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Sonntag, April 28, 2024
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    „Wir fordern Bleiberecht für alle!“ – Interview mit der Initiative “Abschiebezentrum BER verhindern”

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    Am Hauptstadtflughafen BER soll bis 2026 ein Abschiebezentrum entstehen. Dagegen regt sich Widerstand: In der Nähe des Flughafens fand deshalb in den vergangenen Tagen ein Protestcamp statt. Wir haben mit einer Aktivistin gesprochen.

    Schon heute finden regelmäßig Sammelabschiebungen vom Flughafen BER aus statt. Erst vor kurzem einigten sich Politiker:innen auf eine massive Verschärfung des Asylrechts. Damit in Zukunft noch mehr abgeschoben werden kann, entsteht bei Berlin ein sog. Abschiebezentrum mit Vorbildcharakter für andere Kommunen. In der Erklärung der Eckpunkte des geplanten Baus eines „Ein- und Ausreisezentrums“ sagte der damalige Bundesinnenminister Seehofer, dass verschiedene Behörden bei den Entscheidungen und Durchführungen von Abschiebungen künftig an einem Strang ziehen müssten. Das neue Zentrum schafft dementsprechend kurze Wege zwischen Justiz-, Gewahrsams- und Transitgebäuden und bietet Platz für Positionen der Bundespolizei und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

    Vom 01. bis zum 06. Juni fand in unmittelbarer Nähe des Geländes, auf dem das Zentrum errichtet werden soll, ein Protestcamp der Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ statt, am 05. Juni demonstrierten viele Teilnehmende in Schönefeld und am Flughafengelände offen gegen den geplanten Bau https://abschiebezentrumverhindern.noblogs.org/camp-2023/. Wir haben mit Amy, einer Aktivistin der Initiative, ein kurzes Interview geführt.

    Danke, dass ihr euch für das Interview Zeit genommen habt. Könnt ihr euch bitte kurz vorstellen? Wer seid ihr und warum habt ihr das Protestcamp organisiert?

    Wir sind die Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“, die sich gegen den Bau des Abschiebegefängnisses am Terminal 5 des Flughafen BER einsetzt. Wir haben das Protestcamp organisiert, um über die Abschiebepraxis und ihre Folgen aufzuklären und uns innerhalb von unterschiedlichen Organisationen zu vernetzen und gemeinsam zu organisieren.

    Was passierte alles beim Camp? Welches Fazit zieht ihr?

    Es fanden zahlreiche Workshops und Veranstaltung statt, die einerseits aufklären und weiterbilden, aber auch unterhalten. Im Camp leben wir friedlich zusammen und leben das Ideal einer Gesellschaft von Offenheit und Akzeptanz.

    Als Fazit ziehen wir, dass es ein großes Interesse daran gibt, über Themen wie Asyl und Abschiebungen gemeinsam zu lernen. Und dass Menschen bereit sind, kilometerweit zu reisen, um solche Bildungs- und Vernetzungsangebote, aber auch Angebote zum Protest, wahrzunehmen, wenn es sie gibt.

    Im Vorhinein gab es Repression durch die Behörden. Was genau ist passiert und wie bewertet ihr das?

    Die erste Campfläche, die wir beantragt hatten, wurde aufgrund einer möglichen Munitionsbelastung, also dem Vorkommen von Weltkriegsbomben, abgelehnt. Die zweite Fläche am Kiekebusch-See wurde eine Woche vor dem Camp unter anderem wegen der Bedenken bezüglich des „Biotop- und Artenschutzes“ und der „Flugsicherheit“ nicht gestattet. Darin haben wir eine klar politisch motivierte Blockade gesehen, da diese Fläche auch für Festivals und kommerzielle Quad-Gruppentouren genutzt werden darf. Natürlich ist da vollkommen unverständlich, inwiefern ein Camp eine größere Belastung darstellen sollte als andere Veranstaltungen.

    Wir sind also vor Gericht gezogen und uns wurde vom Verwaltungsgericht Potsdam recht gegeben. Das Polizeipräsidium hat das Anliegen dann an die nächsthöhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht, gebracht, aber auch da wurde uns sehr schnell und sehr eindeutig recht gegeben. Offensichtlich wurde also mit falschen Vorwänden versucht, dieses Camp zu verhindern. Und daran sieht man sehr deutlich, dass es unverhohlenen politischen Widerstand gibt, wenn es darum geht, über Abschiebungen aufzuklären und über die menschenverachtende Art und Weise, wie wir in Deutschland und der EU mit Geflüchteten umgehen.

    Als wir das Camp aufgebaut haben, kam es auch zu Ausweiskontrollen unter den Helfenden und gerade, während des Camps, sehen wir eine unverhältnismäßig hohe Polizeipräsenz. Wenn man berücksichtigt, dass unter den Besucher*innen Menschen sind, die Auseinandersetzungen mit der Polizei wegen ihres Aufenthaltsstatus unter allen Umständen vermeiden wollen, ist das nur als Sabotage und Schikane zu bezeichnen.

    Das Camp und der Protest richten sich ja gegen ein konkretes Vorhaben der Regierung. Wie können wir die unmenschliche Migrationspolitik der BRD insgesamt verändern? Wie geht es weiter?

    Das Camp und die Initiative stellen sich klar gegen den Bau des Abschiebegefängnisses und fordern vom Bund, aber auch vor allem von der Landesregierung in Brandenburg und der Gemeinde Schönefeld, dass der Bau sofort gestoppt wird.

    Das ist aber noch nicht alles. Wir fordern ein Bleiberecht für alle, und dass Abschiebungen allgemein abgeschafft werden.

    Mit dem Camp appellieren wir auch ausdrücklich an die Öffentlichkeit und die Menschen in Schönefeld, Brandenburg und Berlin, dass sie dieses Bauvorhaben ablehnen und sich unserem Protest anschließen. Denn wenn wir öffentlichen Druck aufbauen, dadurch, dass Menschen überhaupt erst einmal davon erfahren, was hier in Schönefeld, aber auch in ganz Deutschland passieren soll, können wir die Regierung dazu bewegen, von ihren menschenunwürdigen Plänen abzulassen und auch den Ton der anstehenden Verhandlungen auf EU-Ebene zu verändern.

    Bis das passiert, werden wir laut sein. Unser Protest wird nicht abbrechen, solange unsere Forderungen nicht erfüllt sind.

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