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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Gewerkschaftsrechte werden massiv beschnitten

Bundesverfassungsgericht bestätigt das „Tarifeinheitsgesetz“ in wesentlichen Punkten.

Im Jahr 2015 trat das „Tarifeinheitsgesetz“ in Kraft, welches maßgeblich von Andrea Nahles (Bundesministerin für Arbeit und Soziales, SPD) vorbereitet wurde. Das Gesetz geht nach dem Prinzip „Ein Betrieb – ein Betriebsvertrag“ vor. Das bedeutet, dass bei konkurrierenden Tarifverträgen für eine Berufsgruppe in einem Betrieb künftig allein der Abschluss mit der mitgliederstärksten Gewerkschaft gelten soll. Kleine Gewerkschaften können sich dann nur noch nachträglich den Vereinbarungen anschließen, jedoch keinen neuen Vertrag mit der Betriebsführung verhandeln.

Ziel des Gesetzes war es, den „Betriebsfrieden“ zu sichern. Durch „Verhandlungen“ zwischen den kleinen Gewerkschaften und größeren Gewerkschaften sollten Streiks vermieden werden.

Gegen das Gesetz hatten mehrere Gewerkschaften geklagt. Nun hat das Bundesverfassungsgericht das Gesetz im Wesentlichen bestätigt. Die Grundidee, den Betriebsfrieden zu sichern, werde erreicht. Laut Pressemitteilung des Gerichts sei das Gesetz mit der Verfassung nur insoweit unvereinbar, als „Vorkehrungen dagegen fehlen, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber muss insofern Abhilfe schaffen.“

Doch selbst zwei Verfassungsrichter sehen im Gesetz eine massive Einschränkung der Gewerkschaftsrechte. Einem Sondervotum des Richters Paulus und der Richterin Baer zufolge „privilegiert [das Urteil] in der Sache die großen Branchengewerkschaften. Dies widerspricht dem Grundgedanken des Art. 9 Abs. 3 GG, der auf das selbstbestimmte tarifpolitische Engagement von Angehörigen jedweden Berufes setzt.“

Kleine Gewerkschaften, die nicht im größten Dachverband der Gewerkschaften, dem „Deutschen Gewerkschaftsbund“ (DGB), organisiert sind, könnten Kritikern zufolge höchst unattraktiv werden – immerhin können diese nun keine Tarifverträge mehr abschließen, wenn es eine größere Gewerkschaft mit Tarifvertrag im Betrieb gibt. Auch werden damit für die Gründung von neuen kämpferischen Gewerkschaften hohe Hürden aufgebaut, da diese erstmal auf eine Mitgliederzahl kommen müssen, mit der ihre Streiks auch zu erfolgreichen Abschlüssen führen – wiederum eine Voraussetzung für die Gewinnung neuer MitgliederInnen.

Ebenso kritisieren die beiden Richter, dass das Urteil die Möglichkeit eröffne, „dass im gerichtlichen Beschlussverfahren die Mehrheitsverhältnisse der Gewerkschaften in einem Betrieb offen gelegt werden. Solange der Gesetzgeber keine Vorkehrungen trifft, die damit einhergehende Verschiebung der Kampfparität zu verhindern, ist auch dies nicht zumutbar…” Wer die meisten Mitglieder hat, das sollen dann im Zweifel die Arbeitsgerichte entscheiden.

Sowohl „ver.di“ (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) als auch „DBB“ (Deutscher Beamtenbund und Tarifunion) gehen nun davon aus, dass ein starker inner-gewerkschaftlicher Konkurrenzkampf um Mitglieder entstehen werde.

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