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Dienstag, Oktober 15, 2024
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    Polizei: Freund und Helfer? Nein, Mörder!

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    Schon von Kind an wird uns die Polizei als „Freund und Helfer“ verkauft. Der 19. Jahrestag der Ermordung Oury Jallohs und die Häufung von Polizeimorden in den letzten Wochen zeigen aber: Die Polizei schützt keine Leben. Doch was wäre die Lösung? – Ein Kommentar von Luis Tetteritzsch

    Jedes Jahr versammeln sich hunderte Menschen am 7. Januar im sachsen-anhaltischen Dessau um des von der Polizei auf brutalste Art und Weise ermordeten Oury Jalloh zu gedenken. Doch noch auf der diesjährigen Demonstration wurde bereits bekannt gegeben, dass in der Nacht zum 19. Todestag Jallohs erneut ein Polizeimord stattgefunden hat.

    Der als „Todes-Drama“ bezeichnete Polizeimord an dem 26-jährigen Guineer Ibrahim Bary ereignete sich in einem Asylheim in Mülheim an der Ruhr in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar. Der Sicherheitsdienst der Asyleinrichtung hatte die Polizei kontaktiert, nachdem Ibrahim Mitarbeiter:innen angegriffen hatte.

    Nach einer physischen Auseinandersetzung zwischen ihm und den Polizist:innen setzten diese zwei Mal einen Taser gegen ihn ein, woraufhin er auf dem Weg zum Krankenhaus sein Bewusstsein verlor und dann im Krankenhaus an den Folgen des Taser-Einsatzes starb. Obduktionen haben ergeben, dass der Mann zum Zeitpunkt des Konflikts nicht nüchtern gewesen sein konnte und bereits erhebliche Vorerkrankungen aufwies.

    Nicht nur hat die Polizei einmal mehr bewiesen, dass sie derartig angespannte Situationen nicht deeskalierend handhaben kann – geschweige denn will. Der Tod von Ibrahim Bary widerspricht außerdem erneut der von vielen Studien widerlegten Lüge, Taser seien ungefährlicher als Schusswaffen. Die Elektroschocks von Tasern können unter anderem zu Herz- oder Kreislaufstillständen, zu Organversagen oder dem Ersticken am eigenen Erbrochenen und somit auch zum Tod führen. Oft – so wie auch in Ibrahims Fall – werden Taser dabei für Personen angewandt, die sich in psychischen Ausnahmesituationen oder im Drogenrausch befinden, wodurch ein tödlicher Ausgang nur begünstigt wird.

    Mehrere Tote in Polizeigewahrsam in den letzten Wochen

    Gerade einmal einen Tag später, am 8. Januar, verstarb dann ein weiterer Mann im Gewahrsam des Aachener Polizeipräsidiums. Damit haben sich innerhalb von weniger als 48 Stunden gleich zwei Tode in Zusammenhang mit der Polizei in NRW ereignet. Aus welchen Gründen der 28-Jährige in Gewahrsam saß und wie es dazu kommen konnte, dass er auf einem Polizeipräsidium verstarb, ist noch ungeklärt. Die aus „Neutralitätsgründen“ an das Polizeipräsidium Mönchengladbach übergebene polizeiliche Ermittlungsführung wird uns wahrscheinlich wieder einmal keine Antworten auf diese Fragen geben.

    Erst knapp zwei Wochen zuvor, am 23.12, hatte die Polizei in Mannheim einen migrantischen Familienvater erschossen. Er befand sich in einem „psychischen Ausnahmezustand“. Auf Videos konnte man sehen, wie er oberkörperfrei auf der Straße stand und mehrere Polizist:innen mit gezogener Waffe um ihn herum standen. Dann wurde er mit der Bgründung erschossen, dass er ein Messer in der Hand gehalten habe.

    Sehr, sehr viele “Einzelfälle”…

    Weitere ähnliche Fälle – ob international oder hier in Deutschland – gibt es zu Genüge. Erst letztes Jahr löste die Ermordung des 17-jährigen Nahel M. im französischen Nanterre eine millionenstarke Protestbewegung in Frankreich aus, die teils in militanten Kämpfen gegen die Polizei kulminierten.

    Doch auch in Deutschland wird regelmäßig der Opfer von Polizeigewalt gedacht und kämpferisch auf die Straßen gegangen, so wie eben jährlich am 7. Januar am Todestag Oury Jallohs, der den Gutachten zufolge in einer Dessauer Polizeizelle ermordet und anschließend von Polizist:innen verbrannt worden sein muss. Oder der 16-jährige Mouhamed Lamine Dramé, der am 8. August 2022 von der Polizei mit der Salve aus einer Maschinenpistole in der Dortmunder Nordstadt quasi hingerichtet wurde.

