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Dienstag, September 10, 2024
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    Haushalt 2025: Warum sich Kanzler und Finanzminister überwerfen

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    Von der Ampelkoalition wird die Sommerpause fleißig genutzt, um sich in Position für den nächsten Wahlkampf zu bringen. Wieso der Streit um den Haushalt 2025 zeigt, dass das politische System nicht funktioniert.– Ein Kommentar von Paul Gerber.

    Am 5. Juli hatte die Ampelkoalition einen äußerst wackeligen vorläufigen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 vorgeschlagen. Während das Militär weiterhin üppig ausgestattet wird, sind bei Sozialausgaben Kürzungen vorgesehen. Insbesondere Empfänger:innen von Bürgergeld könnten die Leidtragenden sein, wenn die Regierung ihre Kürzungspläne durchsetzt.

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    In der Sommerpause des Bundestags ist nun jedoch (nicht zum ersten Mal) ein offener Streit in der Koalition über die Finanzierung des Haushalts ausgebrochen. Mit sich widersprechenden Wortmeldungen in der Presse beharken sich dabei momentan vor allem Kanzler Scholz (SPD) und Finanzminister Lindner (FDP) samt Gefolge.

    Die FDP stellt dabei offen verschiedene Tricks in Frage, mit denen der vorgestellte Haushalt 2025 nach derzeitigem Stand finanziert werden soll. Sie hatte diesen verfassungsrechtlich sowie wirtschaftlich prüfen lassen.

    Laut dem angeforderten juristischen Gutachten könnte vor allem die Umbuchung der knapp 5 Milliarden Euro aus nicht verbrauchten KfW-Mitteln der vergangenen Gaspreisbremse erneut verfassungswidrig sein. Einen ähnlichen Trick für den Haushalt 2024, bei dem Corona-Mittel umfunktioniert werden sollten, hatte das Bundesverfassungsgericht letztes Jahr bereits kassiert. Vor dieser Schmach hat vor allem der Finanzminister Angst, während der Bundeskanzler unbedingt einen funktionierenden Haushalt vorweisen muss, um seine Chancen aufrechtzuerhalten, nächstes Jahr wiedergewählt zu werden.

    Die zunehmenden Widersprüche im politischen System deuten an, dass die kapitalistischen Praktiken in Zeiten von Krieg und Krise langsam an ihre Grenzen stoßen.

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    Die Interessen der heutigen Politiker:innen

    Ein weiteres Problem sei die Umwandlung der Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt an die Deutsche Bahn und die Autobahn in Darlehen, um so nicht mehr im Bundeshaushalt als ungedeckte Ausgabe aufzutauchen. Faktisch werden damit Schulden ohnehin nur zwischen verschiedenen staatlichen oder halbstaatlichen Institutionen hin- und hergeschoben. Wobei die FDP mitteilte, dass sie auch dieses Vorgehen nun nicht mehr für tragbar halte.

    Lindner tut gerade so, als würde er jetzt staatspolitische Verantwortung übernehmen und bei der Haushaltsführung die nötige Sorgfalt walten lassen. Er habe sich einmal auf einen Koalitionskompromiss eingelassen, der wackelig war und der von Karlsruhe verworfen worden ist. Das passiert ihm „kein zweites Mal”, sagte der FDP-Politiker am Wochenende im ZDF.

    Dabei ist hervorzuheben, dass Linder beim Zusammenstellen des Haushalts selbst äußerst fragwürdige Methoden angewendet hatte. So gründet sich der überstrapazierte Haushaltsentwurf 2025 auf der Annahme einer sogenannten „Globalen Minderausgabe“. Vereinfacht gesagt: es wird schon beim Planen des Haushalts damit gerechnet, dass bis zu 17 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden als ursprünglich eingeplant. Schulden will Lindner dabei auf keinen Fall aufnehmen, was die Haushaltsplanung zusätzlich erschwert. Denn das ist und bleibt ja ein zentrales Wahlversprechen seiner FDP.

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    Wahlkampf statt des Kampfs für ein bessere Welt

    SPD und FDP zielen in der aktuellen Situation vor allem darauf ab, sich voneinander abzugrenzen, um so mit einem stärkeren eigenen Profil in die Bundestagswahl im nächsten Jahr zu ziehen. Denn das wohlhabende Wählerklientel der FDP fühlt sich von verschiedenen zumindest als grün oder sozial verkauften Maßnahmen der Regierung abgestoßen und andersherum verliert die SPD an ihrer ursprünglichen Basis in der Arbeiter:innenklasse ohnehin seit Jahren an Boden.

    Mit den sich widersprechenden Wortmeldungen in der Presse erreichen somit also sowohl Lindner als auch Scholz bestimmte politische Ziele. Der Regierung und ihrer Stabilität wird das Ganze jedoch sicherlich nicht nutzen. Daher bleibt fraglich, ob überhaupt einer von beiden so richtig politisches Kapital aus der Debatte ziehen kann.

    Offensichtlich wird jedenfalls, dass keine der beiden Seiten mehr wirklich bereit ist, auf eine Weiterführung der „Regierungsverantwortung” zu setzen (wenn es gegenüber der Bevölkerung je so etwas gab). Ganz nach dem Motto: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Bezeichnenderweise hatte Lindner vor wenigen Tagen schon plakativ erklärt, dass ein grüner Kanzler mit der FDP nicht zu machen sei.

    Der Kapitalismus bricht seine eigenen Regeln in Dauerschleife

    Vor allem aber wird deutlich, dass der Kapitalismus unfähig geworden ist, seine eigenen Regeln einzuhalten. Mit der Diskussion um rechtlich fragwürdige Methoden, um weitere Schulden zu machen, kommt hierbei zum Ausdruck, dass der Staat immer krasser ins Wirtschaftsleben eingreifen muss, um den lahmenden kapitalistischen Karren irgendwie auf Spur zu halten.

    Nicht nur, um einen eventuellen Krieg vorzubereiten, fallen enorme Kosten an. Die Zahl der Arbeiter:innen, die keinen Platz in der kapitalistischen Maschinerie finden, gehören ebenso zu seinen Kosten wie die enormen Subventionen, die jährlich für das Aufrechterhalten enormer Profite bei Großkonzernen anfallen. All das zählt zu dem, was Karl Marx einst als „falsche Kosten“ des Kapitalismus bezeichnet hat. Probleme und Kosten also, die wir uns sparen könnten, wenn wir unsere Gesellschaft sozialistisch-kollektiv gestalten würden.

    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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