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Freitag, Mai 3, 2024
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    Heute vor 80 Jahren

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    Im Jahre 1938 begannen die November-Pogrome im Deutschen Reich. Vom 7. bis 13. November gab es reichsweit organisierte Angriffe auf jüdische Geschäfte, Synagogen und Wohnungen.

    Laut der nationalsozialistischen Presse waren die Pogrome „Des Volkes Zorn, [der] Vergeltung nahm an den jüdischen Ladengeschäften, denen größtenteils sämtliche Fenster eingeschlagen wurden“. Wegen der Glasscherben wird auch von der von der „Reichskristallnacht“ in der Nacht vom 9. auf den 10. November gesprochen.

    In Folge der Angriffe wurden jüdische Kultureinrichtungen und Geschäfte zerstört, Jüdinnen und Juden misshandelt, ermordet und zu Tausenden in Konzentrationslager eingeliefert. Für das deutsche Judentum war der Weg vorgezeichnet: Von den Exzessen der Pogrome im November zur physischen Vernichtung, die in der Shoa enden sollte.

    Vorbereitete Pogrome

    Im Nationalsozialismus wurden die Ereignisse im November als „Volkszorn“ bezeichnet, obwohl die Vorbereitungen zu den Angriffen schon Jahre vorher vorgenommen wurden – es fehlte nur ein Anlass.

    Die Nationalsozialisten legten bereits 1935 „Judenkarteien“ an, jüdischen Vereinen wurden öffentliche Rechtsansprüche entzogen, sodass deren Gebäude nicht mehr unter öffentlichem Schutz standen, und laut einer Verordnung konnten ab Juni 1938 Geschäfte für alle sichtbar als jüdische Einrichtungen markiert werden. Jüdinnen und Juden mussten auch ab Juli 1938 Kennkarten bei sich tragen, auf denen Zweitnamen (Israel bei Männern, Sara bei Frauen) eingetragen wurden. Gleichzeitig wurden die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen massiv ausgebaut, um Platz für Tausende Insassen zu gewährleisten.

    Auslöser: eine Abschiebung

    Von Bundesarchiv, Bild 146-1988-078-08 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Link

    Entscheidend für den Anlass der Pogrome waren die Abschiebungen von polnischen Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich. Ein siebzehnjähriger polnischer Jude, Herschel Grynszpan, der von der Abschiebung seiner Eltern erfuhr, war außer sich vor Wut.

    Verhaftung jüdischer Männer in Baden-Baden im November 1938; Von Bundesarchiv, Bild 183-86686-0008 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Link

    Am 7. November 1938 betrat er mit einem Revolver bewaffnet die Deutsche Botschaft in Paris und schoss den Sekretär Ernst vom Rath nieder. Die Nationalsozialisten nutzten dieses Attentat in Paris als Anlass und gaben der gleichgeschalteten Presse in Deutschland an, dass der Angriff des „Weltjudentums“ auf das Reich begonnen habe. Josef Goebbels bezeichnete den verzweifelten Grynszpan als „jüdischen Mordbuben“ und forderte in antisemitischen Hasstiraden Vergeltung und Rache an den deutschen Jüdinnen und Juden.

    Teils in Uniformen, teils in Zivil, um die These des „Volkszorns“ aufrechtzuerhalten, griffen die NS-Banden ab dem 7. November jüdische Einrichtungen und Wohnungen an. Häuser und Synagogen, die angesteckt wurden, durften von der Feuerwehr nicht gelöscht werden. Die Pogrome zogen sich hin bis zum 13. November.

    Attentäter des “Weltjugendtums”?

    Bei den Gegnern des Nationalsozialismus tauchten bereits nach dem Attentat in Paris die Vermutungen auf, dass der Angriff auf vom Rath von den Nazis selbst organisiert worden sei, um die Pogrome in die Wege leiten zu können. Die Ermittlungen der französischen Polizei ergaben aber keinerlei Hinweise darauf, dass Grynszpan ein Werkzeug der Nationalsozialisten hätte sein können.

    Die faschistische Justiz wollte einen Schauprozess in die Wege leiten, um zu beweisen, dass Grynszpan ein Attentäter des „Weltjudentums“ sei. Die Anklage sollte auf Hochverrat lauten und darauf stand die Todesstrafe. Von den Verteidigern oder Grynszpan selbst wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, dass der Angriff eine Tat im Homosexuellenmilieu gewesen sei.

    Hätte sich diese Behauptung bewahrheitet und der hochstilisierte deutsche Nationalsozialist vom Rath wäre ein solches Opfer gewesen, so hätte sich dies als eine riesige Blamage für Naziregime herausgestellt. Obwohl Grynszpan später vom besiegten Frankreich an das Deutsche Reich ausgeliefert wurde, fand nie ein Prozess statt. Herschel Grynszpan soll als Sondergefangener nach Sachsenhausen verschleppt worden sein. Hier verlieren sich seine Spuren in den letzten Kriegsmonaten.

    Wendepunkt

    Die Novemberpogrome stellen einen Wendepunkt in der Nationalsozialistischen Politik dar – von einer systematischen Unterdrückung hin zu direkter Verfolgung und Vernichtung. Nur drei Jahre später begann der Holocaust.

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