30 Jahre ist die Ost-Erweiterung der Bundesrepublik Deutschland nun her. Das Ende der DDR war besiegelt. Besser geht es uns deshalb noch lange nicht. Und von einer „Deutschen Einheit“ zu sprechen, ist umso verlogener. – Ein Kommentar von Julius Strupp
Im November 1989 fiel die Mauer in Berlin. Ein Jahr später war die DDR Geschichte. Die BRD ging im Kalten Krieg als Sieger auf dem Schlachtfeld Deutschland hervor.
Doch das Leben der einfachen Menschen, der ArbeiterInnen in Ostdeutschland, war von Anfang an nicht von Belang für die westdeutschen KapitalistInnen, die sich mit Eifer daran machten, ihr Land zu verscherbeln.
Die BRD hatte einen angeblichen „Systemkampf“ gewonnen. Man war wieder wer in der Welt. Dass durch die Treuhand und die Abwicklung ostdeutscher Betriebe tausende Existenzen zerstört wurden, sollte im nationalistischen Taumel untergehen.
Die große Party fällt aus – Der Frust der Ostdeutschen bleibt
Die geplante große Party dieses Jubiläums in Potsdam fällt aufgrund der Corona-Pandemie aus. Dennoch strengt sich die Bundesregierung an, ihre Erzählung von der großen „Wiedervereinigung“, der „friedlichen Revolution“ zu vermitteln. In den Vordergrund wird dabei vor allem der Aspekt der „Freiheit“ gestellt, die viele Ostdeutsche nun hätten.
Und natürlich: Viele Menschen in den „neuen Bundesländern“ freuen sich über Reise- und Meinungsfreiheit. Doch was nützt die Freiheit, nach Hawaii fliegen können, wenn das Geld nicht einmal für die immer teurer werdenden Tickets im öffentlichen Nahverkehr reicht?
Im Osten herrscht unter vielen Menschen vor allem ein Gefühl des Abgehängtseins und der Perspektivlosigkeit. Große Betriebe wurden durch die Treuhand eingestampft. Die Großstädte schrumpften drastisch zusammen.
Aus Teilen Ostdeutschlands ziehen vor allem die Jugendlichen weg. Noch immer sind die Ausbildungschancen bedeutend schlechter, die Jugendarbeitslosigkeit, wie auch die allgemeine Arbeitslosenquote fallen im Osten traditionell schlechter aus als im bundesweiten Durchschnitt.
Abgehängte Regionen, aus denen sich die KapitalistInnen zurückziehen und somit den dort lebenden Menschen die Zukunftsperspektive rauben, gibt es jedoch längst nicht nur in Ostdeutschland. Das Ruhrgebiet und Teile von Niedersachsen gehören zu den ärmsten Regionen in diesem Land.
Deutschland bleibt gespalten – in Klassen
Bleibt die Frage: Wie sieht die gesamtdeutsche Realität aus? Was für ein Deutschland ist die Bundesrepublik seit der Annektion der DDR geworden? Sehen wir von den bürgerlich-demokratischen Rechten ab, die die BürgerInnen im Osten nun auf dem Papier haben, können wir zunächst erkennen, dass sie vor allem ein aggressiveres Deutschland ist.
Auf der Weltbühne tritt man wieder deutlich selbstbewusster und militaristischer auf. Im letzten Jahr wurde in keinem Land so sehr aufgerüstet wie in der BRD. Der Krieg im Kosovo war der erste Angriffskrieg, der seit dem zweiten Weltkrieg von deutschem Boden aus geführt wurde.
Außerdem werden überall auf der Welt Konflikte mit deutschen Rüstungsgütern ausgefochten. Einer der größten Nutznießer deutscher Waffenbaukunst ist dabei der faschistische Machthaber der Türkei, Erdoğan, der seit Jahren einen Krieg gegen das kurdische Volk und seine Befreiungsbewegung führt.
Die BRD ist zudem ein Land, in dem die Entstehung rechter Terrornetzwerke in den Reihen staatlicher Behörden gefördert wird. Und das nicht erst seit der Mordserie des NSU, deren Aufklärung seit dem Auffliegen der Terrorzelle von Polizei, Verfassungsschutz und Gerichten verhindert wird.
Doch der NSU war kein Einzelfall. Neben Morden und Massakern in Kassel, Halle und Hanau fliegen fast täglich neue faschistische Chatgruppen in den Reihen von Polizei und Bundeswehr auf, in denen sich auf den „Rassenkrieg“ vorbereitet wurde und wird – auch durch Bewaffnung.
Mag sein, dass es seit dreißig Jahren nur noch einen deutschen Staat gibt. Aber eine echte Einheit gibt es deswegen noch lange nicht. Ganz im Gegenteil. Das Land ist tief gespalten und zwar in arm und reich. Diese Grenze verläuft nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen den Klassen. Während drei Familien mehr als hundert Milliarden Euro besitzen, sollen hunderttausende ArbeiterInnen, die dieses Geld erwirtschaftet haben, nun in der Krise aufs Pflaster fliegen.
Uns kann es dreißig Jahre nach der „Deutschen Einheit“ nur darum gehen, diesen Zuständen den Kampf anzusagen, damit wir zukünftig in einem solidarischen, friedlichen und gerechten Deutschland leben können.