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Montag, April 29, 2024
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    Industrie schränkt Produktion ein

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    Deutschland in der Rezession: Die energieintensivsten Unternehmen stellen ihre Produktion zunehmend zeitweise oder dauerhaft ein. IW-Direktor fordert Arbeitszeiterhöhung.

    Drei Viertel der energieintensivsten Unternehmen haben ihre Produktion entweder bereits zeitweise oder dauerhaft eingestellt, oder planen bzw. erwägen dies. Zu diesem Ergebnis kam eine Online-Befragung des “Instituts der deutschen Wirtschaft” (IW) mit 148 Unternehmen der Branchen Papier, Chemie, sowie Metallerzeugung und -verarbeitung. Als Gründe für diesen Rückgang wurden an erster Stelle die hohen Energiekosten in Deutschland genannt. Günstigeres Gas gäbe es beispielsweise in den USA, günstigeren Strom in den USA und Frankreich. Und Staaten, die trotz des Kriegs in der Ukraine noch Öl von Russland beziehen, hätten auch dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Deutschland.

    Von den befragten Unternehmen hatten 8% ihre Produktion dauerhaft reduziert, während sich 29% für temporäre Einschränkungen entschlossen haben. Weitere 9% planen und 28% prüfen einen Rückgang der Produktion. Neben den hohen Energiekosten drücken auch andere sogenannte „schlechte Standortbedingungen“ auf die Profite der Kapitalist:innen: darunter als zu hoch wahrgenommene Steuern, eine mangelhafte Infrastruktur, schleppende Digitalisierung und die Lohnnebenkosten (d.h. Abgaben, die Unternehmer:innen an Renten-, Kranken- und andere Versicherungen der Arbeiter:innen zahlen müssen).

    Während große Konzerne daraufhin ihre Produktion häufig ins Ausland verlagern, werden kleinere Unternehmen, die dazu nicht in der Lage sind, oft dauerhaft stillgelegt. Doch auch diejenigen Firmen, die Outsourcing betreiben, kompensieren laut der Umfrage dadurch meist nur einen Bruchteil des Produktionsrückgangs.

    Als Reaktion auf die Krise der deutschen Industrie veröffentlichten nun der Bundesverband der Industrie (BDI) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein gemeinsames Statement. Sowohl der BDI-Präsident Siegfried Russwurm, als auch die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi kritisierten die hohen Strompreise. Fahimi argumentierte darüber hinaus, dass ohne „wettbewerbsfähige Strompreise“ auch kein Klimaschutz möglich sei und die Gefahr einer „schleichenden Deindustrialisierung“ bestünde.

    Dass auch Arbeiter:innen weiterhin die Folgen der Krise spüren werden, verdeutlicht ein Interview mit IW-Direktor Michael Hüther. Laut Hüther befindet sich die deutsche Industrie bereits seit dem ersten Quartal 2018 in einer Rezession. Auch eine rückläufige Entwicklung fürs zweite Halbjahr und ein geringes Wachstum für das nächste Jahr seien zu erwarten. Neben wesentlich zu geringen Investitionen trage auch der demographische Wandel zu der Wirtschaftsschwäche bei – es gäbe zu wenig Menschen im erwerbsfähigen Alter. Um den Arbeitskräftemangel auszugleichen, fordert Hüther eine Erhöhung der Arbeitszeit. Man müsse reden über „weniger Teilzeit, über höhere Arbeitszeit für Vollzeiterwerbstätige und anderen Regelungen wie Urlaub, Feiertage“. In anderen Ländern wie Schweden oder der Schweiz werde, so Hüthers Argumentation, jetzt schon länger gearbeitet. Diesen Ländern gehe es ja „nicht so schlecht“. Der IW-Direktor zeigte sich zuversichtlich, dass deutsche Arbeiter:innen ebenfalls mehr Arbeitszeit und andere Urlaubsregeln akzeptieren würden, wenn dies mit einer erhöhten Flexibilität über die Einteilung der Stunden und den Arbeitsort verbunden sei.

    Neben vermehrter Zuwanderung als Ausgleich für den Arbeitskräftemangel plädierte Hüther auch für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Generell gelte: „Alles, was die Produktivität steigert, ist gut und richtig“. Während Hüther zwar die Relevanz von Investitionen in grüne Energien hervorhob, kritisierte er die Bundesregierung dafür, dass sie das Ziel der Klimaneutralität um fünf Jahre vorgezogen hat. Auch seine Offenheit für Zuwanderung hatte Grenzen. Hier stimmte er in die momentan ausgeprägte Stimmungsmache für schnellere und härtere Abschiebungen ein: „Was wir nicht hinkriegen, ist die Differenzierung zwischen der reinen Flucht- und Erwerbsmigration und jenen, die nicht ins Land gehören. Da muss dann auch die Rückführung anders organisiert werden.“

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