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Polens Parlament befürwortet Grenzanlage an der EU-Außengrenze

Polen will nach illegalen Pushbacks den Ausnahmezustand an der östlichen EU-Grenze verschärfen. Über 100 Kilometer lang soll eine Grenzanlage gebaut werden, um Menschen auf der Flucht in die EU aufzuhalten. Menschen sind beim Entkommen zwischen der belarussischen und polnischen Grenze gefangen.

In den vergangenen Wochen haben immer mehr Menschen versucht, über Belarus und Polen in die EU zu flüchten. Die Bundespolizei registrierte „unerlaubte Einreisen“. Allein im Oktober wagten 4.889 Menschen die Route, im gesamten Jahr 2021 waren es bislang schon 7.300 Menschen. Ab August sei die Belarus-Route verstärkt von Menschen aus dem Nahen Osten, Zentralasien und Afrika genutzt worden.

Der EU-Staat Deutschland inszeniert sich angesichts der humanitären Krise an den belarussisch-polnischen Grenzen als Leidtragender. Verantwortlich macht die Bundesregierung dafür den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Denn viele Flüchtlinge erreichen die EU per Flugzeug über den Flughafen Minsk. Die Sicherheitsbehörden berichten, dass teilweise Menschen direkt aus den Herkunftsländern eingeflogen würden. Unter stellenweise menschenunwürdigen Bedingungen soll Lukaschenko die Flüchtenden an die EU-Außengrenzen transportieren lassen.

Krise mit Ansage

Bereits zu Beginn des Jahres untersuchte der im vergangenen Jahr gegründete Aufbaustab „Strategie-, Analyse- und Resilienz-Zentrum“ (SAR) in einem Papier die „Szenarien für Migration als Ansatzpunkt hybrider Bedrohungen“ (als „VS“ – also als Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch). Darin werden jedoch nicht die Menschenrechtsverletzungen vor und während der Flucht als Bedrohung analysiert.

Stattdessen liege der Fokus darauf, dass Staaten Migrationsströme lenken könnten, um so politischen Druck auf andere Regierungen auszuüben. Flüchtende würden als „hybride Bedrohung instrumentalisiert“ und zu politischen Zwecken missbraucht. Als strategisches Ziel dieser illegitimen Einflussnahme arbeitete SAR die „politische Aufwiegelung der Gesellschaft“ heraus. Dazu gehörten auch rassistische Desinformationskampagnen und Mobilisierung von Geflüchteten.

Auch bundesdeutsche Institutionen leisteten einen Beitrag zur rassistischen Aufwiegelung der Gesellschaft, der Geflüchtete statt derer Fluchtursachen in den Vordergrund stelle. Das Auswärtige Amt wies die Verantwortung von sich: „Die Verantwortung für die Auflösung dieser Krise liegt ganz klar in Minsk“. Bundesaußenminister Heiko Maas nannte Lukaschenko den „Chef eines staatlichen Schleuserrings“.

Befestigte Grenzanlage an der polnisch-belarussischen Grenze

Geflüchtete, welche die EU über Polen erreicht haben, berichten von schweren Misshandlungen bei der Überquerung der EU-Grenzen. Im Interview mit „ProAsyl“ berichtet z.B. eine Seelsorgerin aus einer Erstaufnahmeeinrichtung: „Fast alle männlichen Geflüchteten, mit denen ich rede und die über Polen kamen, haben Hämatome am Körper. Und teilweise haben die Menschen auch Erfrierungen, zum Beispiel an den Füßen, weil sie in der Kälte durch sumpfiges Gebiet gelaufen sind oder in der Kälte campieren mussten.“

Aktuell sind 31 Menschen in der Grenzzone zwischen Belarus und Polen gefangen. Seit die polnische Regierung einen Ausnahmezustand über das Gebiet verhängte, haben weder Hilfsorganisationen noch Journalist:innen einen Zugang. Weder die belarussische noch die polnische Seite lassen die Geflüchteten weiterziehen.

Nun müssen Menschen auf der Flucht vor Polen um ihr Leben fürchten. Denn der Winter kommt und das polnische Parlament will eine befestigte Grenzschutzanlage über eine Strecke von 100 Kilometern errichten. Damit verschärft Polen die Grenzsicherung, die bisher von tausenden Soldaten betrieben wurde.

Menschenrechtsorganisationen berichten unterdessen, dass der polnische Staat nicht nur die Grenzen sichere, sondern weiterhin illegale Pushbacks betreibe: dabei werden die Menschen kurz vor der Grenze von Soldat:innen zurückgedrängt.

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