`

Zeitung für Solidarität und Widerstand

Der Fall Novo Nordisk und die Abnehmspritze

Ein weiteres Beispiel dafür, dass im Kapitalismus der Wert eines Unternehmens nicht im Zusammenhang mit dessen Nützlichkeit für die Gesellschaft steht. – Ein Kommentar von Janosch Weiß.

Freitagabend schloss der europäische Aktienmarkt mit einem Wert von 182,96 Euro für eine einzelne Aktie von Novo Nordisk. Damit führt das dänische Unternehmen nun die Rangliste der wertvollsten europäischen Unternehmen mit 401 Milliarden Euro Marktkapitalisierung an. Das Pharmazieunternehmen überholt Moët Hennessy – Louis Vuitton SE (LVMH) und löst dieses von der Spitze ab. Gleichzeitig hat Novo Nordisk damit das Bruttoinlandsprodukt 2022 seines Heimatlandes übertroffen. Während das Kerngeschäft von Novo Nordisk mit Insulin überlebensnotwendig für Diabetes-Erkrankte ist, ermöglichte ein neues Produkt den letzten, gewinnbringenden Sprung: Es ist eine Abnehmspritze.

Wegovy: Abnehmen ohne Anstrengung

Das Medikament basiert auf dem Wirkstoff Semaglutid. Dieses sorgt bei nur wöchentlicher Selbstinjektion für ein länger dauerndes Sättigungsgefühl und soll Menschen helfen, ohne Ernährungsumstellung und die Strapazen einer Diät Gewicht zu verlieren. Im Juni 2021 wurde das Medikament in den USA zugelassen und erlebte einen wahren Boom, ausgelöst durch soziale Medien und prominenten Bewerber:innen wie Elon Musk oder Kim Kardashian.

Symptombekämpfung statt Ursachenbehebung

Hört der Anwendende auf mit den Injektionen, sind die verlorenen Kilos ohne Anpassung der Ernährung direkt wieder da. Nach der letzten Studie 2011 waren in Deutschland zwischen 53 und 67 Prozent der Erwachsenen übergewichtig, ein Viertel sogar krankhaft adipös: In Industriestaaten handelt es sich um eine Volkskrankheit. Dem liegt eine Vielzahl von Ursachen zugrunde, unter anderem die Kosten von werthaltigen Nahrungsmitteln oder die mangelnde Zeit, selbst zu kochen oder für ausreichende Bewegung. Novo Nordisk nimmt sich jedoch keiner der Ursachen an, sondern verspricht den trügerischen Anschein eines Gewinns für die Gesundheit ohne jedwede Veränderung des Lebensstils. Langzeitstudien existieren noch nicht und selbst eine Toleranzentwicklung (also drohende Abhängigkeit) kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Abnehmspritze oder Luxushandtaschen und Edelchampagner

All dem kann entgegengehalten werden, dass das dänische Pharmazieunternehmen jetzt zumindest einen Beitrag zur Forschung und Wissenschaft leistet, während der abgelöste, nun zweite geschäftszweig mit Luxushandtaschen und Edelchampagner weniger Förderliches für die Gesellschaft beigetragen hat. Beides zeigt, dass die Marktkapitalisierung eines Unternehmens in keinem Zusammenhang mit seinem Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft steht. Vielmehr besteht aus unternehmerischer Sicht kein Anreiz einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, wenn es doch viel erfolgsversprechender ist, die Symptome des Systems auf Dauer zu unterdrücken oder etwas erträglicher zu gestalten.

Perspektive Online
Perspektive Onlinehttp://www.perspektive-online.net
Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!