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Sonntag, April 28, 2024
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    Vor 95 Jahren geboren: Che Guevara – ein Revolutionär

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    Heute vor 95 Jahren wurde der lateinamerikanische Revolutionär Ernesto „Che“ Guevara geboren. Als „Idealist“ ist er in die Popkultur eingezogen. Doch tatsächlich war er kämpferischer Kommunist, der für die Revolution lebte – mit Fehlern und Verdiensten. Über das vergessene Erbe von Che Guevara – ein Kommentar von Nadia Schuhmann.

    Ernesto „Che“ Guevara wurde am 14. Juni 1928 in Argentinien geboren und zu einer der führenden Persönlichkeiten im Partisanenkrieg Kubas. Heute ist die Erinnerung an ihn verwaschen. Zwar ist Che Guevara keinesfalls vergessen: sein Gesicht ist auf T-Shirts überaus häufig anzutreffen, und auch verschiedene Marken haben ihn für sich vereinnahmt. Aber es stellt sich die Frage, ob das die Art und Weise ist, wie er erinnert werden sollte.

    Denn von seinem Dasein als Revolutionär, der den Marxismus studierte und unnachgiebig gegen das reaktionäre Regime Batistas und den Imperialismus gekämpft hat, ist bei seiner Rezeption in der modernen Popkultur nicht sehr viel übriggeblieben. Doch genau dafür sollte man Che Guevara erinnern.

    Dass gerade er zum Symbol für Freiheit und Rebellion wurde, ist kein Zufall: Die Sowjetunion hatte zur Zeit seines Wirkens Ende der 50er und in den 60er Jahren den revolutionären Weg bereits verlassen. Mit Nikita Chruschtschow an der Spitze sprach die Staatspropaganda jetzt vom „friedlichen” Weg zum Sozialismus und „friedlicher“ Systemkonkurrenz mit dem Kapitalismus.

    Die Unterstützung im Kampf der Arbeiter:innen und Unterdrückten der Welt gaben die Sowjets mehr und mehr auf. Unter ihren Direktiven wandten sich auch die unter ihrem Einfluss stehenden – einst revolutionären – kommunistischen Parteien der Sozialdemokratie zu.

    Gerade deshalb hatte das Handeln von Che Guevara unter revolutionär Gesinnten eine große Anziehungskraft. Besonders der ganzen Generation junger Menschen, die sich im Zuge der Befreiungskämpfe im Trikont politisierten, erschien er als der Mann der Tat. Als jemand, der die endlosen Ausreden und Ausflüchte der lateinamerikanischen Altparteien, die vom revolutionären Marxismus Abstand genommen hatten, durchbrach.

    Ein konsequenter Verteidiger des Einsatzes revolutionärer Gewalt gegen Unterdrückung

    Nach seinem Medizinstudium hält Che sich mehrere Jahre lang in verschiedenen Ländern Süd- und Mittelamerikas auf, wo er politische Erfahrungen sammelt. Dort bekommt er die Armut der Menschen und die Auswirkungen des Imperialismus – vor allem die Politik der USA – selbst zu sehen. 1956 kehrt Che mit anderen Revolutionären nach Kuba zurück, wo der Partisanenkrieg beginnt und sich immer weiter ausbreiten kann. Drei Jahre später siegt die kubanische Befreiungsarmee über das Regime des rechten Diktators Fulgencio Batista.

    Che theoretisiert seine politischen Erfahrungen aus der kubanischen antikolonialen Revolution und veröffentlicht 1960 seine Schrift „Der Guerillakrieg“. In ihr erklärt er unter anderem, dass der Befreiungskampf für die werktätigen und ausgebeuteten Massen mit der Zerschlagung der alten Gesellschaftsordnung durch den bewaffneten Kampf und der Errichtung eines neuen Systems, nämlich dem Sozialismus, einhergehen müsse.

    Die Notwendigkeit revolutionärer Gewalt verteidigt er auch im Jahr 1964 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, bei der er im Namen Kubas erklärt: „Unser Kampf ist ein Kampf auf Leben und Tod. (…) Wir leben unter diesen Bedingungen, weil wir vom Imperialismus der Vereinigten Staaten dazu gezwungen werden“.

    „Unser Kampf ist ein Kampf auf Leben und Tod.”

    Die Gewalt, die Che während seines Lebens angewendet hat, hatte nichts mit der Gewalt der Imperialisten und ihrer Helfershelfer zu tun. Er setzte sie ein, weil er sich einem viel mächtigeren Feind gegenübersah, der alles dafür tun würde, die Unterdrückten in ihren Ketten zu halten.

    Ches Schwankungen und Einseitigkeiten

    Che Guevara folgte in seinen politischen Theorien und auch in der Praxis nicht immer den Prinzipien des revolutionären Marxismus. So hatte er eine schwankende Haltung gegenüber der Abkehr von Grundlagen des Marxismus eingenommen, die damals von der Sowjetunion verbreitet wurde („Revisionismus“). Beispielsweise war auch er der Meinung, dass irgendwann vielleicht der Aufbau des Sozialismus ohne bewaffneten Kampf möglich sei – zur damaligen Zeit eine sehr weit verbreitete ‘falsche’ Position in der internationalen kommunistischen Bewegung.

