Am 6.7. haben Aktivist:innen der Initiative „Defend Kurdistan“ das Frankfurter Parteibüro des Bundesvorsitzenden der Grünen, Omid Nouripour, besetzt. Sie protestierten damit dagegen, dass die Grüne Partei sich als Friedenspartei darstellt, aber aktiv Kriegspolitik betreibt. Ein:e Besetzer:in erklärt im Interview, was der Hintergrund der Besetzung war.
Kannst du etwas dazu sagen, weshalb du dich an der Besetzung des Grünen-Büros beteiligt hast?
Die Aktion wurde von der „Initiative Defend Kurdistan“ organisiert. Die Bewegung ist ein Zusammenschluss von fortschrittlichen Menschen und Organisationen, die sich gegen den Angriffskrieg der Türkei auf Kurdistan stellen. Ich selbst bin zudem ein Aktivist von „Young Struggle“.
Wir sind eine sozialistische Organisation und sehen es als unsere besondere Aufgabe an, den revolutionären Kampf des kurdischen Volks zu unterstützen. Deshalb haben wir uns auch entschieden, uns mit einigen Aktivist:innen an der Aktion zu beteiligen. Vor allem, da aktuell von der Türkei ein weiterer Angriffskrieg gegen Rojava vorbereitet wird, ist es wichtig, verschiedene Aktionen zu machen, damit der kurdische Befreiungskampf hier mehr Öffentlichkeit und Unterstützung erfährt.
Weshalb habt ihr ein Büro der Grünen für die Aktion ausgewählt?
Die Grünen stellen sich in der Öffentlichkeit als Friedenspartei dar. Doch spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich gezeigt, dass die Grünen eine Kriegspartei sind. Sie sind zudem die aktuelle Regierungspartei und stellen auch die derzeitige Außenministerin mit Annalena Baerbock. Sie sind damit verantwortlich für die Außenpolitik des deutschen Staats und somit auch für die deutsche Unterstützung der Türkei durch Waffenlieferungen und ähnliches. Wir wollten also die Politik der Grünen entlarven, da diese sich als Friedenspartei geben, aber die Kriegspolitik der Türkei unterstützen.
Vor allem, da die Türkei einen weiteren Angriffskrieg gegen Rojava plant, hielten wir es für wichtig, die Öffentlichkeit über die Rolle der Grünen zu informieren und die generelle Situation in Rojava in die Öffentlichkeit zu tragen. Außerdem ist das Büro, was wir besetzt haben, auch das Wahlkreisbüro von Omid Nouripour, der Parteivorsitzender und außenpolitischer Sprecher der Grünen ist und die Außenpolitik der Grünen mitbestimmt.
Wie lief die Besetzung ab?
Wir besetzten morgens mit rund 20 Aktivist:innen das Büro und stellten Forderungen auf, wonach wir die Besetzung beenden würden. Diese umfassten: eine Resolution zur Verurteilung des türkischen Angriffskriegs in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung; ein Gespräch mit Omid Nouripour; den sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen und sonstiger Rüstungsgüter in die Türkei; den Stopp jeglicher politischen und wirtschaftlichen Unterstützung für den faschistischen türkischen Staat und schließlich eine unabhängige Kommission zur Untersuchung der Chemiewaffeneinsätze durch die türkische Armee in Südkurdistan/Nordirak.
Außerdem versammelten sich ungefähr 20 Unterstützer:innen vor dem Grünen-Büro. Nach einiger Zeit erklärten sich die Grünen bereit, eine Presseerklärung abzugeben, die den Angriffskrieg verurteilt und sagten zu, eine Resolution ins Frankfurter Stadtparlament einzubringen. Zudem wurde ein Gespräch mit den Vorsitzenden der Frankfurter Grünen und der Fraktion im Stadtparlament angeboten. Somit wurde ein Teil der Forderungen, die wir aufgestellt hatten, von den Grünen erfüllt. Darüber hinaus gab es kein weiteres Entgegenkommen der Grünen auf unsere weiteren Forderungen, weshalb wir die Besetzung nach ungefähr 4 Stunden auflösten.
Uns ist jedoch klar, dass wir uns nicht auf irgendeine Presseerklärung der Grünen verlassen können, sondern es müssen genaue Handlungen folgen. Dass dies aber wahrscheinlich nicht passieren wird, ist uns auch klar. Die Grünen vertreten die Interessen des deutschen Kapitals und dieses hat ein Interesse an einem starken türkischen Staat. Wichtig war für uns deshalb, dass durch die symbolische Besetzung der Angriffskrieg der Türkei auf Kurdistan verstärkt an die Öffentlichkeit gelangt, was wir auch durch Gespräche mit verschiedenen Pressegruppen schaffen konnten.
Was sind die nächsten Themen, die im Bezug auf Kurdistan auf der Tagesordnung stehen?
In diesem Jahr jährt sich die Rojava-Revolution am 19.07. zum 10ten Mal. Diese stellt eine demokratische, geschlechterbefreite Perspektive für die Völker des Mittleren Osten dar. Deshalb müssen wir die Rojava-Revolution weiter in die Öffentlichkeit tragen, auch im Hinblick auf den geplanten türkischen Angriffskrieg. Deshalb organisieren wir in Frankfurt als internationalistisches Aktionsbündnis (IAB), das ein Zusammenschluss verschiedener antiimperialistischer Organisationen ist, am 20.07.2022 um 18:30 Uhr eine Demonstration an der Bockenheimer Warte.
Zudem jährt sich an diesem Tag der Anschlag von Suruc zum 7ten Mal. Nachdem Kobane damals von den YPG und YPJ erfolgreich gegen die faschistischen IS-Banden verteidigt werden konnte, entschieden sich in der Türkei sozialistische Jugendliche der SGDF, eine Kampagne zu organisieren, um beim Wiederaufbau von Kobane zu helfen. Als sie sich in Suruc versammelt hatten, um über die Grenze nach Kobane zu gehen, verübte ein IS-Attentäter einen Selbstmordanschlag und ermordete 33 Menschen.
Diese Kampagne zum Wiederaufbau von Kobane war ein leuchtendes Beispiel der internationalen Solidarität. Diesen Geist müssen wir mit dieser Aktion auch hier weitertragen, sei es durch verschiedene weitere Aktionen, Kundgebungen oder Demonstrationen. Aber auch weitere konkrete Unterstützung ist wichtig.