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Sonntag, April 28, 2024
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    Femizid in Bad Emstal: Weder Liebes- noch Familiendrama

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    Wenn Frauen ermordet werden, weil sie Frauen sind, nennt man das Femizid. Ein besonders schockierender Fall eines solchen Femizids in Bad Emstal von Ende September zeigt das strukturelle Problem, das hinter diesen Morden steht. – Ein Kommentar von Alexandra Magnolia.

    „Wenn ich dich nicht haben kann, dann keiner!“. Diese Worte soll der 20 Jahre alte mutmaßliche Mörder an die 14-jährige Marie Sophie gerichtet haben, weil sie keine Beziehung mit ihm wollte. Am 28. September wurde die 14-Jährige aus Bad Emstal – einem Dorf in der Nähe von Kassel – tot am Rande eines Feldwegs aufgefunden. Am vorherigen Tag war die junge Frau als vermisst gemeldet worden.

    Der Täter soll zuvor eine Liebesbeziehung mit der Schülerin gewollt haben, die das Mädchen aber ablehnte. Der deutlich ältere Mann ließ sie dennoch nicht in Ruhe. Laut Aussagen der Familie gegenüber RTL war der Mann wie “besessen” von ihr. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gab am Mittwoch nach der Obduktion bekannt, dass die junge Frau mutmaßlich erwürgt wurde.

    Gewalt in der Partnerschaft und Femizide nehmen zu

    Wie oft es zu Femiziden – also dem Mord an einer Frau aufgrund ihres Geschlechts – auch bei uns im angeblich so modernen, freiheitlichen Deutschland kommt, ist erschreckend. Laut offiziellen Zahlen versucht jeden Tag ein Mann in Deutschland seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu ermorden. Jeden dritten Tag gelingt so ein Mord. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Vor allem, weil nur Fälle, bei denen nachweislich eine direkte Verbindung zu der Familie der Frau oder nachweislich eine Beziehung zum Opfer besteht oder bestand, in die Statistik mit einfließen.

    Die Zahl sogenannter partnerschaftlicher Gewalt und die Zahl der Femizide steigt in den letzten Jahren immer weiter an. Darüber berichtet wird allerdings selten. Nur besonders schockierende Fälle scheinen überhaupt eine Erwähnung wert. Und selbst dann werden diese Morde in den meisten Fällen als “Familien”- oder “Liebesdramen” dargestellt.

    Oft wird im Nachgang sogar den Opfern die Schuld für die Taten zugewiesen. Vor allem dann, wenn es bereits vorher zu Gewalt innerhalb der Partnerschaft kam, wird den Opfern vorgeworfen, sie hätten die Beziehung einfach frühzeitig verlassen müssen. Hierbei wird die zugrunde liegende Problematik von patriarchaler Gewalt und Femiziden übergangen, der Fokus wird auf die einzelnen Fälle gelenkt, nicht aber auf das Grundproblem des Patriarchats – also die besondere Ausbeutung und Unterdrückung der Frau.

    Der 86. Femizid seit Januar zeigt das System

    Der 86. Femizid dieses Jahr ist neben vielen anderen grausamen Frauenmorden ein Fall, der ganz deutlich zeigt, mit welchen Mitteln das Patriarchat aufrechterhalten wird. Denn alle diese Frauen starben nicht zufällig, sondern mit System.

    Ein Femizid ist ein Mord an einer Frau, weil sie eine Frau ist. Vielleicht weil sie eine eigene Entscheidung trifft, vielleicht weil sie für sich selbst einsteht, sich trennen möchte oder einfach, weil sie als Frau lebt, wie sie es möchte. Es ist eine Form der Gewalt gegen Frauen, um sie klein zu halten und an ihre Rolle als Versorgerin in der Familie zu binden. Frauen werden von diesen Männern als ihr Eigentum angesehen und nicht als eigenständige Menschen. Erschreckend klar sieht man das bei dem Mord an der 14-jährigen Marie Sophie.

    17 Femizide – Man(n) tötet nicht aus Liebe

    Eifersüchtige oder gar Mitleid erregende Männer, die aus “Liebe” heraus töten. Familien, welche die Ehre der Familie “retten” wollen und dafür eine Frau töten. Oder Frauen, die sich einfach “nicht genug geschützt” haben – solche Verharmlosungen oder Romantisierungen von Femiziden führen dazu, dass dieses erschütternde Thema nicht als das wahrgenommen wird, was es ist: klare Gewalt gegen Frauen, eine finale Maßnahme, um die Unterdrückung von Frauen aufrecht zu erhalten. Als genau das müssen wir diese Taten aber benennen, um auf die bestehenden Verhältnisse aufmerksam zu machen und sie zu ändern.

    • Schülerin aus dem Ruhrpott und seit Oktober 2023 Korrespondentin für Perspektive. Besonders gerne schreibt sie über die Frauenrevolution, Militarisierung und die Jugend. Hobbykünstlerin und Katzenliebhaberin.

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