`
Montag, April 29, 2024
More

    BAföG-Kürzung: Chancengleichheit bald nur noch für Reiche?

    Teilen

    Vergessen ist das Versprechen der deutschen Regierung, das Recht einer:s jeden auf Bildung zu gewährleisten – so wie es eigentlich im Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehalten ist. Bereits am vergangenen Mittwoch wurde der Haushaltsentwurf für 2024 im Bundeskabinett beschlossen. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass die Mittel für das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) schrumpfen sollen. Die Kürzungen zeigen eines besonders deutlich: die Krisenlasten werden weiterhin auf die Schultern der Jugend abgewälzt.

    Im kommenden Jahr will die Bundesregierung 440 Millionen Euro bei den Leistungen nach dem BAföG einsparen. Statt der diesjährigen Fördersumme von 1,8 Milliarden Euro werden für das Jahr 2024 nur noch 1,4 Milliarden Euro veranschlagt.

    Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert hierzu scharf, dass die BAföG-Bedarfssätze schon jetzt deutlich unter dem Existenzminimum lägen. Ein Sprecher des Bildungsministeriums erklärt dem entgegen: Die Zahlen entsprächen der aktuellen “Bedarfsprognose” auf Basis der geltenden Rechtslage. Daher würden die Leistungen keineswegs gekürzt. Warum? Die Regierung scheint wohl davon auszugehen, dass künftig weniger Studierende und Fachschüler:innen überhaupt BAföG beziehen werden, weshalb mit einer geringen Anzahl an Personen kalkuliert wird, auf die sich das Geld verteilen würde. Diesen Missstand aber hat sie selbst verursacht.

    Dass sich an den Anspruchsberechtigungen und der BAföG-Höhe zunächst nichts ändern soll, ist kein Trost. Denn das BAföG, gedacht als zentrales Instrument zur Herstellung größerer Chancengerechtigkeit im Bildungssystem, ist schon lange unzureichend. Allein in den letzten zehn Jahren ist die Quote der BAföG-Studierenden von knapp 30% auf 11% gesunken.

    Wo liegt das Problem?

    Das deutsche Bildungssystem zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass kräftig nach Geldbeutel der Herkunftsfamilie „sortiert“ wird: Obwohl immer mehr Studierende an den Unis und Fachhochschulen eingeschrieben sind, sinkt die Zahl der BAföG-Empfänger:innen. Das liegt unter anderem daran, dass die BAföG-Freibeträge und Bedarfssätze nicht an die derzeitigen Lebenswirklichkeiten angepasst wurden und strukturell zu niedrig angesetzt sind. Internationalen und geflüchteten Studierenden wird zudem der Zugang zum BAföG durch bürokratische Hürden und rassistische Aufenthaltsgesetze erschwert.

    Rund eine Million Studierende – das sind mehr als ein Drittel aller Studierenden in Deutschland – leben in finanziell prekären Verhältnissen, so Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des “Deutschen Studierendenwerks” und scharfer Kritiker der Sparmaßnahmen. Die steigenden Miet- und Lebensmittelpreise stellten diese Studierenden, welche im Monat über weniger als 800 Euro verfügen, vor die Frage, was ihnen wichtiger sei: zu leben oder zu studieren.

    Wie kann es sein, dass sich Student:innen zwischen einem Studium in Regelstudienzeit – die ihnen erst weitere Förderung garantiert – und überlebensnotwendigem Nebenjob entscheiden müssen? Während die Regierung Milliarden für die Militarisierung verprasst, und die Rekrutierung junger Menschen für die Bundeswehr voran treibt, wirken sich die BAföG-Kürzungen direkt negativ auf die Lebensbedingungen vieler Arbeiter:innenkinder, Migrant:innen, und junger Menschen aus ärmeren Teilen der Bevölkerung aus, die logischerweise von den Sparmaßnahmen besonders betroffen sind.

    Was heißt das?

    Studieren wird somit in Zukunft noch mehr zum Privileg und ist vom Einkommen der Eltern abhängig. Das bedeutet auch: es wird mehr junge Menschen geben, die ein Studium aus finanziellen Gründen gar nicht erst in Erwägung ziehen und sich bewusst dagegen entscheiden oder ihr Studium aufgrund finanzieller Sorgen abbrechen müssen.

    Demnach sind die Kürzungen nichts anderes als eine Methode, Menschen aus ärmeren Familien von akademischer Bildung und den dadurch ermöglichten Höherverdiener-Berufen auszuschließen – und zugleich arme Studierende in schlecht bezahle Jobs zu drängen.

    Soziale Hierarchien werden sich somit noch mehr verfestigen. Die kurzsichtige BAföG-Reform im letzten Jahr und die vorgesehenen Kürzungen im nächsten Bundeshaushalt zeigen, wie wenig die Regierung daran interessiert ist, armutsbetroffene Student:innen real zu unterstützen.

    Was nun?

    Die “Hochschulrektorenkonferenz” (HRK) und das “Deutsche Studierendenwerk” (DSW) fordern deshalb in einem Appell an die Bundesregierung eine zeitnahe Strukturreform des BAföG: „Immer noch finden zu wenige Heranwachsende aus den unteren Einkommensgruppen, häufig aus Familien, in denen kein Elternteil ein Hochschulstudium absolviert hat, den Weg an die Hochschule.“, so HRK-Präsident Prof. Dr. Walter Rosenthal. Selbst die Jugendorganisationen der Ampel bangen um ihre Anhängerschaft und haben zu Protesten gegen die Kürzungspläne ihrer eigenen Regierung beim BAföG aufgerufen.

    Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine tiefgreifende Reform des BAföGs ausreichend ist, wenn sie am Ende nur dazu führt, dass ein System, das die Bildung den Interessen der Kapitalist:innen unterordnet, aufrecht erhalten bleibt. Fest steht: Um uns auch in Zukunft gegen solche Maßnahmen zu wehren, müssen wir uns organisieren! Studierende warten nicht erst seit dem Ende der Pandemie auf dringend benötigte Unterstützung! Von der Ampel-Koalition bleibt diese jedoch weiterhin aus.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News