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Samstag, April 27, 2024
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    Faschistische Schauprozesse in Indien

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    Indische Volkspartei nutzt Polizeistaatsgesetz gegen Oppositionelle – ein Kommentar von Pa Shan

    Am 28. August 2018 hat die Indische Volkspartei (BJP) fünf bekannte Oppositionelle verhaften lassen. Es erfolgten Razzien an etlichen Orten. Die Vorwürfe sind unter anderem: “Maoismus” und “Terrorismus”. Die „Beweise“ sind dürftig. Aber ein neues Polizeistaatsgesetz rechtfertigt das Vorgehen der faschistischen, hindu-nationalistischen Regierung von Narendra Modi (seit 2014 Premierminister von Indien). Dennoch ist die indische Gesellschaft keineswegs gleichgeschaltet. Es gibt Widerstand und Solidarität mit den politischen Gefangenen.

    Verhaftung Oppositioneller

    Die vor zwei Wochen im westindischen Bundesstaat Maharashtra Inhaftierten sind prominent. Es handelt sich um MenschenrechtlerInnen, GewerkschaftlerInnen, kritische KünstlerInnen und antifaschistische AktivistInnen. Daher werden sie von der Indischen Volkspartei als Todfeinde betrachtet. Die Fünf hatten ihre Stimmen öffentlich gegen die Faschisten erhoben, bevor sie gefangen genommen wurden.

    Der Anwalt Arun Ferreira war bereits 2007 fälschlicherweise verhaftet worden. Vernon Gonsalves ist ehemaliger Professor. Gautam Navlakha ist ein kritischer Redakteur der “Economic and Political Weekly”. Varvara Rao ist ein berühmter Poet, Kritiker, Journalist und Redner. Sudha Bharadwaj ist eine engagierte Gewerkschafterin, die sich gegen Polizeigewalt und für die Rechte benachteiligter Gruppen einsetzt.

    Bereits im Juni waren die AktivistInnen Rona Wilson, Sudhir Dhawale, Shoma Sen  und Mahesh Raut, sowie der Anwalt Surendra Gadling  unter ähnlichen Vorwänden gefangen genommen worden.

    Dürftige Beweise für Terrorismus

    Diesen engagierten Menschen wirft man vor, sogenannte „städtische Naxaliten“ bzw. MaoistInnen zu sein. MaoistInnen beziehen sich in Theorie und Praxis auf die vergangenen revolutionären Kämpfe unter Führung des Chinesen Mao Tse-tung. Ihnen wirft man zudem Anzettelung von Gewalttaten vor, die allem Anschein nach jedoch von Faschisten ausgegangen waren. Weiterhin unterstellt man ihnen, einen Anschlag auf den indischen Premierminister Narendra Modi (BJP) geplant zu haben.

    Die „Beweise“ scheinen überaus dürftig zu sein. Briefe mit den Namen der Beschuldigten, von denen Kritiker sagen, sie seien gefälscht, sollen den Anschlagsplan und Waffenbestellungen beinhalten. Die Polizei äußerte auch, ProfessorInnen würden ihre StudentInnen “maoistisch” indoktrinieren.  Ernsthafte Beweise wurden der Öffentlichkeit allerdings bisher noch nicht präsentiert.  Aber das ist offensichtlich auch gar nicht die Absicht der Regierung um Präsident Modi. Um ihre Absicht zu verstehen, muss man in die Geschichte zurückblicken.

    Die Indische Volkspartei

    Ziel von Modis “konservativer Volkspartei” ist die Schaffung eines Hindu-Staats. „Hindu“ wird dabei völkisch, rassistisch und religiös zugleich verstanden. Alle Nicht-Hindus werden damit als Fremde, Eindringlinge und störende Elemente gesehen, die sich dem Hinduismus unterwerfen oder verdrängt werden müssen.

    Traditionell findet sich „die Stammwählerschaft der BJP unter den städtischen Oberkasten Nordindiens.“ Aber mittlerweile ist die Indische Volkspartei mit über hundert Millionen Mitgliedern die größte Partei der Welt und umfasst breitere Mitglieder- und Wählerschichten.

    Mit dieser breiten Basis versucht die Partei, den multikulturellen Parlamentarismus Indiens in einen gleichgeschalteten Volksstaat der Hindus umzubauen.

    Faschistische Paramilitärs und Wahlen

    Die Ursprünge der Indischen Volkspartei sind die hindu-faschistischen Bewegung zu suchen. Eine ihrer ersten Vorgängerorganisationen ist die „Nationale Freiwilligenorganisation“ (RSS), eine paramilitärische Gruppierung, die 1925 gegründet wurde und die seitdem ihre politischen Ziele immer wieder gewalttätig durchzusetzen versuchte.

