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Donnerstag, Juni 27, 2024
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    Ukrainische Geflüchtete: Kein Bürgergeld mehr, stattdessen an die Front?

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    In Potsdam tagt zurzeit die Innenministerkonferenz. Abschiebungen und Migrationspolitik sind dort ein zentrales Thema. So fordert Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen, kein Bürgergeld mehr für ukrainische Geflüchtete zu zahlen. Darüber hinaus müsse der Umgang mit „fahnenflüchtigen“ Ukrainern im wehrfähigen Alter geklärt werden.

    Funktion der Innenministerkonferenz

    Von Mittwoch bis Freitag tagt die Innenministerkonferenz in Potsdam. Dort treffen sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Innenminister:innen und -senator:innen der einzelnen Länder. Nur letztere sind jedoch stimmfähig und fällen Beschlüsse nach Konsensprinzip. Diese werden dann entweder in den einzelnen Ländern umgesetzt oder als Bitten an das Bundesinnenministerium formuliert.

    Bei der letzten Konferenz im Dezember wurde beispielsweise ein Arbeitskreis beauftragt, eine „automatisierte Recherche von Straftaten durch den gefahrengeneigten Klimaaktivismus“ zu ermöglichen. So sollen illegale Aktionen von Gruppen wie die „Letzte Generation“ leichter geahndet werden können. Ebenfalls wurde dort das Bundesinnenministerium (BMI) gebeten, Fragen zum „Existenzrecht Israels“ in den Einbürgerungstest miteinzubeziehen. Auch die Verschärfung der Abschiebepolitik war bereits im Dezember ein Kern der Konferenz: Das BMI wurde gebeten, die Möglichkeit von Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan zu prüfen.

    Union und FDP fordern: kein Bürgergeld für ukrainische Geflüchtete

    Der Vorsitzende der jetzigen Konferenz ist Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Stübgen bezeichnete die Zahlung von Bürgergeld an ukrainische Geflüchtete vor kurzem als grundsätzlichen Fehler und machte sie für die geringe Beschäftigungsquote von Ukrainer:innen in Deutschland verantwortlich. Das Bürgergeld sei somit ein „Bremsschuh für die Arbeitsaufnahme“.

    Auch die FDP fordert das Ende der Bürgergeldzahlungen an ukrainische Geflüchtete. Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erhofft sich davon, mehr Arbeitskräfte für bestimmte Berufe zu gewinnen: “Wir haben überall Arbeitskräftemangel – etwa in der Gastronomie, auf dem Bau oder in der Pflege. Wir sollten nicht länger mit dem Geld der Steuerzahler Arbeitslosigkeit finanzieren, sondern müssen dafür sorgen, dass die Menschen in Arbeit kommen”.

    Seit Juni 2022 erhalten Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld anstelle von Leistungen gemäß des Asylbewerbergesetzes. Der Landkreistag bezeichnete dies kürzlich als Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Gruppen von Geflüchteten. Tatsächlich erhalten Ukrainer:innen zum Teil mehr Geld, oder in Ländern wie Hamburg darüber hinaus Leistungen wie die kostenlose Nutzung des Nahverkehrs, was den Geflüchteten aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan verwehrt bleibt. Allerdings ist auch ein Großteil der arbeitenden Ukrainer:innen prekär beschäftigt, und das trotz oft hoher Bildungsabschlüsse. Während Unions- und FDP-Politiker:innen den Grund der niedrigen Beschäftigungsquote im Bürgergeld sehen, sind es oft die mangelnde Kinderversorgung und lange Wartezeiten für Sprachkurse, welche die Lohnarbeit für ukrainische Geflüchtete erschweren.

    Wehrpflichtige Ukrainer zurück an die Front?

    Besonders problematisch findet es Stübgen, wenn in Deutschland ukrainische Männer im wehrfähigen Alter Bürgergeld erhalten: „Es passt nicht zusammen, davon zu reden, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen und im gleichen Atemzug fahnenflüchtige Ukrainer zu alimentieren”. Er verlangt einen Kurswechsel von der Regierung. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herman (CSU) kündigte an, das Thema bei der Innenministerkonferenz ansprechen zu wollen. Dass wehrpflichtige Ukrainer in Deutschland Bürgergeld beziehen, sei „auch der deutschen Bevölkerung nicht mehr lange vermittelbar“.

    Es ist nicht das erste Mal, dass deutsche Politiker:innen die Einberufung ukrainischer Geflüchteter befürworten. Die ukrainische Regierung hat große Probleme bei der Rekrutierung von Soldat:innen und forderte im Dezember letzten Jahres Geflüchtete dazu auf, in die Ukraine zurückzukehren und der Armee beizutreten. Dies war verbunden mit der Erwartung an die Aufnahmeländer, Druck auf ukrainische Geflüchtete auszuüben, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul begrüßte dies: ukrainische Geflüchtete müssten „einfach einen Beitrag dazu leisten, dass dieser Krieg beendet wird”.

    Ein erneuter Appell an Wehrpflichtige wurde außerdem kürzlich vom ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba ausgesprochen: Man müsse, so Kuleba, mit den „richtigen Instrumenten und Interaktionen“ die Geflüchteten zur Rückkehr bewegen. Dies geht einher mit einigen Verschärfungen der Mobilisierungsregeln, die von der ukrainischen Regierung beschlossen wurden. Danach dürfen männliche Ukrainer zwischen 18 und 60 Jahren, die sich im Ausland befinden, Reisepässe künftig nur noch in der Ukraine selbst erhalten. Darüber hinaus sollen Kriegsdienstverweigerer härter bestraft und die Dauer des Wehrdienstes angehoben werden.

    Debatte über Abschiebungen

    Neben der Debatte um Bürgergeld für wehrpflichtige Ukrainer wird eine generell restriktivere Abschiebepolitik Thema auf der Innenministerkonferenz sein. So haben die Innenminister von Hessen und Baden-Württemberg, Roman Posek und Thomas Strobl (beide CDU), beantragt, Abschiebungen von Straftäter:innen nach Afghanistan und Syrien vorzubereiten. Auch Olaf Scholz hatte solche Abschiebungen in seiner jüngsten Regierungserklärung begrüßt. Parallel zur Innenministerkonferenz fand in Potsdam am 20. Juni eine antirassistische Demonstration für das Bleiberecht und den Schutz geflüchteter Menschen statt.

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