Die Geschichte schreiben in der Regel Männer über Männer. Als angehender Historiker habe ich die Aufgabe, das zu ändern: Bis zum Frauenkampftag am 8. März möchte ich meinen wöchentlichen Beitrag auf Perspektive Online dazu nutzen. Die geschilderten Frauen sind durch ihr Lebenswerk in die Geschichte eingegangen, werden im historischen Gedächtnis aber gern vergessen, verschwiegen oder ihre Taten klein geredet. – „Frauen der Weltgeschichte“, eine Serie von Felix Thal*
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren im Grunde alle Berufs- und Bildungswege Männern vorbehalten, und Frauen hatten nicht die Möglichkeit, ihre Interessen zu verfolgen. Durch die Jahrhunderte der Menschheitsgeschichte zieht es sich wie ein roter Faden: Die Ehefrau war ein Anhängsel des Mannes und gehörte ins Haus, zur Pflege der Familie und Kinder. Begründet wurde diese Ungleichbehandlung entweder durch die Biologie, dass Frauen zu einer anderen Arbeit gar nicht fähig seien, oder durch religiöse Konventionen, da Gott, dies so vorbestimmt habe.
Im 17. Jahrhundert begann das Zeitalter der Aufklärung, in dem sich die Naturwissenschaften einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft erkämpften. Alte Glaubenssätze wurden durch die Wissenschaften öffentlich in Frage gestellt und in Europa stellten Philosophen gar den Absolutismus, die weltliche Herrschaft durch König und Kaiser, zur Diskussion. Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) war einer der wichtigsten Denker dieser Zeit, und seine Ideen eines gemeinschaftsfähigen menschlichen Wesens waren die Wegbereiter für die französische Revolution von 1789. Neben seiner Tätigkeit als Philosoph war er auch Pädagoge, und in seinem Hauptwerk „Emilie“ schrieb er gegen die damalige autoritäre Schule.
Doch trotz seiner fortschrittlichen Gedanken sah er es als notwendig an, Jungen und Mädchen getrennt voneinander zu beschulen. Männer und Frauen seien grundverschieden: Männer stünden für Aktivität, Stärke und Vernunft; Frauen für Passivität, Schwäche und Empfindsamkeit. Frauen sollten daher in der Schule auf ihre vornehmliche Aufgabe vorbereitet werden: Den Mann zu unterstützen und zu ergänzen. Auch Immanuel Kant (1724-1804), ein wichtiger deutscher Philosoph der Aufklärung, pflichtete Rousseau in diesen Ansichten bei.
In Frankreich kam es 1789 zur Revolution, und der Absolutismus wurde zu Fall gebracht. Eine neue Verfassung wurde aufgesetzt, die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“, die von den Ideen der Aufklärung bestimmt war. Ansätze von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurden in die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse hinein getragen, doch galten sie nur für Männer.
Die Autorin und Feministin Olympe de Gouges (1748-1793) schrieb darauf als Gegenentwurf die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“. Darin fordert sie die völlige Gleichstellung der Frau mit dem Mann in allen rechtlichen, politischen und sozialen Fragen. Diese Schrift sollte der französischen Nationalversammlung vorgelegt und zur Abstimmung gebracht werden, wurde aber weitestgehend ignoriert.
Für Gouges war es essentiell, die männlich geprägte bürgerliche Verfassung zu verändern, da nach ihrer Meinung die Hälfte der Bevölkerung, nämlich alle Frauen und Mädchen, nicht die gleichen Rechte zugestanden wurden. In der Erklärung heißt es in Artikel 10 ironisch, dass, wenn Frauen das Schafott besteigen dürften, ihnen auch alle anderen Rednertribünen zur Verfügung stehen müssten. Tragischerweise kam man ihr in dieser Forderung nach: 1793 kam sie für den Protest gegen die Terrorherrschaft von Maximilien de Robespierre unter die Guillotine. Auch ihr Engagement für die Rechte der Frauen und Mädchen war ein Grund für ihre Hinrichtung.
In Frankreich wurde das allgemeine Wahlrecht für Frauen erst im Jahre 1944 eingeführt.
*Da bis heute Geschichte hauptsächlich von Männern für Männer geschrieben wird und Frauen oft nur eine Nebenrolle zugesprochen wird, entstehen blinde Flecken in der Geschichte.
Über die Befreiung von Menschen aus der Sklaverei durch Harriet Tubman, zum Kampf für das Frauenwahlrecht in England durch die Feministinnen Millicent Fawcett und Emmeline Pankhurst bis hin zu den Sozialistinnen Clara Zetkin und Rosa Luxemburg – diese kleine Serie möchte Frauen vorstellen, die sich zu Lebzeiten für eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft eingesetzt haben.
In Teil 4 der Serie „Frauen der Weltgeschichte“ wird es um die englischen Suffragetten Millicent Fawcett und Emmeline Pankhurst gehen.