    Auch bezüglich der Rolle der Frauen im bewaffneten Kampf hat er reaktionäre Standpunkte vertreten: So sollten die Frauen lieber mit den häuslichen Arbeiten und der Zubereitung des Essens für die Guerillakämpfer bedacht werden, anstatt selbst an der Front zu stehen.

    Che Guevara war Kommunist und sah in diesem Sinne auch die Notwendigkeit einer Kommunistischen Partei. Dennoch unterschätzte er die Bedeutung einer solchen Organisation und ihrer Verankerung in den Massen, um einen erfolgreichen Partisanenkampf führen zu können. Dies sollte ihm später in Bolivien zum Verhängnis werden.

    In einer schweren Situation ging er revolutionär nach vorne

    Zugleich muss man feststellen: die gesamte Situation der internationalen kommunistischen Bewegung war zu dieser Zeit höchst kompliziert und nur schwer zu durchschauen. Anfang der 60er gab es international nur sehr wenige Kommunist:innen, die nicht ähnliche oder sogar ‘schlimmere’ Fehler gemacht hätten.

    Doch als ein Teil der kommunistischen Weltbewegung die Rechtsentwicklung in der Sowjetunion anerkannt hatte und begann, sich neu zu formieren, stellte Guevara sich eben nicht an die Spitze dieses Prozesses und verhalf ihm zum Sieg, sondern schaute – von seinen Kritiken abgesehen – skeptisch von der Seitenlinie zu.

    Che Guevara hat erbittert gegen den US-Imperialismus gekämpft, aber sich auch von der revisionistischen Sowjetunion nicht vollständig blenden lassen, sondern deren Kurs vermehrt kritisiert. Allerdings waren Kuba und auch Ches revolutionäre Pläne wiederum von der Sowjetunion als Verbündeter abhängig. Das lateinamerikanische Land war also nicht wirklich unabhängig, sondern wurde letztendlich ein Teil des Einflussgebiets der sowjetischen Großmachtpläne.

    Che Guevara hat erbittert gegen den US-Imperialismus gekämpft

    Über dieser Frage findet auch Guevaras Zerwürfnis mit Fidel Castro statt. Doch um eine Spaltung innerhalb Kubas zu verhindern, geht Che stattdessen “nach vorne”: Im Jahr 1965 verlässt er Kuba, geht zuerst in den Kongo, um dort die Befreiungsarmee zu unterstützen und dann nach Bolivien. In dem Versuch, die kubanische antikoloniale Revolution auszuweiten, zieht er in den Dschungel, um dort unter seiner Führung den Partisanenkampf aufzubauen.

    Sein Ziel war, mit seiner Guerilla einen kleinen „Fokus“ zu bilden, der nach und nach die Massen in den Kampf einbeziehen würde. Doch seine Guerilla blieb mit dieser ‘fehlerhaften’ Strategie isoliert, und die revisionistische „Kommunistische Partei“ Boliviens entzog ihm ihre Unterstützung. Bolivianischen Truppen gelang es dann auf Befehl der CIA im Oktober 1967, Che Guevara gefangen zu nehmen und ihn zu ermorden.

    Erinnern und lernen

    Wenn wir also das nächste Mal das Bild Che Guevaras auf einem T-Shirt sehen, sollten wir an seinen Kampfgeist denken und an seine konsequente Entscheidung, seine Chance auf ein gemütliches, bürgerliches Leben aufzugeben und stattdessen sein Leben dem Kampf für den Aufbau des Sozialismus zu widmen.

    In den Augen der Unterdrücker hat er damit ein Verbrechen begangen: er hatte es gewagt, für die Befreiung der Menschheit zu kämpfen. Für revolutionär gesinnte Menschen kann es jedoch nur eine Schlussfolgerung geben: nämlich von Che zu lernen.

    Von ihm zu lernen, bedeutet, seine falschen Theorien abzulegen, aber sich seine positiven Eigenschaften zum Vorbild zu nehmen. Und davon gibt es eine ganze Reihe: Er hatte seine Überzeugungen zur Praxis werden lassen, er ist kein Bonze geworden. Er hat sich nicht auf einen sicheren Schreibtischposten zurückgezogen, sondern seinen Internationalismus in die Tat umgesetzt. Auch hat er dabei – selbst in den bittersten Niederlagen – nie seinen revolutionären Optimismus und seine Liebe zur Menschheit verloren.

    Diese Haltung machte er auch überaus deutlich: „Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich bereit sein, mein Leben für die Befreiung eines Lateinamerikanischen Landes zu geben, ohne dafür von jemandem etwas zu verlangen, ohne etwas zu fordern, ohne jemanden auszubeuten.

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