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Freitag, Oktober 4, 2024
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    Wegen Palästina-Solidarität: Hausdurchsuchung bei 41-jähriger Frau in Berlin

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    Repressionen gegen Palästina-Solidarität sind in den vergangenen Monaten zur Normalität geworden. Nicht verwunderlich ist es daher, dass die Berliner Polizei am 14. März eine Wohnung in Tempelhof-Schöneberg durchsuchte. Die Anwohnerin wurde kurzzeitig festgenommen und sämtliche elektronischen Geräte wurden beschlagnahmt. Grund dafür war ein Post mit der Parole „From the River to the Sea“. – Ein Kommentar von Anna Müller.

    Am Morgen des 14. März 2024 durchsuchte die Berliner Polizei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft die Wohnung einer 41-jährigen Frau. Sie beschlagnahmten drei Handys, zwei Computer und eine Festplatte. Zur Erfassung personenbezogener und biometrischer Daten wurde die Frau zwischenzeitlich in Gewahrsam genommen, danach aber wieder freigelassen. Ihr wird in vier Fällen der „§86a Strafgesetzbuch (StGB)” vorgeworfen.

    Der „§86a im Strafgesetzbuch (StGB)” meint die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen bzw. die Verbreitung von deren „Propagandamitteln“. In diesem Fall wird der Vorwurf begründet durch das Online-Stellen von Kennzeichen der islamisch-fundamentalistischen Hamas in sozialen Netzwerken in vier Fällen. Um was für Kennzeichen es sich handelt, wird in der Pressemitteilung nicht erläutert. Als Beispiel wird lediglich das Posten der Parole „From the River to the Sea genannt.

    Wie der deutsche Staat den Ruf nach einem freien Palästina kriminalisiert

    Ob die Betroffene also wirklich Kennzeichen der Hamas online gestellt hat, oder ob es die bloße Willkür des Staats ist, bleibt unklar. An Absurdität nicht zu übertreffen ist allerdings, aufgrund von vier Posts – die unter anderem eine von der Meinungsfreiheit geschützte Parole beinhalten – eine Wohnung zu stürmen.

    Noch absurder wird all das, wenn man bedenkt, dass während alldem Faschist:innen unbehelligt Treffen für „Remigrationspläne“ abhalten können und dabei ihre hochrangigen Positionen als Politiker:innen behalten dürfen. Doch da zeigt die BRD herzlich wenig Interesse an einem konsequenten rechtlichen Vorgehen.

    Willkür und Schikane gegen Palästina-Solidarität

    Wenn man sich die Fälle, in denen dieser Paragraph verwendet wurde, anschaut, sieht man deutlich, wie frei die Definition von „Kennzeichen terroristischer und verfassungswidriger Organisationen“ gehandhabt wird. Klar wird das am Beispiel des Falls Zora. Am 20.12.2023 erfuhr die antikapitalistische Frauenorganisation Zora, begründet durch den gleichen Paragraphen, enorme Repressionen.

    Sie kritisierten in einem Flyer die Hamas und riefen dazu auf, „fortschrittliche Kräfte, wie zum Beispiel die PFLP (Popular Front for Liberation of Palestine) zu unterstützen. Aufgrund dieses Halbsatzes, der bloßen Nennung der PFLP wird ihnen der §86a vorgeworfen.

    Alexander Gorski, einer der Anwälte der Betroffenen, sprach bei der Pressekonferenz Zoras über die unverhältnismäßigen Repressionen gegen Palästina-Aktivismus. Er erwähnte, dass der §86a eher selten vor Gericht genutzt wird. Ihm zufolge zeige dies, wie der deutsche Staat einige, bisher eher unbekannte Paragraphen aus dem Register zieht.

    Was er ebenfalls in der Pressekonferenz hervorhob, war das Vorgehen der Polizei. Diese handele, als hätte man es mit Schwerverbrechern zu tun. Er kritisierte also die Unverhältnismäßigkeit des brutalen Vorgehens gegen die jungen Frauen. Laut Gorski ist in vielen Palästina-bezogenen Repressionsfällen die rechtliche Grundlage nicht erkennbar, außerdem seien die von der Staatsanwaltschaft genannten „Tatbestände“ eigentlich vom Artikel 5 der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit geschützt.

    Das Vorgehen des Staats ist weder Einzel- noch Zufall

    Unter dem Vorwand der „deutschen Staatsräson“ wird der Genozid am palästinensischen Volk durch den Apartheidsstaat Israel nicht nur ignoriert und geduldet, sondern sogar durch Waffenlieferungen unterstützt und vorangetrieben. Deutsche Rüstungskonzerne verdienen dabei durch die Ausweitung der deutschen Waffenlieferungen Milliarden.

    Waffen in die Ukraine, nach Israel und Westasien: Deutschland im Kriegsgeschäft

    Was aus allen Repressionsfällen klar hervorgeht, ist das willkürliche und brutale Vorgehen gegen Palästina-Solidarität, das seit dem 7. Oktober pausenlos stattfindet. Um den Widerstand gegen den von Israel verübten und von Deutschland unterstützten Völkermord zu unterdrücken, ist sich die BRD für nichts zu schade: Parolen werden verboten, das Versammlungsrecht eingeschränkt, Wohnungen gestürmt, Geräte beschlagnahmt, Demonstrant:innen nieder geknüppelt, Rassismus und Hass gegen Palästinenser:innen und Muslim:innen in den Medien verbreitet – zum Beispiel wenn FOCUS-Online von „Aggro-Arabern“ spricht oder die BILD von „gottlosen Barbaren“.

    Die Kriminalisierung der Palästina-solidarischen Bewegung ist nur ein Vorbote dessen, was der deutsche Staat in Zukunft für die politische Widerstandsbewegung bereithält: ein „Herumexperimentieren“ mit Versammlungsverboten und die Verwendung von selten genutzten Paragraphen zur Kriminalisierung und Schikane politisch Widerständiger.

    • Autorin bei Perspektive seit 2024. Schülerin aus Oberfranken, interessiert sich für Klassenkämpfe weltweit und die Frauenrevolution. Denn wie Alexandra Kollontai damals schon erkannte: Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus!

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