Der FDP-Politiker Joachim Stamp bekleidet den von der Bundesregierung neu geschaffenen Posten des “Migrationsbeauftragten”. Seine selbst definierte Hauptaufgabe soll es sein, Länder dazu zu bewegen, irreguläre Migrant:innen wieder zurück zu nehmen. Um welche Länder es sich dabei handeln soll, will er aus diplomatischen Gründen noch nicht verraten. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko
Joachim Stamp (FDP), vormals Integrationsminister und stellvertretender Ministerpräsident von NRW, wurde von der Ampelkoalition am 1. Februar zum sog. “Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen” ernannt. Hierbei handelt es sich um eine neue Stelle, die im Rahmen des Koalitionsvertrags entstanden ist. Diese setzt sich unter anderem das Ziel, „illegale“ Migration bekämpfen und legale Migration unterstützen zu wollen.
Soweit nichts Neues. Denn dieses Gegeneinander von einer vermeintlich schlechten, weil „illegalen“ Migration und der herbeigesehnten Zuwanderung von „Fachkräften“ steht schon seit Längerem auf der Agenda deutscher Bundesregierungen. Mit „illegaler“ Migration sind diejenigen Menschen gemeint, die vor Kriegen, Umweltzerstörung oder Armut fliehen, aber nicht legal nach Deutschland einreisen dürfen.
Deutschland scheut sich nicht, mit Faschist:innen und Kriminellen zu verhandeln
Zum aktuellen Zeitpunkt schweigt sich Joachim Stamp noch dazu aus, mit welchen Staaten genau er nun Migrationsabkommen aushandeln will. Diplomatisch sei dies zu heikel und solle deswegen erst mal unter Verschluss bleiben. Das wohl bekannteste solcher Abkommen hatte die EU im Jahr 2016 – unter deutscher Federführung – mit der faschistischen Diktatur in der Türkei geschlossen. Im Gegenzug – für mehrere Milliarden Euro und weitere politische Zusagen – verschloss die Türkei gewaltsam die Fluchtrouten über das östliche Mittelmeer und den Bosporus. Tausende von Geflüchteten wurden aus Griechenland in die Türkei sozusagen deportiert.
Doch mit wem stehen jetzt die nächsten „Flüchtlingsdeals“ an? Auch wenn es dazu keine offiziellen Aussagen gibt, lässt sich bereits erahnen, dass mit den Staaten Libyen und Marokko verhandelt werden wird. Bei beiden handelt es sich um zentrale Durchreisestaaten für einen irregulären Migrationsweg in die EU bzw. Deutschland. In Libyen führt die NATO seit dem Sturz der Gaddafi-Regierung 2014 einen blutigen Stellvertreterkrieg: so gilt Libyen heute als Epi-Zentrum des modernen Sklav:innenhandels – in erster Linie wegen der Menschen, die versuchen, über das Land ans Mittelmeer zu gelangen. Bei Marokko handelt es sich um eine teilweise autoritäre Monarchie, in der Folter und staatliche Morde ebenfalls nicht selten sind. Nicht zu vergessen sei der Krieg, den der marokkanische Staat aktuell gegen die Bevölkerung der Westsahara führt, gegen ein Gebiet, in das deutsche Konzerne wie Siemens weiterhin fleißig investieren.
Ein Beispiel dafür, wie solche Migrationsabkommen aussehen können, ist das im Februar 2017 geschlossene Abkommen zwischen der EU, Italien und einem Teil des libyschen Staats. In Folge dieses Abkommens statteten mehrere EU-Staaten mit vielen Millionen Euro die sogenannte „libysche Küstenwache“ mit Material aus. Die Bundeswehr ist im Rahmen der Militärmission EUNAVFOR MED IRINI an der Ausbildung dieser Institution beteiligt.
Seither spürt die „libysche Küstenwache“ Jahr für Jahr mehr Geflüchtete auf, die in Booten mit letzten Kräften versuchen, nach Europa zu gelangen, bringt ihre Boote zum Kentern und verschleppt die Insassen zurück in Internierungslager in Libyen, wo sie dann der Sklaverei, sexualisierter und anderer Formen von Gewalt und auch Entführungen ausgesetzt sind, um Geld von ihren Familien zu erpressen.
Profitieren werden am Ende nur die europäischen Kapitalist:innen und ihre Statthalter
Doch unabhängig davon, wie verachtenswert die Regime sind, mit denen mitunter die deutsche Bundesregierung ihre „Deals“ schließen will: Bei all diesen „Verhandlungen“ sind die Rollen äußerst ungleich verteilt.
Deutschland und die EU haben ihre Ziele klar formuliert: Sie wollen die qualifiziertesten Arbeitskräfte aus abhängigen Ländern in Afrika und Westasien abwerben, aber gleichzeitig erreichen, dass geringer qualifizierte Menschen oder solche, die überhaupt nicht als Arbeitskräfte in Frage kommen, in Armut und Abhängigkeit zurückbleiben.
Die sogenannte „Entwicklungshilfe“, die nun hinter den Kulissen bei vielen Gesprächen eine Rolle spielen dürfte, dient hierbei eher und quasi als Schmiergeld, das in oftmals korrupten Regierungsapparaten oder Herrschaftshäusern versickern dürfte. Der wirtschaftlichen Entwicklung der Länder, mit denen Joachim Stamp nun verhandeln soll, wird es jedenfalls nicht dienen, wenn man die hochqualifizierten Arbeitskräfte abwirbt. Ganz im Gegenteil: ihre Abhängigkeit wird mit solchen Maßnahmen nur noch zementiert.