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Dienstag, März 19, 2024
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    Unsere feministische Außenpolitik ist internationale Frauensolidarität

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    “Feministische Außenpolitik” ist ein – zurecht – viel kritisiertes ‘Buzzword’ der Ampelregierung. Bisher konnte diese sich darauf berufen, dass der Gedanke noch mit konkreten Zielen zu füllen wäre. Nun stellt die Außenministerin jedoch Leitsätze vor, die keinerlei Kritik aus dem Weg räumen. – Ein Kommentar von Olga Wolf

    Rechte, Repräsentanz, Ressourcen – das sind die drei “R”, die Außenministerin Baerbock zu  den Leitlinien der feministischen Außenpolitik erklärt. Bedeutend konkreter wird es nicht, und so bleibt die lang erwartete Rede zu den Grundpfeilern einer „neuen Außenpolitik“ in erster Linie eine Rede zum Wohlfühlen für alle zuhörenden Abgeordneten. Denn sie gibt dem, was deutsche Außenpolitik schon seit Jahren ist, einen legitimen und zeitgemäßen Anstrich.

    Es gehe ums „Zuhören“ und „voneinander Lernen“ für eine „Politik für alle, ob laut oder leise“.

    Deutschland profitiert

    „Ökonomen sehen ein globales Wachstum von 26 Prozent in drei Jahren, wenn Frauen weltweit gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teilhätten.“ Feministische Außenpolitik hat in einer globalisierten Welt also das Ziel, Frauen weltweit als Arbeitskräfte zu nutzen.

    Frauen arbeiten überall auf der Welt, vorwiegend jedoch in unbezahlten, versorgenden Arbeiten. In vielen Teilen der Welt sind Frauen vor allem in familiennahen Betrieben beschäftigt, was für sie zwar eine mehrfache Belastung, aber kaum ökonomische Eigenständigkeit bedeutet. Von vermehrter Teilhabe am Arbeitsmarkt auf eine Verbesserung der Situation von Frauen weltweit zu schließen, ist auch deswegen verlogen.

    „Deshalb ist Gender-Budgeting auch in unserem eigenen ökonomischen Interesse.“, erklärt Baerbock dazu.

    Feminismus auf der Münchener SIKO

    Baerbock spricht davon, zu lernen, statt zu missionieren. Mexiko und Ruanda führt sie als Beispiel an, wo Frauen tatsächlich im Parlament viel stärker repräsentiert sind als in Deutschland. Im nächsten Moment erläutert sie feministische Außenpolitik anhand der katastrophalen Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan nach erneuter Machtergreifung der Taliban.

    In dem Augenblick scheint sie schon vergessen zu haben, was sie mit „reflektieren und lernen“ meinte. Denn sie wertet nicht etwa kritisch aus, welchen nachhaltigen Schaden die Anwesenheit der Bundeswehr dort in drei Jahrzehnten hinterlassen hat. Sie zieht keine Schlüsse über Abrüstung und für eine harte Politik gegen deutsche Auslandseinsätze. Stattdessen sei die Münchener Sicherheitskonferenz – ein Ort, an dem Hochrüstung und Militarisierung vorangetrieben werden – ein hervorragender Ort für Amtsträgerinnen, sich feministisch auszutauschen.

    „Gerade bei der Münchner Sicherheitskonferenz haben sich viele von uns getroffen – von rund um den Globus, von Spanien bis nach Chile und Kanada. Und auf der Münchener Sicherheitskonferenz hat mir meine Kollegin aus der Mongolei gesagt, dass sie im Juni zur feministischen Außenpolitik eine Konferenz veranstaltet, weil ihr Land als erster asiatischer Staat eine solche feministische Außenpolitik verfolgt.“

    Das einzig konkrete Beispiel allerdings, das Außenministerin Baerbock für feministische Außenpolitik anführt, ist die Kürzung der Lebensmittelhilfen für Familien in Afghanistan. „Frauen und Kinder hungern zu lassen, um den Taliban Feminismus beizubringen, ist aber nicht feministisch, sondern schlicht und ergreifend unmenschlich.“, erklärt dann auch Jasamin Ulfat-Seddiqzai in einer Stellungnahme für den Deutschlandfunk.

    Sicherheit für Frauen ist Sicherheit für Alle

    „Wenn Frauen nicht sicher sind, dann ist niemand sicher. Was aber auch wahr ist: Wo Frauen sicher sind, dort sind wir alle sicherer.“ Diesen Satz wiederholt die Außenministerin immer wieder. Die eigene Verantwortung an der Unsicherheit vieler Frauen übernimmt Baerbock als deutsches Regierungsmitglied jedoch nicht.

    Im Innenministerium nämlich sorgt ein Sonderbeauftragter für Abschiebungen nun mit zwischenstaatlichen Verhandlungen für einfachere Abschiebebedingungen – ein gemeinsames Aufgabengebiet von Außen- und Innenpolitik. Die Regierung, die feministische Außenpolitik verspricht, handelt Deals für einfachere Abschiebungen aus – etwa für Frauen, die aus berechtigter Angst vor dem Kopftuchzwang fliehen. Der staatliche Mord an Jina Amini ist ein Resultat dieses Kopftuchzwangs, dennoch immer noch kein anerkannter Asylgrund.

    Internationale Frauensolidarität

    „Feministische Außenpolitik ist also kein Kampfbegriff, sondern leitet sich bei uns aus dem Grundgesetz ab.“, so leitet Baerbock ihre Rede ein. Politik für die Frauenbefreiung muss jedoch eine Kampfansage sein! Denn das Patriarchat ist stabil und flexibel. Wir machen keine Frauenpolitik mit der Ansage „Keine Sorge, so viel wollen wir gar nicht“.

    Unsere feministische Außenpolitik ist schon seit jeher die internationale Frauensolidarität. Unsere Solidarität gilt den widerständigen Frauen weltweit – in Rojava, in Indien, im Iran, in Afghanistan, auch und gerade dann, wenn die deutsche feministische Außenpolitik ihre Kämpfe zu brechen versucht.

    • Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

    • Perspektive-Autorin seit 2017, Redakteurin seit 2018. Aus dem Rheinland, Sozialwissenschaftlerin. Schreibt am liebsten über das Patriarchat und internationale Frauensolidarität dagegen.

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