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Mittwoch, Juni 26, 2024
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    Angriff auf trans Rechte: UK schränkt Zugang zu Pubertätsblockern ein

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    Weltweit werden die Rechte von trans Menschen eingeschränkt. Das Vereinigte Königreich ist dabei mit an vorderster Front. Seit dem 3. Juni 2024 dürfen nun private Anbieter für neue Patient:innen keine Rezepte für Pubertätsblocker mehr ausstellen – der National Health Service (NHS; Nationaler Gesundheitsdienst) bietet dabei keine Alternative. – Ein Kommentar von Marceline Horn.

    Pubertätsblocker sind Medikamente, die die Bildung von Geschlechtshormonen wie Östradiol und Testosteron vorübergehend stoppen. Dadurch wird die Pubertät während der Einnahme dieser Medikamente pausiert. Sie werden unter anderem verwendet, um vorzeitige Pubertäten bei Kindern hinauszuzögern. Außerdem werden sie eingesetzt, um ungewollte Pubertäten und das damit verbundene Leid bei trans Kindern und Jugendlichen zu vermeiden.

    Ohne Pubertätsblocker wären junge trans Menschen gezwungen, die Pubertät ihres bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts durchzumachen. Pubertätsblocker stellen daher einen Kompromiss dar, da trans Jugendliche nach der derzeitigen Rechtslage kein Selbstbestimmungsrecht auf ihre gewünschte Pubertät haben und eine Hormonersatztherapie (HET), welche dann die gewünschte Pubertät einleitet, erst mit 16 Jahren beginnen darf. Bis die Betroffenen die oft diskriminierenden und langwierigen Untersuchungen durchgemacht haben und ihre Eltern zustimmen, müssen sie also warten.

    Eingeschränkter Zugang und faktisches Verbot

    Seit dem 3. Juni ist es im Vereinigten Königreich nun für private Anbieter verboten Pubertätsblocker für unter 18-Jährige zu verschreiben, sofern der Grund dafür Geschlechtsinkongruenz (Nicht-Übereinstimmung des zugewiesenen Geschlechts mit der Geschlechtsidentität der Person) ist. Dass die Beschränkung sich nur auf unter 18-Jährige bezieht, macht dabei keinen Unterschied, da in diesem Alter die größten Schritte der Pubertät bereits abgeschlossen sind und zumeist auch schon ein Wechsel zur Hormonersatztherapie möglich ist.

    Seit dem Verbot können Patient:innen Pubertätsblocker nur noch über den NHS, den gesetzlichen Gesundheitsanbieter, verschrieben bekommen. Dieser Weg ist jedoch mit sehr langen Wartezeiten verbunden. Da die Pubertät nicht auf sich warten lässt und somit nicht pausiert werden kann, ist es dann oft schon zu spät, bis entschieden worden ist, ob die Pubertät pausiert werden darf. Da der einzige Weg also ohnehin der Kauf bei privaten Anbietern ist, ist das Verbot deutlich weitreichender als es auf den ersten Blick erscheint.

    Ermöglicht wurde das Verbot durch eine Notfallmaßnahme, die nicht durch das Parlament bestätigt werden musste. Das letzte Mal, dass diese Maßnahme in diesem Bereich angewendet wurde, war 1999 aufgrund einiger Todesfälle, verursacht durch ein Kraut in einem Medikament. Das aktuelle Verbot gilt zunächst allerdings nur für 3 Monate. Victoria Atkins, die Verantwortliche für das Verbot, plant jedoch, dieses zu verlängern. Die Regierung könnte diese Maßnahme zwar aufheben, jedoch wurde das Parlament nur 8 Stunden nach dem Erlass des Verbots für die anstehenden Parlamentswahlen aufgelöst, was eine Verlängerung nun erst einmal unmöglich macht.

    Pseudowissenschaften als Grundlage

    Die Grundlage für dieses Verbot ist die von Hilary Cass geleitete Studie „Cass Review“. Ziel der Studie war es, ein Gesamtbild der Qualität der medizinischen Versorgung von trans Menschen zu bekommen. Auch bestimmteEigenschaften“ der Kinder, die in Kliniken wegen Geschlechtsinkongruenz behandelt wurden, sollten festgestellt werden.

