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Freitag, April 26, 2024
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    Repression in der Ukraine: Der Krieg war weder der Anfang, noch wird er das Ende sein

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    Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 herrscht in der Ukraine das sogenannte Kriegsrecht. Schon vor Kriegsbeginn war die politische Situation im Lande von harscher Repression gekennzeichnet. Nun wird der Krieg genutzt, um weitere bürgerliche Freiheiten abzubauen. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko. 

    Am 20. März 2022 verkündete der Präsident der Ukraine das Verbot von 11 Oppositionsparteien, der Großteil davon „linke“ Parteien wie die „Sozialistische Partei der Ukraine“ oder die „Linke Opposition“.

    Der in westlichen Medien zum Held der Demokratie stilisierte Selenski wirft besagten Parteien vor, ihre politischen Aktivitäten hätten zum Ziel „das Volk zu spalten“. Des Weiteren äußert er den Vorwurf, dass einige Oppositionsparteien vorhätten, mit Russland zu kooperieren bzw. Verbindungen zu Russland zu unterhalten.

    In der Verkündung des Verbots betont Präsident Selenski, dass jetzt die Zeit gekommen sei, sich vorbehaltlos hinter dem ukrainischen Nationalstaat zu versammeln, und dass alle „subversiven“ Aktivitäten mit einer „sofortigen und harten“ Reaktion zu rechnen hätten.

    Die Verkündung dieses „Burgfriedens“ sollte eigentlich Niemanden überraschen, genauso wenig wie die repressiven Maßnahmen an sich. Es ist „normal“, dass kapitalistische Staaten, auch diejenigen, die offiziell als liberale Demokratien gelten, in Zeiten der Krise und Instabilität die politische Repression hochschrauben. In diesem Bereich unterscheidet sich die Ukraine auch nicht sonderlich viel von Russland, das ja selbst oft in der Kritik steht, Oppositionelle staatlich zu verfolgen.

    Wenn hier davon gesprochen wird, dass diese Handlungen für kapitalistische Staaten „normal“ seien, dann ist das keineswegs als Entschuldigung und Relativierung zu verstehen. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Verbündeten westlicher Staaten immer als die Wahrer von Demokratie und Menschenrechten verklärt werden.

    Ob es sich nun um die oppositionellen Kräfte im syrischen Bürgerkrieg, mal um der einen, mal denr anderen libyschen Warlord oder eben um Selenskis Ukraine handelt. Es ist für Staaten wie Deutschland nicht von Belang, ob in diesen Ländern bürgerliche Rechte und Freiheiten gelten, und Krieg ist seit jeher die beste Rechtfertigung zur Zerschlagung unerwünschter Opposition im Land. „Subversion“, „Kollaboration mit dem Feind“ und „Hochverrat“ sind dann meistens die angebrachten Vorwürfe.

    Weder der Anfang, noch das Ende

    Zusätzlich zum Verbot der Oppositionsparteien hat der ukrainische Präsident am 20. März bekannt gegeben, dass alle ukrainischen (private wie staatliche) Fernsehanstalten zu einer einzigen Institution unter staatlicher Führung zusammengelegt werden sollen. Zwar muss man sagen, dass Informationsfreiheit und die Objektivität wie Neutralität von Medien sowieso schon fragwürdig sind, wenn diese sich im Privatbesitz von reichen Unternehmer:innen befinden. Jedoch muss dieser Schritt dessen ungeachtet als intensiver Schlag auf kritische Berichterstattung in der Ukraine gewertet werden.

    So muss der Krieg als Anlass betrachtet werden, doch fingen die Zentralisierung der Macht im ukrainischen Staat und die politische Repression im Land schon lange vor der russischen Invasion an. Spätestens seit 2014 erlebt die Ukraine einen Aufschwung rechtsextremer paramilitärischer Gewalt und Aktivität auf der Straße, die parallel zu staatlicher Repression und „Dekommunisierung“, bürgerliche Rechte und Freiheiten praktisch außer Kraft setzt. Wie zu erwarten war, wirkt sich der Krieg alles andere als positiv auf die Lage von Menschenrechten im Land aus, und selbst bei einem baldigen Ende des Konflikts ist nicht mit einer Abnahme der Repression zu rechnen.

    • Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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