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Samstag, Mai 4, 2024
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    Hetze gegen Links: Noch Medienhaus oder schon Repressionsbehörde?

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    Konzerne und der deutsche Staat schauen nicht lange zu, wenn der Widerstand gegen sie wächst. Um ihn in die Schranken zu weisen, haben sie eine Vielzahl an staatlichen Behörden – und eine Medienlandschaft, die sich ebenfalls gern nützlich macht. – Ein Kommentar von Ivan Barker

    Dieses System zum Besseren verändern – zumindest in Worten formulieren viele Menschen dieses Ziel, die sich als links verstehen. Die Mittel und Wege, die verschiedene Gruppen und Organisationen dabei wählen, sind unterschiedlich. Welche am Ende die richtigen sind, um das gesteckte Ziel zu erreichen, kann sich schlussendlich nur durch ihre Erprobung überprüfen lassen.

    Gewalt darf nur der Staat – im Auftrag der Konzerne

    In der Vergangenheit sind dabei in Deutschland manche Gruppen weiter gegangen als andere, insbesondere was das aktive Handeln angeht – ob es sich dabei um die Beschädigung von Objekten oder die Gewaltanwendung gegen Personen handelt. Ab diesem Punkt sprechen Politiker:innen, Polizei und Verfassungsschutz meist vom sogenannten „Linksextremismus“ oder gar „Linksterrorismus“. Mit diesen Begriffen soll eine Ähnlichkeit von Rechts und Links fabriziert werden, die vor allem der vermeintlich gleichartigen Gewalttätigkeit beruht. Vollständig außer Acht gelassen werden dabei jegliche Unterschiede in politischen Motivationen, Methoden und Zielen.

    Grund dafür ist die Beanspruchung des Gewaltmonopols durch den Staatsapparat. Ein Grundsatz der Demokratie sei schließlich, dass nur der Staat das Recht habe, Gewalt auszuüben. In welchem Interesse er das tut, wird meistens unter den Tisch gekehrt. Dabei beweist er es oft genug, wenn die Bundeswehr in anderen Ländern strategisch wichtige und rohstoffreiche Gebiete für Großkonzerne angreift und besetzt oder im Inland die Polizei Proteste gegen dieses System niederschlägt.

    Die Angst vor dem „linken Terrorismus“

    Einen besonderen Dienst leisten die großen Medienhäuser und viele ihrer Journalist:innen, wenn es darum geht, das Bild vom rechtmäßigen Gewaltmonopol des Staats in den Köpfen der Menschen zu festigen. Sie greifen zum Beispiel Pressemitteilungen vom Innenministerium und den Polizeistellen auf und geben diese unhinterfragt wieder, als seien es Fakten. Oder sie gehen ein paar Schritte weiter und erschaffen selbst diejenige Stimmung, die diesen Behörden den Boden bereitet, die Niederhaltung von Protesten unwidersprochen durchzusetzen.

    So finden immer wieder Hetzjagden auf linke Organisationen statt – selbst, wenn es diese seit fast 30 Jahren nicht mehr gibt: Die drei Generationen der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) sind wohl das bekannteste Beispiel für den bewaffneten Kampf gegen den Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland. Die mediale Hetze gegen die RAF in den 1970er Jahren – von den Medien des Springer-Konzerns angeführt – wurde rund um die Festnahme von Daniela Klette in Berlin wieder aufgewärmt. Ihr wird vorgeworfen, Teil der dritten RAF-Generation gewesen zu sein. Vor allem eine Solidaritätsdemonstration für Klette im März befeuerte die Journalist:innen noch einmal. Beim Focus schrieb man sich aus den Teilnehmer:innen sogar eine womöglich vierte RAF-Generation zusammen.

    Ein weiteres Ereignis, das im März als Rechtfertigung für die Angst vor dem „linken Terrorismus“ dienen sollte, war das Anzünden eines Strommastes in Brandenburg, dessen Ausfall die Tesla-Fabrik bei Grünheide für mehrere Tage lahmlegte. Dazu bekannt haben soll sich eine Gruppe namens „Vulkangruppe“, die unter wechselnden Namen auch schon in der Vergangenheit ähnliche Aktionen durchgeführt haben soll. Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte daraufhin die Staatsanwaltschaft auf, „hart“ gegen die Täter:innen vorzugehen. Und das Handelsblatt titelte: „Wie doof dürfen Linksterroristen sein?“ – denn die dortige Produktion von E-Autos müsste Klimaschützer:innen doch eigentlich gefallen. Dass der Tesla-Konzern alles andere als ein Klimaretter ist, findet auch hier keine Erwähnung.

    Journalistische Geheimdienstarbeit

    Eine andere Art, wie sich bürgerliche Journalist:innen an der Jagd auf Widerstand beteiligen, ist das Recherchieren und Veröffentlichen von persönlichen Informationen. Es trifft in den letzten Monaten besonders häufig palästinensische und palästina-solidarische Aktivist:innen. Im März wurden palästina-solidarische Posts von zwei Personen auf der Plattform X für die Welt am Sonntag zum Anlass, nach deren Arbeitsstellen zu recherchieren, diese über den „Israelhass“ ihrer Mitarbeiter zu informieren und einen Artikel zu veröffentlichen, an dessen Ende ihre Entlassung durch den Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gefordert wurde. Hier werden von Journalist:innen teilweise Methoden des Inlandgeheimdienstes Verfassungsschutz übernommen, um Menschen davon abzuhalten, sich gegen Unterdrückung und Kriege einzusetzen und ihre Meinung öffentlich zu äußern.

    Selbst die Stimmung beeinflussen!

    Die bürgerlichen Medien, die nicht nur im Sinne von Konzernen schreiben, sondern häufig selbst großen kapitalistischen Unternehmen gehören, stellen ein nützliches Werkzeug für den Erhalt der kapitalistischen Ordnung dar: Sie unterstützen die Repressionsbehörden in ihrer Arbeit, wenn sie deren Formulierungen wiederholen, Fahndungsfotos und -plakate abdrucken, oder sie übernehmen gar selbst deren Aufgaben beim Recherchieren über vermeintliche „Terrorist:innen“. Dabei versuchen sie gezielt, die Stimmung in der breiten Bevölkerung dementsprechend zu beeinflussen – und es gelingt ihnen auch immer wieder. Das hat zum Beispiel der Anstieg an vermeintlichen Hinweisen aus der Bevölkerung zu den gesuchten RAF-Mitgliedern gezeigt.

    Angesichts dessen bleibt es umso wichtiger, den bürgerlichen Journalist:innen und ihrer Hetze etwas entgegen zu setzen. Ihre Wirkung kann nur so weit gehen, wie wir es auch zulassen. Ob unsere Mitschüler:innen und Kolleg:innen nur das Bild der blutrünstigen „Linksterrorist:innen“ und der palästinensischen „Antisemit:innen“ im Kopf haben, oder ob dem etwas entgegengesetzt wird, kann häufig allein davon abhängen, ob wir uns trauen, mit ihnen darüber in Diskussion zu treten.

    • Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

    • Perspektive-Autor seit 2019 sowie Redakteur der Printausgabe. Auszubildender in der Metallindustrie in Berlin und Hobbykünstler.

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