flugabwehr- und Artilleriesysteme (FENNEK, GEPARD, Remote Controlled Howitzer 155, Panzerhaubitze 2000, DONAR und AGM) bis hin zu Kampfpanzern (LEOPARD 1 und 2), Schützenpanzern (PUMA) und Brückenlegesystemen. KNDS exportiert nach eigenen Angaben in über 50 Nationalstaaten.

    Thyssenkrupp, das durch die Zusammenarbeit mit den Faschist:innen zur Zeit des Nationalsozialismus seinen Aufschwung erlebt hatte, stellt auch heute noch Waffen und Kriegsgeräte her, womit der Konzern 2022 ca. 1,9 Mrd. US-Dollar umsetzte. Einen Fokus legt das Unternehmen mit „Thyssen Krupp Marine Systems“ auf den militärischen Schiff- und U-Bootsbau mit Standorten in Kiel, Hamburg und Emden.

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    Während die zuvor genannten Konzerne vor allem Kriegsgeräte fertigstellen, ist „Hensoldt” auf die Bereiche der Sensortechnik, Optik, Halbleiterelektronik, Radar- und Navigationstechnik spezialisiert. Damit stellt das Unternehmen mit 1,6 Mrd. US-Dollar Umsatz (Stand: 2022) Komponenten in der Militärtechnik her, die in vielen verschiedenen Waffentechnologien Verwendung finden. Auch in Grenzüberwachungssystemen an den europäischen Außengrenzen wird Hensoldt-Sensortechnik eingesetzt.

    Die aufgelisteten größten Produzenten werden vervollständigt von Diehl, MTU, Heckler & Koch sowie vielen weiteren kleineren Firmen und Zulieferern. All diese Waffenproduzenten teilen sich den Rüstungsmarkt nach Spezifikationen (wie Landwaffensysteme, Marine, militärische Flugkörper, Sensortechnik und Kommunikationstechnologie) auf und kooperieren in gemeinsamen Kriegs- und Aufrüstungsprojekten. Damit bilden sie eine Grundlage für den deutschen Staat, sich militärisch auf eigene Beine zu stellen.

    Wo sind die Drehkreuze der Rüstungsindustrie?

    Geographisch liegen die Firmen wie ein Netz über ganz Deutschland verteilt. Oft existieren jedoch zentrale Produktionsstandorte wie im niedersächsischen Unterlüß und im bayerischen Taufkirchen, wo Airbus produziert. Die größten Standorte der Rüstungsproduktion sind aber Hafenstädte wie Bremen und Hamburg – für Waffenexporte sind die Häfen der Nordsee und Ostsee natürlich von hoher logistischer Bedeutung. Ca. 7 Prozent der deutschen Rüstungsexporte stammen laut „Bremer Friedensforum” allein aus der Stadt – mit ca. 5.000 Arbeiter:innen in der Branche. Auch in Hamburg sind der Initiative „Ziviler Hafen“ zufolge über 90 Rüstungsunternehmen ansässig.

    Häfen sind aus diesem Grund ein wunder Punkt beim Widerstand gegen Rüstungsexporte. Beispielsweise werden bei Streiks von Hafenarbeiter:innen regelmäßig auch die Forderungen laut, Rüstungsexporte in Kriegsgebiete zu stoppen. Die Initiative „Ziviler Hafen“ fordert ein generelles Verbot von Waffenlieferungen. Auch in anderen Ländern leisten Hafenarbeiter:innen Widerstand gegen Waffenlieferungen: so zum Beispiel in Genua, Italien, wo im November 2023 die Arbeit niedergelegt wurde, um Lieferungen an Israel zu verhindern.

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