Am 28. Juni jährt sich der Stonewall-Aufstand zum zweiundfünfzigsten Mal. – Warum dieses historische Ereignis auch heute noch von außerordentlicher Bedeutung ist, erklärt Julius Strupp.
Alljährlich wird im Juni der „Pride Month“ begangen. Große Konzerne färben ihre Logos für einen Monat in den Farben der Regenbogenflagge oder bringen spezielle Produkte heraus. In vielen Großstädten finden Pride-Paraden und „Christopher Street Days“ statt. Die kämpferischen Wurzeln der LGBTI+ Bewegung geraten dabei mehr und mehr in Vergessenheit.
Ein Teil kämpferischer Geschichte der Unterdrückten
Das ist nicht nur schade, sondern von Seiten des Staats und der Konzerne, die diese Kampagnen durchführen, auch gewollt. Denn der Stonewall-Aufstand ist ein Teil kämpferischer Geschichte der Unterdrückten, die die Kapitalist:innen und ihre politischen Vertreter:innen am liebsten ausradieren würden.
Damals nahmen die Besucher:innen des LGBTI+-Szenelokals “Stonewall Inn” in New York City die Schikane der Polizist:innen auf Grundlage der damaligen homo- und transfeindlichen Gesetzgebung in den USA einfach nicht mehr hin und wehrten sich. In den folgenden Monaten und Jahren entstanden kämpferische LGBTI+ Organisationen – wie z.B. die Gay Liberation Front und viele andere -, die die Rechte erkämpften, die wir heute haben. Auch in Deutschland lenkte der Staat mit einer Abmilderung des berüchtigten Paragraphen 175 ein, wohl auch aus Angst vor ähnlichen Ereignissen im eigenen Land.
Dass die Stonewall-Aufstände also mehr und mehr in den Hintergrund rücken und keine Erwähnung auf den großen CSD-Paraden finden, ist nicht weiter verwunderlich. Nicht selten sind diese von staatlichen Fördergeldern abhängig. Und so wird es zur unbequemen Wahrheit, dass alles, was wir LGBTI+ Personen heute haben, diesem Staat mühsam im Kampf abgerungen werden musste.
Eine weitere unbequeme Wahrheit ist es, dass der Kampf um unsere Befreiung noch immer nicht abgeschlossen ist und auch nicht damit abgetan werden kann, dass es mit LGBTI+-Rechten anderswo ja noch schlechter aussehe. Die kürzlich verhinderte Abschaffung des erzreaktionären „Transsexuellengesetzes“ ist nur ein Beispiel für die hässliche Fratze der BRD.
Die Einheit der Unterdrückten und Ausgebeuteten schaffen!
Neben der organisatorischen und medialen Übermacht des Staates und der Großkonzerne ist auch die bürgerliche Ideologie in der LGBTI+-Bewegung vorherrschend, oft in Gestalt des “Postmodernismus”. Dabei handelt es sich um eine philosophische Strömung, der unter anderem Theoretiker:innen wie Michel Foucault oder Judith Butler zugerechnet werden können. Doch dieser kann uns auf dem Weg unserer Befreiung nicht helfen, da er auf die Zersplitterung der verschiedenen unterdrückten Gruppen in der Gesellschaft setzt.
Um unserer Unterdrückung jedoch ein Ende setzen zu können, müssen wir das System beseitigen, auf dessen Grundlage sie immer wieder gefestigt wird und entsteht. Dieses System ist der Kapitalismus, dessen Ausbeutung die meisten LGBTI+-Personen als Arbeiter:innen aufs schärfste kennenlernen. Wollen wir dieses System überwinden, bleibt uns deshalb nur eins: Die Einheit aller Unterdrückten und Ausgebeuteten. Dabei dürfen wir uns auch nicht von Reaktionären spalten lassen, die meinen, dass die Belange von LGBTI+-Personen von der Arbeiter:innenklasse nicht verstanden würden.
Die Geschichte liefert uns konkrete Beispiele, wie wir diese Spaltung überwinden können. Die Organisation „Lesbians and Gays Support the Miners“ (LGSM), eine schwule und lesbische Solidaritätsorganisation für den Bergarbeiter:innenstreik im Großbritannien der 80er-Jahre, ist nur ein Beispiel dafür.
An diese fortschrittliche Geschichte und den Stonewall-Aufstand gilt es anzuknüpfen und eine LGBTI+ Bewegung aufzubauen, die im Bündnis mit allen Unterdrückten und Ausgebeuteten den Kapitalismus hinwegfegt. In diesem Jahr sind Proteste angekündigt, die im Gegensatz zu den bürgerlichen „Christopher Street Days“ genau diesen Weg gehen wollen. Unter anderem sollen am 3. Juli um 16 Uhr in Frankfurt vor „MyZeil“ und am 28. Juni um 18:30 am Essener Hauptbahnhof Versammlungen stattfinden.
Doch auch über einzelne Proteste auf der Straße hinaus gilt es das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die gewöhnlichen Arbeiter:innen und die meisten LGBTI+-Personen wenig bis gar nichts trennt – nicht zuletzt, weil die Schnittmenge sehr groß ist und wir alle unter diesem System leiden, das uns keine sichere und würdevolle Zukunft bieten kann. Nutzen wir den Stonewall-Jahrestag also, um uns für unsere Rechte und Interessen als LGBTI+-Personen einzusetzen, an unsere kämpferische Geschichte anzuknüpfen und das Bündnis mit allen anderen kämpfenden Unterdrückten und Ausgebeuteten einzugehen.