`
Samstag, April 27, 2024
More

    Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Warum die Umschichtung von Milliarden durch die Ampel-Regierung nicht bloß „verfassungswidrig” ist

    Teilen

    Das Bundesverfassungsgericht hat auf Antrag der CDU am 15. November rückwirkend entschieden, dass der Ampel-Regierung die Steuergelder für den Kampf gegen Corona nicht für Investitionen zum Umbau der deutschen Wirtschaft zur Verfügung stehen. In der Einzelfallentscheidung geht es um 60 Milliarden Euro. Ein Schlag der bürgerlich-konservativen Opposition gegen die bürgerlich-liberale Regierung. In der Umverteilung von unten nach oben per „Sondervermögen“ in Form des „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) sieht hier niemand ein Problem? – Ein Kommentar von Ahmad Al-Balah

    Wegen der Notfallsituation während der Corona-Pandemie hatte der Bund den Haushalt 2021 nachträglich in Form einer Kreditermächtigung um 60 Milliarden Euro aufgestockt. In der damals außergewöhnlichen Situation war es trotz Schuldenbremse möglich, Kredite aufzunehmen. Am Ende wurde das Geld aber nicht für die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen gebraucht, sondern zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft benutzt.

    Da sich die Regierungsparteien die Verfügung über die 60 Milliarden Euro Steuergelder bereits gesichert hatten, steckten SPD, Grüne und FDP dieses Geld in ihren sogenannten „Klima- und Transformationsfonds“. Die Vertreter:innen des bürgerlich links-grünen und kapitalistischen Lagers arbeiteten dabei im Sinne der Unternehmer:innen, die im internationalen Wettkampf beispielsweise auf Elektro- und Wasserstoffenergie setzen.

    Gas und Wasserstoff aus Katar und den VAE – Die Doppelstandards des deutschen Imperialismus

    KTF: Wer bezahlt und wer profitiert

    Die meiste Zeit erhielt der KTF seine Mittel aus dem Emissionshandel und Bundeszuschüssen. Somit wird er aus Einnahmen und nicht direkt aus Steuermitteln gespeist. Außerdem profitiert er sowohl von dem europäischen als auch dem nationalen Emissionshandel.

    Preis für CO2 steigt – Tanken und Heizen wird teurer

    Bei letzterem müssen CO2- intensive Unternehmen wie beispielsweise Raffinerien Zertifikate für jede Tonne produziertes CO2 erwerben. Doch die Steigerung des CO2-Preises wird konstant an die Konsument:innen weitergegeben. Muss eine Raffinerie beispielsweise mehr Geld zum Kauf von Zertifikaten veranschlagen, gibt es diese Kosten an die Tankstellen weiter. Letztlich zahlen also doch wieder die Arbeiter:innen für das Wirtschaftswachstum der Konzerne.

    Wie Jens Ackerhof bereits in Perspektive online bemerkte, wollte die Regierung bis 2027 rund 212 Milliarden Euro bereitstellen, um „grüne“ Technologien zu fördern und das deutsche Kapital wettbewerbsfähiger zu machen. Der Klima- und Transformationsfonds sei hierbei ihr „Hauptmittel“: 18 Milliarden Euro im Jahr 2024 für die Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden, die Sanierung des Streckennetzes sowie die Förderung der Wasserstoffwirtschaft mitsamt des Umstiegs der Stahlkonzerne auf Wasserstoff.

    Dass die offizielle Zielsetzung des Fonds – nämlich den Folgen des Klimawandels gerecht zu werden – „höchst dehnbar“ ist, zeigt sich unter anderem an den 12,2 Milliarden Euro-Subventionen für den Bau von Mikrochip-Fabriken.

    Wie die Ampel-Regierung im Namen der Umwelt Geld an Konzerne verschenkt

    Verfassungsgericht setzt der bürgerlichen Demokratie Grenzen

    Nun entschied das Bundesverfassungsgericht, die Änderung des Nachtragshaushalts 2021 sei „verfassungswidrig und nichtig“.  In der Begründung geht es um die Wirksamkeit der Schuldenbremse. Diese ist in Art. 109 Grundgesetz verankert und sieht vor, dass „die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind“.

