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Montag, April 29, 2024
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    Mit kleinen Schritten zur Wehrpflicht?!

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    Der Bundestag hat Sommerpause. Zeit für Abgeordnete, sich mit kernigen Forderungen zu profilieren, an die man später vielleicht nicht erinnert wird. Der SPD-Fraktionsvize fordert nun wieder einen sozialen Pflichtdienst. Was steckt dahinter? – Ein Kommentar von Julius Strupp

    Bereits im Januar hatte Bundeskanzler Olaf Scholz die Aussetzung der Wehrpflicht im Bundestag als einen „Fehler“ bezeichnet, den man rückgängig machen müsse. In den Wochen danach war er jedoch zurück gerudert. Forderungen nach einer allgemeinen Dienst- oder Wehrpflicht würden „nicht auf der Tagesordnung“ stehen, so der Kanzler im Februar.

    Debatte findet kein Ende

    Dennoch melden sich seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine immer wieder auch Politiker:innen aus Regierungsparteien zu Wort, die für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht oder für einen sozialen Pflichtdienst werben, den man dann auch in der Armee leisten könnte – also eine Wehrpflicht durch die Hintertür.

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    Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Frank-Walter Steinmeier, der sich aus seiner Altersresidenz im Schloss Bellevue schon mehrmals in die Debatte eingemischt hat. Auch die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, machte den Vorschlag einer Wiedereinführung der Musterung. Hinzu kommt noch der Reservistenverband der Bundeswehr, der immer wieder anmahnt, dass es zu wenige Soldat:innen gebe und damit die Frage in den Raum stellt, wie man die Armee vergrößern könnte.

    Sommer, Sonne, soziale Dienstpflicht

    Im Bundestag befindet sich derzeit in der Sommerpause. Das ist klassischerweise eine Zeit, in der sich Abgeordnete mit strammen Postulaten in den Medien präsentieren, an die sich später vielleicht auch niemand mehr erinnert. Dirk Wiese, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, hat nun die Gunst der Stunde genutzt und erneut die Forderung einer sozialen Dienstpflicht erhoben.

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    „Wir brauchen wieder mehr Respekt im Umgang und ein stärkeres Miteinander im Land“, so Wiese. Deshalb möchte er sich nach der parlamentarischen Sommerpause an die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes machen, dieser könne aber auch nur drei Monate dauern. Katja Mast, die parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, wertete den Vorschlag danach als „persönlichen Debattenbeitrag“. Die Fraktion plane keine Einführung der Dienstpflicht.

    Mit kleinen Schritten in die Wehrpflicht?

    Wieses Vorschlag könnte tatsächlich als normaler Sommerloch-Debattenbeitrag gewertet werden. Dennoch steht er nicht einfach für sich, sondern reiht sich ein in die mindestens schon seit Februar 2022 anhaltende Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

    Es geht hier weniger darum, Vorschläge zu diskutieren, die „auf der Tagesordnung“ stehen, um mit Olaf Scholz zu sprechen. Es geht darum, eine mittelfristige Meinungsänderung bei der Bevölkerung und insbesondere der Jugend zu erreichen. Denn die meisten Jugendliche wollen keine Wehrpflicht oder überhaupt in der Bundeswehr kämpfen. Aufgrund der Kriegsvorbereitungen von allen Seiten sieht sich die Bundesregierung hier vor der Herausforderung, eine Generationenaufgabe in wenigen Monaten oder Jahren zu bewältigen.

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    Dabei versucht man auch, die Wehrpflicht zunächst anders zu verpacken – nämlich als verpflichtendes Dienstjahr, bei dem man sich zwischen mieser Ausbeutung in der Pflege  oder der Armee entscheiden kann – so, wie es früher eben eigentlich auch war. Offenbar setzt man hier auch auf einen gewissen Gewöhnungseffekt: Wenn sich die Jugendlichen erst daran gewöhnen, dass man sie zur Arbeit verpflichtet, kann man sie vielleicht auch zum Dienst an der Waffe heranziehen.

    Ein Vorbild ist hier die Corona-Politik, die die Bevölkerung ebenfalls erst an Ausnahmezustände und die Aussetzung von Grundrechten gewöhnt hat und jetzt zum Beispiel vom Berliner Bürgermeister Kai Wegner auch zur Begründung der Überwachungsmaßnahmen in den Freibädern der Hauptstadt bemüht wird.

    Deshalb darf man Vorschläge eines sozialen Pflichtdienstes oder der Wehrpflicht auch nie einfach als Stimmungsmache abtun, sondern muss ihnen von Anfang an und immer wieder entgegentreten.

    • Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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