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Montag, April 29, 2024
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    Merz will mit AfD in Kommunen “gemeinsam gestalten” – in ostdeutschen Landesverbänden wird schon mehr geplant

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    Am Sonntag sorgte CDU-Chef Merz mit einem Interview für Aufsehen. Dort hatte er erklärt, dass man auf kommunaler Ebene zusammen mit der faschistischen Partei AfD das Land „gemeinsam gestalten“ solle. Seitdem ebbt die Debatte um seine Aussagen nicht ab. Dabei arbeitet Merz bereits seit Jahren systematisch an einem Rechtsruck in Deutschland. In den ostdeutschen Landesverbänden wird die Kooperation mit der AfD derweil schon vorbereitet. – Eine Einschätzung von Tim Losowksy.

    Die CDU ist nach aktuellen Wahlumfragen die derzeit stärkste Partei in Deutschland. Sie wird von Friedrich Merz geführt. Der Erzfeind der ehemaligen CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel steht für ein rechtes Programm.

    Schon im Im Jahr 2000 führte er den Begriff der deutschen „Leitkultur“ in die politische Debatte ein. Merz saß insgesamt 20 Jahre lang für die CDU im Europaparlament und im Bundestag, wo er zwei Jahre Fraktionsvorsitzender war. Seit Januar 2022 ist er sogar Chef der CDU.

    Der CDU-Vorsitzende steht beispielhaft für das Verwachsen von Kapital und Staat. Er war Deutschland-Chef des größten Vermögensverwalters der Welt, von “Blackrock”. Zudem gründete er die von Kapitalverbänden getragenen “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (INSM) mit und ist in mehreren transatlantischen Think-Tanks aktiv.

    2011 brachte Hans-Olaf Henkel, der Ex-Chef des Kapitalverbands “Bund Deutscher Industrieller” (BDI), Friedrich Merz als Anführer einer neuen Partei rechts der CDU ins Spiel. Merz blieb jedoch bei der CDU. Henkel wurde stattdessen Mitbegründer der AfD. Doch Beide scheinen sich in der Notwendigkeit einer rechten Regierung für Deutschland einig zu sein.

    Die Merz’sche Doppelstrategie

    Während Merz sich vordergründig radikal von der AfD abgrenzt, treibt er faktisch eine Annäherung der CDU an die AfD voran: Ende 2018 bezeichnete er beispielsweise die AfD auf der einen Seite als „offen nationalsozialistisch“, um dann keine sechs Monate später einen „unaufgeregten Umgang“ mit der faschistischen Partei zu fordern. Er erklärte: „Ich hätte auch längst im Deutschen Bundestag einen Vizepräsidenten der AfD gewählt“.

    Dieses Vorgehen zeigt sich auch jetzt wieder in einer Doppelstrategie: mit seiner Unterstützung äußerst rechter Parolen, um rechte Wähler an die CDU zu binden, bei gleichzeitiger Aufweichung der viel beschriebenen „Brandmauer“ hin zur AfD – die mittlerweile in der politischen Realität in Deutschland dazu gehört – und bei der viele Schnittmengen mit der CDU zu finden sind.

    Merz für “gemeinsames Gestalten” zusammen mit der AfD

    Besonders in den letzten zwei Wochen ist zu beobachten, wie er mit dieser “Strategie” rechts nach vorne prescht: Am 21. Juli bezeichnete er sogar die CDU als „Alternative für Deutschland mit Substanz“. Zwei Tage später erklärte er dann im „Sommerinterview“ des ZDF folgendes:

    „Auf der kommunalen Ebene ist die Parteipolitisierung ohnehin ein bisschen zu weit voran geschritten. Es ist in Thüringen jetzt ein Landrat gewählt worden und natürlich ist das eine demokratische Wahl. Es ist in Sachsen-Anhalt in einer kleinen Gemeinde ein Bürgermeister gewählt worden, der der AfD angehört und natürlich ist das eine demokratische Wahl, das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam, die Stand, das Land, den Landkreis gestaltet.“

    Ginge es nach Merz, muss man also nicht nur eine demokratische Wahl eines Faschisten akzeptieren – so wie es die Konservativen etwa mit Hitler 1933 getan haben – sondern auf kommunaler Ebene sogar „gemeinsam gestalten“.