    1948 verübte eines ihrer Mitglieder ein Attentat auf Gandhi, der sich den Muslimen im Land annähern wollte. Die Mitglieder des RSS haben immer wieder auch Pogrome gegen Moslems und Christen organisiert. 1992 zerstörte ein 100.000 Menschen zählender Mob aus „Freiwilligen“ die Babri-Moschee.

    Die Nähe der Partei Modis zu faschistischen Schlägertrupps schließt ihre Teilnahme an Wahlen nicht aus. Im Gegenteil. Modis Partei ist zur stärksten Partei Indiens gewählt worden. 2014 gewann die Indische Volkspartei bei den föderalen Wahlen 31% der Stimmen. Seitdem regiert Premierminister Modi, „Indiens erster authentischer Faschist“, mit eiserner Hand.

    Die Partei Modis war bereits ein Gemisch aus Hindu-Faschismus und Neoliberalismus. Unter Modis Regierung ist sie zudem zu einer Karriereleiter für Opportunisten geworden.

    Die „Naxaliten“

    Mit ihrem marktradikalen und massenfeindlichen Programm kann die Regierung jedoch die unzähligen sozialen Probleme Indiens nicht lösen und stößt auf immer größeren Widerstand.
    Der Widerstand der Bevölkerung erstreckt sich bereits seit Jahrzehnten auf die unteren Schichten und Kasten, die nicht anders können, als sich gegen die Großkonzerne, Großgrundbesitzer und staatlichen Behörden zu wehren, die ihre Umwelt und ihre Lebensbedingungen zerstören.

    Einzelne Intellektuelle haben daher schon in den 60ern erkannt, dass ein friedlicher und legaler Widerstand nicht ausreicht. So ging der ehemalige Professor Charu Majumdar aufs Land, um den bewaffneten Kampf der Bauern zu organisieren. Die „Naxaliten“ waren geboren, benannt nach dem Dorf Naxalbari in Darjeeling, von dem der erste maoistische Bauernaufstand Indiens ausging.

    Die neuesten Angriffe des Modi-Regimes auf die Intellektuellen und Oppositionellen muss vor diesem Hintergrund gesehen werden.

    Faschistischer Terror und umfassender Widerstand

    Die Razzien im Juni und August mit anschließenden Verhaftungen dienten dazu, die offene Kritik am indischen Faschismus zum Schweigen zu bringen. Sie laufen auf Schauprozesse hinaus. An den zehn Beschuldigten sollen Exempel statuiert werden. Letztlich will das Regime Narendra Modis den Widerstandswillen der Bevölkerung gegen die extreme Ungleichheit, Unterdrückung und Ausbeutung durch den indischen Kapitalismus brechen. Was die Indische Volkspartei betreibt, ist nichts anderes als faschistischer Terror.

    In diesem Zusammenhang muss auch das sogenannte „Gesetz zur Prävention von ungesetzlichen Tätigkeiten“ (UAPA) betrachtet werden:

    Es ist ein Gesetz, ähnlich dem bayrischen Polizeigesetz, das auf bloßen und willkürlichen Verdacht hin die Inhaftierung Unschuldiger erlaubt.

    Es wird als Anti-Terror-Gesetz bezeichnet, ist aber in Wirklichkeit ein Polizeistaatsgesetz, das bereits massenhaft Unschuldige betroffen hat.  Dieses Gesetz dient dem Umbau der indischen Gesellschaft in einen völkischen Polizeistaat.

    Diese Situation begreifen auch immer mehr Kritiker der indischen Regierung. 2019 sollen die nächsten Wahlen erfolgen. Einige sehen die Wahlen als „letzte Chance für die indische Demokratie“.  Denn Modi will mit Hilfe der neuen, legalen Mittel der Regierung nicht nur die bewaffneten Naxaliten, sondern jegliche Kritik auslöschen. Die Verleumdung der zehn Inhaftierten als „städtische Naxaliten“ dient dazu, auch empörte Intellektuelle verstummen zu lassen. Modi hat die Zeit auf seiner Seite. Die Unterdrückten Indiens müssen den Kampf gegen den Faschismus verstärken und die Anwälte, KünstlerInnen und AktivistInnen verteidigen, die sich auf ihre Seite gestellt haben. Zugleich stehen sie vor der Herausforderung, die gegenwärtige Sackgasse der bewaffneten Kämpfe in den ärmsten Regionen Indiens zu verlassen und den Weg eines umfassenden politischen Widerstands auch in den Städten zu gehen.

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    • Perspektive-Korrespondent, Chinaforscher, Filmliebhaber, Kampfsportler

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