    Die durchführende „Wissenschaftlerin“ filterte dabei aktiv einzelne Studien heraus, indem sie Studien, die keine „randomisierte kontrollierte Studie“ waren, einfach als „low quality“ klassifizierte. Solche Studien zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass es eine Gruppe gibt, die die Behandlung erhält, und eine Kontrollgruppe, die sie nicht erhält. Dass solche Studien, bei denen ein Teil der Patient:innen einfach keine Behandlung oder einen Placebo bekommt, in diesem Bereich aus ethischen und praktischen Gründen nicht möglich sind, da der Kontrollgruppe die Behandlung während ihrer Pubertät verwehrt werden würde, war Cass egal. Nicht verwunderlich ist, dass Cass mit ihrem Account auf X/Twitter auch anti-trans Aktivist:innen und Gruppen wie „Transgender Trend“, die Transgeschlechtlichkeit als „Brainwashing“ darstellen, folgt.

    Trotz dieser offensichtlichen Probleme der Studie findet sie überparteiliche Unterstützung. Auch die Labour Party, die sich als queer-freundlich ausgibt und zum Beginn des Pride-Monats die Pride-Flagge postete, unterstützt die Ergebnisse und bestätigte, dass sie diese für die zukünftige Gesetzgebung nutzen würde. Selbst innerhalb der Partei scheinen die Meinungen gegenüber trans Menschen jedoch auseinanderzugehen, und es finden sich viele Mitglieder, die selbst transphobe Inhalte verbreiten.

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    Die Unterstützer:innen des aktuell geltenden Verbots verteidigen ihre Entscheidungen oft damit, dass der Schutz von Kindern maßgebend sei. Sie argumentieren, dass Kinder „anfällig für Gender-Ideologie“ seien und dass sie lediglich Kinder davor schützen wollen, „falsche Entscheidungen“ zu treffen, die sie später bereuen würden. Die Zufriedenheitsrate bei Hormonersatztherapien und geschlechtsangleichenden Operationen ist jedoch deutlich höher als bei anderen medizinischen Eingriffen – etwa 99% sind zufrieden. Von den 1% der Unzufriedenen geben viele zudem an, dass der Grund für die Unzufriedenheit unter anderem nicht unterstützende Familienmitglieder oder die Unterdrückung in der Gesellschaft und nicht der medizinischen Eingriff selbst ist.

    Weltweite Angriffe auf die Rechte von trans Menschen

    Die Rhetorik, die in den 80ern gegenüber Schwulen und Lesben genutzt wurde, richtet sich gegenwärtig vorgeblich gegen trans Menschen. In den USA zeigt sich die Unterdrückung heute unter anderem durch Verbote in der Toilettennutzung. Trans Frauen werden regelmäßig als „Angreifer“ und sogar „Vergewaltiger“ dargestellt. Sie würden angeblich nur auf Frauentoiletten gehen, um andere Frauen sexuell zu belästigen. Aus Angst vor Hassverbrechen gehen manche dann doch in die Männertoilette, was sich aber genauso wenig als „sicher“ herausstellt. Am 30. Mai wurde in Minnesota eine trans Teenagerin beleidigt und anschließend angegriffen, weil sie die Männertoilette an ihrer Schule nutzte.

    Trans Frauen wird zudem oft vorgeworfen, sie würden „echten“ Frauen die Plätze wegnehmen. Gesellschaftlich wurden diese Debatten größtenteils in Bezug auf Toiletten oder den Leistungssport geführt, so auch in Deutschland. Zeitgleich nehmen Einschränkungen in der medizinischen Versorgung und auch die Gewalt gegenüber queeren Menschen zu.

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    Auch bei „positiven“ Reformen, die als queer-freundlich gefeiert werden, werden oft queer-feindliche Einflüsse eingebaut. So zum Beispiel beim Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), welches im April 2024 in Deutschland beschlossen wurde. Zwar lässt es trans Menschen einfacher ihren Namen und den Geschlechtseintrag ändern, jedoch gibt es auch eine Klausel für den „Spannungs- und Verteidigungsfall“. So werden Namens- und Geschlechtseintragsänderungen von „männlich“ zu einem anderen Geschlecht weiterhin als männlich gewertet, sollte die Regierung entscheiden, dass durch einen Krieg ein Spannungsfall vorliegt. Während eines Krieges würden trans Frauen und ein großer Teil der nicht-binären Menschen also als Männer gesehen.

    Zur Zeit der Einführung des Gesetzes wurde noch groß über eine potenzielle Wiedereinführung der Wehrpflicht gesprochen. Zugleich kam die Frage auf, ob diese auch für Frauen gelten sollte. Wäre dies der Fall, müsste eine Veränderung im Grundgesetz durchgeführt werden. Gelingt dies nicht (was aufgrund der erforderlichen 2/3 Mehrheit wahrscheinlich ist), hat sich der deutsche Staat also schon „abgesichert“, dass er mehr Leute zur Waffe oder zum Zivildienst zwingen könnte.

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