    “Wehret den Anfängen”

    Merz’ Aussagen waren der Punkt, an dem seine Aussagen dem Merkel-Flügel in der CDU dann doch zu weit gingen: „Wehret den Anfängen“, warnte Tobias Hans, der ehemalige Ministerpräsident des Saarlands – eine klare Bezugnahme auf die deutsche NS-Vergangenheit. Merz erklärte nur, er sei missverstanden worden. Doch so richtig ist das nicht.

    Schon am 16. Juni hatte er auf dem CDU-Parteikonvent erklärt: „Es wird für uns weder im Euopaparlament, noch im deutschen Bundestag, noch in irgendeinem Landtag in Deutschland eine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben. Es wird sie nicht geben.“ Dem aufmerksamen Zuhörer mag damals schon aufgefallen sein, dass er das Kommunalparlament explizit nicht anspricht.

    Seine Aussagen gingen in der Debatte um Claudia Pechsteins Auftritt unter, die gegen Gender-Sternchen und Migrant:innen hetzte. Merz bezeichnete die vollkommen unsicher vorgetragene Rede im Anschluss als „brilliant“

    Friedrich Merz ist derjenige, der den Boden für eine Zusammenarbeit mit der AfD bereitet. Dass er nach all seinen öffentlichen Beteuerungen derjenige sein wird, der die Koalition auf Landesebene forcieren wird, bleibt dabei offen – immerhin würde das die Anerkennung bedeuten, dass es auch auf Landesebene eine “gestaltungsfähige” Kraft rechts der CDU gäbe.

    “Die ostdeutschen Landesverbände kann der Merz sowieso nicht mehr einfangen”

    Doch diese Aufgabe könnten auch andere für ihn übernehmen: Im Spiegel-Podcast „Stimmenfang“ wurde dazu der SPD-Politiker Andreas Langethal-Heerlein interviewt. Er sitzt im Landkreis Sonneberg, wo zum ersten Mal jetzt gerade ein AfD-Landrat gewählt wurde.

    Auf die Frage des Spiegel-Journalisten, „Glauben Sie, dass Merz und die CDU in Versuchung geraten, mit der AfD zusammenzuarbeiten?“, antwortete dieser: „Ich geh’ auch davon aus. Weil, die ostdeutschen Landesverbände kann der Merz sowieso nicht mehr einfangen. Die ostdeutschen Landesverbände machen, was sie wollen. Ich denk’ mal, es gibt schon auch in Thüringen hier hinter vorgehaltener Hand ‘ne Bereitschaft, mit der AfD zusammenzuarbeiten, und er wollte da vielleicht ein bisschen gegensteuern.“

    Das passt auch mit dem zusammen, was die Faschisten selber diskutieren: „Es wird damit anfangen, dass ein CDU-Mann im Osten ihm die Gefolgschaft aufkündigt“, erklärte der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland Anfang Juli in der Springer-Zeitung Welt. Das hält Gauland nicht mehr für ausgeschlossen.

    Und tatächlich wagen sich hier bereits eine Reihe an Personen hervor: In Sachsen forderte der CDU-Ministerpräsident Kretschmann jüngst bereits einen „pragmatischen Umgang“ mit den AfD-Faschisten. Und in Bauzen hatte die CDU bereits im Jahr 2019 einen AfD-Politiker zum Vize-Landrat mit bestimmt. Eine “Brandmauer” gibt es hier also nicht.

    • Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

    • Perspektive-Autor und -Redakteur seit 2017. Schwerpunkte sind Geostrategie, Rechter Terror und Mieter:innenkämpfe. Motto: "Einzeln und Frei wie ein Baum und gleichzeitig Geschwisterlich wie ein Wald."

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