Das Jahr 1923 gilt als eines der größten Krisenjahre der deutschen Geschichte. Gleichzeitig stand es kurz davor, zum Jahr der sozialistischen Revolution in diesem Land zu werden. Auch wenn der “Hamburger Aufstand” scheiterte, kann seine Tradition heute weiterleben. – Ein Kommentar von Ivan Barker.
Wenn die Rede von Revolutionen in Deutschland ist, denken die meisten vermutlich an die bürgerliche Märzrevolution 1848 oder die Novemberrevolution 1918. Doch auch die Tage, die unter dem Namen „Hamburger Aufstand“ in die Geschichte eingegangen sind, waren Teil einer landesweit geplanten Revolution.
Klassenkampf von oben und unten
1923, fünf Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, waren die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen erneut von Armut und Arbeitslosigkeit geprägt. Die Reparationszahlungen für den verlorenen Krieg wurden – ebenso wie seine vorherige Finanzierung – von der herrschenden Klasse auf sie abgewälzt. Eine unvorstellbare Inflation fraß ihren Lohn noch am selben Tag schon innerhalb weniger Stunden auf.
Die Arbeiter:innen nahmen die rapide Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen jedoch nicht einfach hin. Es kam zu großen Streikwellen, die sich unter Führung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) im ganzen Land ausbreiteten. Letztendlich führten sie sogar zur Absetzung der Regierung. Nachdem aber auch die neue SPD-Regierung im Sommer 1923 das Elend der Arbeiter:innen nicht linderte, erkannten viele die Notwendigkeit des Kampfes außerhalb des Parlaments.
Die KPD führte diesen Kampf für die Interessen der Arbeiter:innen am konsequentesten. Nachdem der erste Versuch einer sozialistischen Revolution 1918 gescheitert war, gründete sie sich, um in einem nächsten Anlauf das Ziel der Arbeiter:innenmacht zu erreichen. Die Zeit für einen landesweiten Aufstand sah sie schließlich im Oktober 1923 gekommen.
Aufstand in Hamburg
In Hamburg begann der Kampf am 23. Oktober am frühen Morgen. Organisiert durch die KPD wurden Polizeiwachen gestürmt und besetzt, um Waffen für die Arbeiter:innen zu besorgen. Dank der im verdeckten stattfindenden Vorbereitungen war dies trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der Polizei erfolgreich. In den Straßen wurden Barrikaden gebaut, die es den Revolutionär:innen ermöglichten, sich sogar gegen die anrückende Reichswehrtruppen für mehrere Stunden zu verteidigen: 300 aufständische Arbeiter:innen hielten dem Feuer von 6.000 Mann aus Polizei, Reichswehr und Marine stand.
Die Stellung konnte aber nicht auf Dauer gehalten werden. Während zwar auch in Sachsen und Thüringen der Aufstand vorbereitet worden war, ließ die SPD-Regierung die Reichswehr einmarschieren, um aufständische Arbeiter:innen und Kommunist:innen schon im Vorhinein niederzuschlagen. Damit blieb die geplante Revolution ein Aufstand beschränkt auf Hamburg.
Entschlossenheit und Solidarität
Trotz der Niederlage war der Kampf der Arbeiter:innen ein ernsthafter Versuch, den Kapitalismus in diesem Land zu stürzen. Es war vor allem der Unterstützung dieses Ziels durch die restlichen Arbeiter:innen Hamburgs zu verdanken, dass den Aufständischen ein verhältnismäßig geordneter Rückzug ermöglicht wurde. Sie boten Versorgung und Verstecke, während die Kapitalist:innen und ihr Staat alles in Bewegung setzten, um ihren Vergeltungsschlag gegen die Revolutionär:innen zu richten. Diese ließen sich jedoch nicht entmutigen, sondern führten ihre Arbeit von da an im Untergrund oder an neuen Orten weiter.
An dieses Vorbild von Entschlossenheit und Solidarität im Moment des Kampfes können wir als Arbeiter:innen heute noch anknüpfen. Halten wir die Erinnerung an den Oktober 1923 am Leben und überlassen wir die Geschichtsschreibung nicht den Kapitalist:innen. Jeder Aufstand der ausgebeuteten und unterdrückten Menschen beweist aufs Neue, dass wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können.