Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland deuten an, zu welchen Bedingungen der Krieg in der Ukraine enden könnte und wie dies die politische Landkarte verändern würde. Ob und wann es zu einer Übereinkunft kommt, ist aber noch sehr unklar. Die NATO betrachtet derweil alte Verträge mit Russland als nichtig.
Zuletzt hatten sich sowohl der ukrainische Präsident Selenskij als auch der russische Außenminister vorsichtig optimistisch gezeigt und erfolgreichere Verhandlungen angedeutet. Zumindest scheinen die Verhandlungen Presseinformationen zufolge konkreter zu werden.
Die russischen Forderungen lauten, dass die Ukraine ihre Neutralität festschreibt und sich „demilitarisiert“. Wobei unklar ist, ob dies bedeuten soll, dass sie den Beitritt zu militärischen Bündnissen ausschließt oder zum Beispiel auch den Beitritt zur EU.
Außerdem verlangt Russland, dass die Ukraine die Halbinsel Krim als russisches Staatsgebiet anerkennt und die sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkennt.
Die Ukraine hingegen fordert den sofortigen Rückzug der russischen Truppen auf die Positionen, die sie vor dem 24. Februar hatten. Bisher sperrt sich die ukrainische Führung einer vollständigen Neutralität. Sie fordert Sicherheitsgarantien von den NATO-Staaten, die laut Expertenmeinung an den Charakter eines „kleinen Militärbündnisses“ heranreichen könnten.
Auch die Anerkennung der Volksrepubliken im Donbass dürfte ein erhebliches Problem für die ukrainische Führung sein, selbst wenn sie sich auf diesen Kompromiss einlassen wollen würde. Denn dieser „Gebietsverlust“ wäre gerade gegenüber den starken nationalistischen Kräften im eigenen Land schwer zu rechtfertigen.
Bisher jedenfalls gelingt es nicht einmal, eine stabile Waffenruhe auszuhandeln. Das verdeutlicht, wie weit entfernt voneinander die Positionen vermutlich noch sind, aber eben auch, dass beide Seiten vermutlich darauf hoffen, dass mit dem Weiterführen des Krieges die eigene Verhandlungsposition stärker wird.
Russland dürfte hier vor allem auf Gebietsgewinne setzen, sprich: auf die Eroberung weiterer wichtiger ukrainischer Städte. Der ukrainische Staat spekuliert vermutlich vor allem darauf, dass Russland unter wachsendem ökonomischen Druck, wegen lauter werdender Proteste in Russland und erodierender Truppenmoral in der russischen Armee zum Nachgeben gezwungen sein könnte.
Während die Verhandlungen der formellen Kriegsparteien sich also schwierig gestalten, kündigt die NATO – als indirekte Kriegspartei, die die Ukraine mit Geld und Waffen massiv unterstützt und stabilisiert – an, ihre Truppenpräsenz an der Grenze zu Russland dauerhaft und erheblich aufzustocken.
Die ständige Stationierung von NATO-Kampfverbänden in der russischen Grenzregion stellt dabei einen offenen Bruch mit der NATO-Russland-Grundakte dar. Dies geben NATO-Vertreter:innen auch offen zu, berufen sich jedoch darauf, dass Russland von der NATO nach dem Angriff auf die Ukraine die Einhaltung dieser Verträge nicht mehr verlangen könne.
Unklar ist jedoch noch, was diese Ankündigung konkret bedeuten wird. Die NATO-Russland-Grundakte schließt sowohl die dauerhafte Stationierung von NATO-Kampfverbänden an der Grenze zu Russland aus, als auch die Stationierung von Atomwaffen.
Die deutsche Bundeswehr begann bereits gestern mit der Verlegung von Patriot-Raketenabwehrsystemen in die Slowakei, nachdem dort erst am Dienstag das Parlament der Stationierung von NATO-Truppen zugestimmt hatte.