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Samstag, April 27, 2024
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    Uber-Files: US-Unternehmen kauft Politiker:innen und Wissenschaftler:innen

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    Zehntausende geleakte vertrauliche Unterlagen beweisen, wie das Fahrdienstunternehmen „Uber“ Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen wollte und dabei zahlreiche fragwürdige Methoden einsetzte. Zahlreiche namhafte Politiker:innen unterstützten diese aggressive Lobbykampagne.

    Über 124.000 vertrauliche Dokumente, darunter E-Mails, Präsentationen, Briefings und Textnachrichten, wurden der britischen Zeitung The Guardian von einer anonymen Quelle zugespielt. Sie betreffen die Praktiken des US-Konzerns Uber im Zeitraum von 2013 bis 2017, in der das Unternehmen maßgeblich weltweit expandierte.

    Die Unterlagen wurden in den letzten Monaten von mehreren Journalist:innen verschiedener Zeitungen ausgewertet, und das Ergebnis liegt nun vor. Demzufolge hat Uber zum eigenen Vorteil Einfluss auf die Gesetzgebung genommen, indem es mittels Lobbyarbeit Kontakt zu verschiedenen amtierenden Politker:innen aufnahm.

    EU-Politikerin als Verbündete

    So habe die liberale Politikerin Neelie Kroes, von 2010 bis 2014 Europäische Kommissarin für die digitale Agenda und zwischenzeitlich Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, sich für die Interessen des Unternehmens eingesetzt.

    Kurz nach ihrem Ausscheiden habe sich die Niederländerin dann um einen bezahlten Job im Beratungs-Board bei Uber bemüht und diesen auch bekommen. Dies ist laut EU-Regularien verboten, denn Kommissionsvertreter:innen müssen zuvor eine 18-monatige Karenzzeit einhalten, ehe sie Lobby-Jobs antreten dürfen.

    Aus den Unterlagen geht hervor, dass Kroes womöglich Einfluss auf die Regulierungsbehörden und die Polizei genommen hat, als diese Razzien und Ermittlungen in den Niederlanden gegen Uber durchführten. Die Beziehung zu Kroes wurde in internen Mails allerdings als „streng vertraulich“ deklariert, man wolle keine Debatte über „politische Drehtür und Vetternwirtschaft“ entzünden. Als politische Drehtür bezeichnet man das direkte Übergehen von ausscheidenden Politiker:innen in die Lobby-Arbeit.

    Kroes habe sich darüber hinaus darum bemüht, ein Treffen zwischen Uber und einem EU-Kommissar zu ermöglichen. Direkt nach der offiziellen Karenzzeit übernahm sie einen Berater-Job bei Uber, mit einem Jahresgehalt von 200.000 Dollar.

    SMS an Macron

    Als der Konzern 2014 auf den europäischen Markt vordringen wollte, musste es massiven Widerstand der Arbeiter:innen in der Taxibranche und nachfolgend auch der Gerichte und Behörden erfahren. Kurzzeitig wurden die Dienstleistungen des Fahrdienstunternehmens sogar verboten, etwa in der französischen Großstadt Marseille im Herbst 2015.

    Als Reaktion darauf wandte sich der Chef-Lobbyist von Uber via SMS an den damaligen Wirtschaftsminister von Frankreich, den heutige Präsidenten Emmanuel Macron. Dieser antwortete zeitnah: „Ich werde mir die Sache persönlich anschauen. Lasst uns erstmal ruhig bleiben.“ Zwar ist umstritten, inwieweit Macron wirklich Einfluss auf dieses Verbot nahm, allerdings wurde die Verordnung noch am gleichen Tag entschärft.

    Auch darüber hinaus traf sich Macron mehrmals mit Vertreter:innen von Uber und wurde in den Files für seinen „bemerkenswert warmherzigen“ Empfang gelobt. Der Sprecher des Präsidenten ließ auf Nachfrage verlauten, dass der französische Dienstleistungssektor sich damals im Umbruch befunden habe, weshalb sich Macron mit vielen Firmen getroffen habe.

    Freund:innen auch in Deutschland

    In Deutschland hatte das Unternehmen sowohl Kontakt zu dem FDP-Politiker Otto Fricke als auch zu verschiedenen Journalist:innen und Wissenschaftler:innen.

    Über den Kontakt zu Fricke kam es zu Gesprächen mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, Jens Spahn (CDU) und der Staatssekretärin im Verkehrsministerium, Dorothee Bär (CSU). Durch die Unterlagen wird offengelegt, dass Letztere einer Veränderung des Personenbeförderungsgesetzes im Sinne Ubers zustimmte. In den geleakten Unterlagen wird der rege Kontakt zwischen Fricke und Ubers Chef-Lobbyisten für Europa deutlich: „Du hast das Sagen, mein Freund“ schrieb es unter anderem an den FDP-Politiker.

    Das Unternehmen hatte in Deutschland zudem Kontakt mit dem bekannten Ökonom Justus Haucap, der für Uber eine Auftragsstudie und mehrere Zeitungsartikel verfasste, die den Konzern in ein gutes Licht rücken sollten.

    Kritik an Seitenwechsel zwischen Politik und Lobbyismus

    Kritiker:innen bemängeln schon länger, dass frühere Spitzenpolitiker:innen ihr aufgebautes politisches Netzwerk zahlungskräftigen Unternehmen zur Verfügung stellen. Die dagegen eingesetzten Karenz-Zzeiten würden das Problem nicht lösen, denn viele Politiker:innen würden diese Zeit sowieso ignorieren.

    Darüber hinaus betonen kritische Stimmen die Verflechtung von Staat und Kapital, der systematisch und parteiübergreifend die Interessen der Unternehmen vertreten würde, während die Belange der Arbeitenden ungehört blieben.

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