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Sonntag, April 28, 2024
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    „Die Arbeitsbedingungen von uns FahrerInnen sind katastrophal!“

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    Lohndumping, massiver Druck und überzogene Arbeitszeiten: Es gibt mehr als genug, was bei den Arbeitsbedingungen der BerufskraftfahrerInnen falsch läuft. – Einen Einblick zu den Problemen und Forderungen gibt das Interview mit Jan Gaede

    Wie würdest du die aktuellen Arbeitsbedingungen von BerufskraftfahrerInnen beschreiben?

    Allgemein als äußerst schwierig. Es gibt viele Situation, wo man gegen ein Gesetz verstoßen muss, um ein anderes einzuhalten. Beispielsweise, wenn die Fahrtzeit abläuft und du fährst Parkplatz für Parkplatz ab und findest einfach keine Parkmöglichkeit. Da hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du stellst dich auf dem Standstreifen, was immer wieder zu tödlichen Auffahrunfällen führt, oder du überziehst deine Fahrtzeit. Da besteht zwar die Möglichkeit, von der sogenannten Notstandsklausel gemäß EG/VO/561/2006 Gebrauch zu machen. Aber ob dich das vor einer Strafe schützt, steht auf ein anderen Blatt Papier geschrieben.
    Wenn du Pech hast, kommen die Beamten an mit: “Ja da müssen sie runter von der Autobahn fahren, dann müssen sie im Gewerbegebiet parken”. Also in den Gewerbegebieten, wo überall Parkverbot für LKW besteht. Dazu kommen die langen Arbeitszeiten. 13-15 Stunden Arbeitszeit sind im Fernverkehr absolut normal. Das sind allerdings die tatsächlichen Arbeitszeiten, nicht die offiziellen. Das bei Be- und Entladetätigkeiten der Fahrtenschreiber häufig auf Pause gestellt wird, ist in der Branche ein offenes Geheimnis.

    Was sind die größten Probleme in der Branche?

    Die größten Probleme fangen für mich mit dem Lohndumping an, welches die Existenz der westeuropäischen KollegInnen bedroht und den KollegInnen aus Osteuropa sklavenähnliche Arbeitsbedingungen einbringt. Die armen Schweine sind über Monate hinweg in ihren Fahrerhäusern eingesperrt und müssen mit einen erbärmlichen Monatslohn von gerade mal 700 Euro auskommen. Einer, der das aufgedeckt hat, ist der belgische Autobahnpolizist Raymond Lausberg: der von ihm festgestellte traurige Rekord sind sechs Monate in der Fahrerkabine.
    Auch der enorme Zeitdruck ist ein Riesenproblem. Bei Just-in-Time-Lieferungen müssen die Spediteure Vertragsstrafen zahlen, wenn es zur Verspätungen kommt. Dieser Zeitdruck sorgt dafür, dass die Verkehrssicherheit leidet. Aktuell wird bei den Schwerlastkontrollen eine Beanstandungsquote von ca. 80 Prozent verzeichnet. Viel schlimmer geht es also kaum noch.

    In der heutigen Zeit funktioniert kaum etwas ohne tägliche LKW-Lieferungen. Spiegelt sich diese Bedeutung in den Löhnen wider?

    Leider nicht wirklich. Mit 2.000 Netto inklusive Spesen ist man als FahrerIn abgespeist. Die geringe Wertschätzung unserer Arbeit ist ein zusätzliches Problem. Bei vielen Firmen werden wir behandelt wie Menschen dritter Klasse. Gerade bei vielen Discountern. Wartezeiten von drei Stunden trotz Termin sind hierbei nichts Besonderes.

    In den vergangenen Wochen gab es erste Proteste gegen diese Missstände. Was sind die konkreten Forderungen der FahrerInnen?

    Im Vordergrund standen die Forderungen für die Wiedereinführung von Frachttarifen. Damit soll verhindert werden, dass durch den Preisverfall immer mehr Firmen in die Pleite getrieben werden. Gleicher Lohn, gleiche Arbeit und am gleichen Ort soll garantiert werden. Die FahrerInnen aus Osteuropa sollen genau soviel verdienen wie wir.
    Eine weitere Forderung ist die Aussetzung der Kabotage, sprich, dass innerstaatliche Transporte durch ausländische Transporte nicht mehr durchgeführt werden – wobei das meiner Meinung nach nicht zwingend erforderlich ist, wenn die oben genannten Forderungen konsequent durchgesetzt werden. 
    Man muss auch wissen, dass bei der kürzlichen LKW-Demo in Berlin die FahrerInnen zusammen mit ihren Unternehmern protestiert haben, es war also kein reiner Protest der ArbeiterInnen. Dementsprechend gingen leider die Forderungen, die in erster Linie den Menschen hinterm Steuer gelten, unter. Da wär einmal der Parkplatzausbau, da laut BGL 30.000 Stellplätze fehlen; ein Verbot der GPS-Überwachung, um den Druck auf die Fahrer/innen zu entschärfen; spätestens nach 12 Tagen eine 60-Stunden-Pause zu Hause; Tariflöhne für alle FahrerInnen, die innerhalb der europäischen Union unterwegs sind.

    Wie könnte den Forderungen noch mehr Nachdruck verliehen werden, um diese umzusetzen?

    Das Thema muss endlich mehr Aufmerksamkeit bekommen. Es kann nicht sein, dass wir bei der Aufzählung der sogenannten „systemrelevanten Berufe“ fast immer übersehen werden. Wir TruckerInnen müssen endlich erkennen, was für eine Macht wir haben, wenn wir miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Und mit allen Menschen, die sich ein besseres Leben erkämpfen wollen, sollten wir den Schulterschluss suchen, denn ohne uns läuft nichts. Und dadurch könnte man mit organisierten FahrerInnen ganz andere Forderungen durchsetzen als dies bislang möglich ist.

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