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Montag, Juni 24, 2024
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    Olympia und Europameisterschaft – Sport im Interesse der Herrschenden?!

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    In diesem Sommer finden gleich zwei riesige Sport-Events in Zentraleuropa statt: Die Fußball-EM, die in mehreren deutschen Städten ausgetragen wird, und die Olympischen Spiele in Paris. Die Veranstaltungen sorgen aber nicht nur für sportliche Spektakel. Sowohl die deutsche als auch französische Regierung nutzen sie auch für ihre politischen Zwecke. – Ein Kommentar von Herbert Scholle.

    In 10 deutschen Städten finden ab dem 14. Juni in Deutschland die Spiele der Fußball-Europameisterschaft statt. Diese stehen logischerweise im Vordergrund bei der Berichterstattung zur EM. Worüber jedoch deutlich weniger Menschen nachdenken, sind die Sicherheitsmaßnahmen, die der Staat im Zuge der EM einführt. Wenn man sich diese aber einmal genauer anschaut, fällt schnell auf, dass für Bundesinnenministerin Nancy Faeser und das durch sie geführte Ministerium die Sicherheit und die Überwachung sowie Einschränkung unserer Freiheitsrechte Hand in Hand gehen.

    Klima der Angst

    Die Vorbereitungen für die EM laufen bereits seit Jahren, doch insbesondere in den vergangenen Wochen richten sich Faeser und andere staatliche Akteure immer wieder bezüglich der EM an die Öffentlichkeit. Dabei wagen sie einen interessanten Spagat: denn auf der einen Seite wollen sie den Besucher:innen der Spiele eine möglichst hohe Sicherheit suggerieren, auf der anderen Seite möchte man nicht allzu genau ins Detail darüber gehen, mit welchen Mitteln diese Sicherheit erreicht wird. Resultat davon sind dann häufig Reden und Pressemitteilungen voll mit hohlen Phrasen oder vagen Erklärungen.

    Wobei man jedoch wenig vage bleibt ist das Szenario, dass es Bedrohungen von allen Seiten gebe, gegen die man sich unbedingt schützen müsse: Kriminalität, Cyberangriffe, Terroranschläge – und so weiter und so fort. Auch die deutschen Medien machen gerne dabei mit. Die grundlegende Nachricht: Wir sollen Angst haben! – Aber keine Sorge, der Staat weiß uns mit seinen Sicherheitsmaßnahmen zu schützen, klingt es dann im gleichen Atemzug.

    Sicherheit dank Überwachung?

    An vorderster Front der Sicherheitsmaßnahmen steht eine Ausweitung der Überwachung. Insbesondere in unseren Großstädten wird es immer „normaler“, an jeder Ecke von Videokameras beobachtet zu werden. Doch was sich vor allem in letzter Zeit immer mehr ändert, sind die Zwecke, zu denen diese Daten genutzt werden. Dank künstlicher Intelligenz ist es heutzutage nämlich einfacher als je zuvor, riesige Datenmengen zu analysieren und Personen genauestens zu verfolgen. Im Rahmen der EM soll auch diese Praxis weiter ausgedehnt werden.

    Beispielsweise soll eine „Polizei-KI“ genutzt werden, die helfen soll, Menschenmengen zu kontrollieren. Dabei warnte der Deutsche Anwaltvererein (DAV) erst vor kurzem vor überhöhter Überwachung. Insbesondere der Einsatz von Staatstrojanern, biometrischer Überwachung und der Vorratsdatenspeicherung werden scharf kritisiert. Dabei ist nicht nur der Eingriff in unsere Grundrechte ein wichtiger Aspekt dieser Debatte, zum Beispiel, wenn es um das Hacken persönlicher Geräte geht: „Der Staat nutzt Sicherheitslücken, die er eigentlich schließen sollte – und lässt damit sehenden Auges ein Einfallstor für Kriminelle offen“, betont Dr. Nikolaos Gazeas, Mitglied des DAV-Ausschusses „Gefahrenabwehrrecht”.

    Einschränkung unserer Freiheitsrechte

    Doch auch darüber hinaus muss man einige der Sicherheitsmaßnahmen kritisch betrachten. Beispielsweise gelten über die Laufzeit der EM hinweg neue Regeln an der deutschen Grenze: Reisende müssen mit der Möglichkeit von Grenzkontrollen rechnen, wenn sie nach Deutschland einreisen. Auch wird die Polizeipräsenz in und um die Austragungsstätten deutlich erhöht, es werden sogar rund 600 ausländische Polizeikräfte im Einsatz sein.

    Ein weiterer Kritikpunkt, dem sich der deutsche Staat sowie die UEFA bereits seit der deutschen Bewerbung auf die EM widmen müssen, ist die Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Ein Teil des Anforderungskatalogs der UEFA an die Austragungsorte ist nämlich das Verbot von politischen und religiösen Demonstrationen im Umkreis von 500m um die Stadien, selbst darüber hinaus, falls nötig. Auf Nachfrage der Gruppe freiheitsfoo plant der DFB, diese Forderungen auch umzusetzen und begründet dies seinerseits mit dem Argument, dass „größere Demonstrationen im Stadionumfeld auch vor dem Hintergrund sicherheitstechnischer Erwägungen betrachtet und von den Sicherheitsbehörden entsprechend behandelt werden“.

    Paris: Überwachung und Gentrifizierung Hand in Hand

    Noch extremer sind die Umstände bei den Olympischen Spielen in Paris: Nicht nur soll es hier zu massiven Ausweitungen der Überwachungssysteme kommen, es werden auch Checkpoints innerhalb der Stadt aufgebaut, an denen sich Einheimische identifizieren müssen.

    Doch damit nicht genug, nutzen die Herrschenden die Gelegenheit der Olympischen Spiele auch, um die Welle der “Aufwertung” in der Großstadt ordentlich anzufachen. So wurden beispielsweise tausende obdachlose Menschen aus der Stadt und der umliegenden Region vertrieben. Ein umso erschreckenderer Umstand, wenn man die Geschichte der Vertreibung von „Ungewollten“ im Kontext von Olympia bedenkt.

    Auch Student:innen in Paris werden hart getroffen: 3.200 Student:innenwohnungen werden von der Stadt genutzt, um Arbeiter:innen für Olympia zu beherbergen. Nicht nur verlieren dementsprechend viele Student:innen ihr Zuhause über den Sommer, es bleibt unklar, was danach mit den Wohnungen geschieht. Ursprünglich hatte ein Gericht dies verboten, doch diese Entscheidung wurde gekippt, da die Stadt den betroffenen Student:innen nun Hilfe anbietet. Als angemessene „Hilfe” betrachtet die Pariser Regierung scheinbar 100 Euro und zwei Olympia-Tickets als ausreichend.

    Wozu die Maßnahmen?

    Zwar ist es nicht ungewöhnlich, während großer Events erhöhte Sicherheitsmaßnahmen vorzunehmen, jedoch muss man diese Schritte immer auch im derzeitigen politischen Kontext sehen. Für die Herrschenden bieten Ereignisse wie Olympia und die EM eine wunderbare Möglichkeit, neue Strategien, beispielsweise zur Abwehr von Angriffen oder Kontrolle von Menschenmengen zu testen.

    Kurz gesagt: Besucher:innen der EM und der olympischen Spiele dienen als Versuchsballons der inneren Aufrüstung. Doch nicht nur können die Einsatzkräfte hier viel Erfahrung sammeln, ebenso kann man so eigentlich „temporäre Sicherheitsmaßnahmen“, wie eben die Ausweitung der Überwachung, sozusagen dauerhaft durch die Hintertür einführen.

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