    Die Bundesregierung hätte laut Verfassungsgericht besser begründen werden müssen, warum später die Mittel für „das Klima“ ausgegeben werden sollten und inwiefern das helfen könnte, die Corona-Folgen abzumildern. Das ist natürlich eine bittere Pille für die Kapitalist:innen, lässt der bürgerlichen Politik aber auch Spielraum für zukünftige Steuertricks.

    Machtstreit der bürgerlichen Parteien

    Die Unionsfraktion hat mit ihrem Antrag der bürgerlich-liberalen Regierung eins ausgewischt. Natürlich hätte sie selbst ganz genauso im Interesse des Kapitals gehandelt, wenngleich für das Lager der konservativen Kapitalist:innen. Ein Indiz dafür ist, dass unter Führung der CDU in NRW ebenfalls Sonderhaushalte mit vormaligen Corona-Hilfen aufgefüllt wurden.

    Aus den Reihen der Ampel-Regierung heißt es, infolge der Pandemie habe die Volkswirtschaft geschwächelt, daher hätten private Investitionen angestoßen werden müssen. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) werde diese Entscheidung gegen den Nachtragshaushalt Deutschland nun „wirtschaftspolitisch hart treffen“.

    Der Grünen-Chefin Ricarda Lang zufolge würden die Wirtschaftsinvestitionen, die im KTF veranschlagt sind, „absolut gebraucht werden“, da sie sich ja vorgenommen hätten, die deutsche Wirtschaft „zu modernisieren und wettbewerbsfähig zu bleiben“. Es gehe bei der Frage, sich als Wirtschaftsmacht zu behaupten, darum, wer „der erste klimaneutrale Wirtschaftsstandort“ werde.

    Als Ausblick auf kommende Maßnahmen im Sinne des Kapitals betonte Lang, dass die Grünen die Schuldenbremse sowieso nicht mehr für zeitgemäß halten würden. In der kommenden Legislaturperiode brauche es daher eine Reform.

    Mögliche Folgen

    Nun steht die Regierung erneut vor dem Problem, wie in diesem Rechtsstaat möglichst viel Geld der Arbeiter:innen (Steuern) an die Kapitalist:innen (Investitionen) umverteilt werden kann. Die SPD ließ verlauten, man plane den Bundeshaushalt für das kommende Jahr trotzdem wie geplant. Die Regierungspartei sei „auf die Szenarien vorbereitet“, so die parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast.

    Erst im August hatte die Regierung den Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds für 2024 beschlossen. Demnach sollen im kommenden Jahr insgesamt 57,6 Mrd. Euro aus dem Fonds fließen. Der Löwenanteil von 47,4 Milliarden entfällt auf Vorhaben aus dem Habeck-Ministerium. Die fehlenden 60 Milliarden muss die Regierung den Arbeiter:innen nun anderweitig aus der Tasche ziehen.

    Die gute Neuigkeit für die Kapitalist:innen ist: Der KTF an sich ist wohl nicht gefährdet. Das liegt vor allem an seiner Finanzierung, die auch abseits der umgewidmeten Corona-Kredite gesichert sei. Der Fonds wurde bereits 2010 unter der Bezeichnung „Energie- und Klimafonds“ errichtet und erst in dieser Legislatur zum „Klima- und Transformationsfonds“ umbenannt. Auch das Sondervermögen der Bundeswehr bleibt ihnen erhalten.

    Regierung kürzt beim Bundeshaushalt 2024: Geld für Waffen statt für Soziales!

    Inwiefern die Bundesregierung an ihrem Plan festhalten kann, bleibt offen. Das konservativ-kapitalistische Lager rund um die CDU hat jedenfalls einen Erfolg verbucht und ist womöglich weiter auf dem politischen Vormarsch. Die SPD, Grüne und FDP erlitten eine politische Niederlage. Neue Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse sind zu erwarten.

    • Ahmad Al-Balah ist Perspektive-Autor seit 2022. Er lebt und schreibt von Berlin aus. Dort arbeitet Ahmad bei einer NGO, hier schreibt er zu Antifaschismus, den Hintergründen von Imperialismus und dem Klassenkampf in Deutschland. Ahmad gilt in Berlin als Fußballtalent - über die Kreisliga ging’s jedoch nie hinaus.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News