    Die „mysteriösen“ Tode im polizeilichen Gewahrsam oder durch die Polizeipräsenz in den beiden Januarnächten in NRW stellen aber keinesfalls Ausnahmen dar. Polizeimorde sind keine Seltenheit und die Gesichter von Oury Jalloh, Mouhamed Lamine Dramé oder Vitali N. erinnern uns jedes Jahr aufs Neue daran, dass rassistischer Staatsterror integraler Bestandteil eines kapitalistischen Systems zu sein scheint.

    Wessen „Sicherheit“?

    Die Aufgaben der Polizei

    Bei dem, was alles dermaßen aus dem Ruder läuft, fragt man sich schon, wie die Polizeigewalt angegangen werden könnte. Dabei ist es erst einmal wichtig zu verstehen, wofür die Polizei im Kapitalismus denn da ist.

    Die Polizei ist ganz grundsätzlich die „Exekutive“ des Staates im Innern. Es ist das Werkzeug des Staates, um sein Gewaltmonopol durchzusetzen und aufrecht zu erhalten. Das lernen wir alle im Politik-Unterricht in der Schule. Die Polizei als solche kann also nicht getrennt vom Staat gesehen werden, dessen ausführender Arm sie letztlich ist.

    Und woran erkennt man das? Eigentlich an allem, was die Polizei so tut: Sei das Niederschlagen von Arbeitskämpfen wie beim Ford-Streik 1973, das Einknüppeln auf Proteste wie beim G20-Gipfel in Hamburg oder das Verfolgen von politischen Gegener:innen, wie es die Hausdurchsuchungen bei der antikapitalistischen Frauenorganisation Zora zeigen. Auch die Polizeigewalt und rassistischer Terror durch racial profiling und besondere Gewalt gegenüber Migrant:innen passieren zu häufig, als dass sie einfach „Zufälle“ sein könnten.

    Bei der Analyse von polizeilichen Aufgaben im Kapitalismus kann es uns also nicht nur darum gehen, dass sie uns sagt, was ihre Aufgaben seien. Es geht genau darum, unabhängig von dem, was uns der Staat erzählt, zu erkennen, was die eigentlichen Funktionen der Polizei sind.

    Und diese erkennen wir letztlich daran, was systematisch, gründlich und seit jeher durch die Polizei durchgeführt wird. Deswegen läuft bei der Polizei auch nichts „schief“, wenn sie wieder mal Migrant:innen umbringt oder auf revolutionäre Demonstrationen eindrischt. Denn es ist genau ihre Aufgabe, das zu tun.

    Polizei überwinden? Oder abschaffen?

    Aber wie können wir dann Polizeigewalt beenden? Ausgehend von dem Standpunkt, dass die Polizei der bewaffnete Arm des kapitalistischen Staates ist, ist die Frage nach der Polizei also auch eine Frage nach der Überwindung des kapitalistischen Systems.

    Vermeintliche Lösungen, die versuchen, die Frage des Staates als eine „getrennte Sache“ zu betrachten, sind damit keine echten Lösungen. Es kann kein Reformieren der Polizei geben, wenn nicht die grundsätzlichen Funktionen der Polizei verändert werden. Aber dieses Wesen der Polizei kann als bewaffneter Arm des kapitalistischen Staates nicht verändert werden, ohne dass nicht auch der Staat verändert wird.

    Die Forderung nach der Abschaffung der Polizei kann deswegen ebenso wenig erfüllt werden, da die Polizei eben zentrale Erfüllungsgehilfin für die Aufrechterhaltung des profitorientierten Kapitalismus ist. Jede Veränderung wie „Antidiskriminierungsmaßnahmen“, Body-Cams, längere Ausbildungszeiten oder die Verwendung von Tasern statt Schusswaffen greifen diese Grundsätze nicht an. Die Zerschlagung des kapitalistischen Systems wäre also das eigentliche Ziel einer Bewegung, die tatsächlich die Wurzeln rassistischer Polizeigewalt ausreißen möchte.

    • Seit 2023 Autor für Perspektive Online. Schreibt gerne über die Militarisierung des deutschen Imperialismus und dem Widerstand dagegen. Denn: "Der Hauptfeind steht im eigenen Land!"

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