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Sonntag, April 28, 2024
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    Pandemiebekämpfung: Der Kapitalismus schafft es nicht

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    Neue Virus-Varianten aus Südafrika und Großbritannien zeigen: Um die Pandemie in Deutschland erfolgreich zu bekämpfen, muss sie weltweit bekämpft werden. Dafür ist eine massenhafte und kostengünstige Impfstoffproduktion zentral. Doch Deutschland und andere Großmächte handeln dabei nur im Interesse ihrer Pharmakonzerne – und schaden damit der Bevölkerung hierzulande und weltweit. – Ein Kommentar von Tim Losowski

    Über 3 Millionen Menschen sind seit Beginn der Covid19-Pandemie bereits an oder mit dem neuartigen Coronavirus gestorben. Momentan sind es etwa 10.000 Menschen täglich. Die weltweit angewendete Lockdown-Politik soll offiziell dabei helfen, das Virus einzudämmen, die Gesundheitssysteme vor Überlastung zu schützen und die Infektionswelle abzuflachen – bis eine Impfung verfügbar ist.

    Doch gerade, weil die Pandemie global ist, müssen diese Impfungen – im Interesse aller – auch weltweit zur Verfügung stehen. Bis heute fanden jedoch 80 Prozent der weltweiten Impfungen in gerade einmal 10 Ländern statt. Wie kommt das?

    Impfstoff-Entwicklung – nicht gemeinsam, sondern gegeneinander

    Die Impfstoff-Entwicklung und -Produktion ist Ausdruck eines weltweiten Machtkampfs: Die stärksten Länder der Welt positionieren sich mit „ihrem“ Impfstoff in Zusammenarbeit mit einem in “ihrem” Land ansässigen Konzern.

    Nicht zufällig sind hierzulande dabei vor allem die westlichen Unternehmen führend: AstraZeneca (GB), BioNTech/Pfizer (Deutschland/USA), Johnson & Johnson (USA) oder Moderna (USA). Daneben gibt es jedoch noch einige weitere Impfstoffe: nämlich Sputnik V (Russland) sowie CoronaVac/SinoVac (China), Sinopharm (China) und Covaxin (Indien). Damit hat mittlerweile fast jedes führende imperialistische Land der Welt einen oder mehrere „eigene“ Impfstoffe entwickelt.

    Schon das weist auf ein totales Chaos in der Impfstoff-Entwicklung hin, in der nicht zusammen sondern gegeneinander gearbeitet wurde. Dies beweisen auch mehrere Hacker-Angriffe auf die Entwicklungsabteilungen der verschiedenen Pharmakonzerne. – Hier zeigt sich, wie das aktuelle Wirtschaftssystem, das weltweit auf Konkurrenz und Machtkampf aufgebaut ist, uns in dieser schweren Gesundheitskrise ein Bein stellt.

    Produktion künstlich gehemmt

    Doch nicht nur in der Impfstoff-Entwicklung wird gegeneinander gearbeitet, sondern auch in der Produktion. Denn die Pharmakonzerne bestehen darauf, dass die von ihnen entwickelten Anleitungen zur Produktion der Impfstoffe geheim bleiben. Sie wollen sie weiterhin exklusiv herstellen und damit viel Geld machen.

    Das bedeutet jedoch gleichzeitig, dass die Produktion künstlich verlangsamt wird. Denn kein einzelner Konzern hat mal eben Produktionskapazitäten für hunderte Millionen Impfdosen – sie werden erst langwierig aufgebaut. Dabei wäre dies gar nicht nötig. Denn die Impfstoffe könnten auch in Produktionsstätten anderer Unternehmen und in anderen Ländern fabriziert werden. Doch dafür wäre es eben erforderlich, das Patent auf den Impfstoff freizugeben. Genau dagegen wehren sich aber die Impfstoffhersteller mit allen Mitteln – und ihre Staaten helfen ihnen noch dabei!

    Weg mit dem Patent!

    Dies zeigt sich ganz dramatisch bei den aktuellen Verhandlungen innerhalb der Welthandelsorganisation “WTO”: Dort haben schon im Oktober 2020 die Staaten Südafrika und Indien beantragt, auf die Regeln des WTO-Übereinkommens über „handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums“ (TRIPS), welches Patente schützt, zu verzichten. Über 100 Länder unterstützen dies.

    Doch führende Nationen stemmen sich im Interesse ihrer Pharmakonzerne dagegen – auch Deutschland. Der Vorschlag, die Patente freizugeben, wurde mittlerweile acht Mal (!) abgelehnt. Für eine Freigabe benötigt es laut WTO-Statuten jedoch einen Konsens der Länder.

    Damit beweisen die Regierungen der Welt, wie wenig sie in der Lage und willens sind, den existenziellen Bedürfnissen der Mehrheit der Weltbevölkerung Rechnung zu tragen. Durch die verlangsamte Produktion dürften voraussichtlich in einigen Ländern Impfungen erst im Jahr 2024 beginnen.

    Der Tod von Abertausenden könnte verhindert werden, wenn sich die Politik über die Interessen weniger Pharmakonzerne stellen würde. Dass wird jedoch nicht geschehen, solange die Pharmaindustrie in privaten Händen liegt und Politiker:innen in den Parlamenten sitzen, die durch deren Lobbyist:innen korrumpiert werden.

    Um das zu ändern, bedarf es einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus, in der eine Pharmaindustrie in den Händen der Gesellschaft liegt und demokratisch kontrolliert wird. Auf dem Weg dorthin gilt es aber schon jetzt, weiterhin für den sofortigen Stopp von exklusiven Impfpatenten zu protestieren.

    • Perspektive-Autor und -Redakteur seit 2017. Schwerpunkte sind Geostrategie, Rechter Terror und Mieter:innenkämpfe. Motto: "Einzeln und Frei wie ein Baum und gleichzeitig Geschwisterlich wie ein Wald."

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