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Sonntag, April 28, 2024
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    Hubert Aiwanger: Vom Nazi-Flyer zu den Freien Wählern

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    Hubert Aiwanger wurde mit einem Nazi-Flyer in Verbindung gebracht. Jetzt schiebt er alles auf seinen Bruder. Den Flyer bezeichnet er heute als „menschenverachtend“ und er distanziert sich öffentlich. In der Politik der Freien Wähler sieht man davon aber nichts, ganz im Gegenteil – Ein Kommentar von Fridolin Tschernig

    Ein 35 Jahre alter Flyer aus dem Umfeld von Hubert Aiwanger, dem Landes- und Bundesvorsitzenden der Freien Wähler, gelangte vor wenigen Tagen an die Öffentlichkeit. In dem Text wird geschrieben, dass alle „Vaterlandsverräter“ erschossen, vergast, gefoltert und verbrannt gehören. Aiwangers Bruder hat sich nun als Bauernopfer schützend vor den Politiker geworfen und gab zu Protokoll, dass er damals einfach ein bisschen wütend auf die Schule gewesen sei.

    Auch Hubert Aiwanger – heute Bayerns Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef – hatte damals etwas Ärger von der Schuldirektion bekommen und damit war die Sache dann gegessen. Bestritten hatte der Vize-Ministerpräsident von Bayern die Erstellung bis vor wenigen Tagen aber nie.

    Der Inhalt des Flyers

    Der Text aus dem Jahr 1987 sollte eine satirische Antwort auf einen damaligen Geschichtswettbewerb des Gymnasiums darstellen. Es werde nämlich „der größte Landesverräter“ gesucht. Als Anmeldeschluss wird der „1.1.88“ genannt, was sowohl auf das darauffolgende Jahr hindeutet als auch gängige Nazi-Codes beinhaltet. Übersetzt man diese Zahlen in die Buchstaben des Alphabets, entsprechen sie den Initialen Adolf Hitlers und dem Hitler-Gruß ( A.H,H.H). Genutzt werden diese Abkürzungen beispielsweise auch von der faschistischen Terror-Organisation „Combat 18“.

    Weiter im Text: Nach dem Anmeldeschluss werden die „Belohnungen“ für die ersten 1.000 Plätze bekannt gegeben. Darunter „ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“ , „ein kostenloser Genickschuss“ und „eine Nacht im Gestapokeller, dann ab nach Dachau“. Die Gewinner würden alle im Laufe des nächsten Jahres abgeholt werden.

    Der 17-jährige Aiwanger hatte also damals ein faschistisches Flugblatt mindestens in der Hand, in dem die industrielle Vernichtung von Jüd:innen, Kommunist:innen, Homosexuellen und vielen weiteren lächerlich gemacht wird und in dem dann dazu aufgerufen wird, die gleichen Folter- und Tötungsmethoden der Hitler-Faschist:innen gegen alle „Vaterlandsverräter“ einzusetzen.

    Alles eine Jugendsünde?

    Jetzt sagt der Vorsitzende der Freien Wähler, 6 Wochen vor der nächsten Landtagswahl in Bayern, dass er den Inhalt „ekelhaft und menschenverachtend“ finde. Aiwanger habe sich sogar vor dem erweiterten Vorstand seiner eigenen Partei ganz glaubwürdig und ganz ehrlich verteidigt, ergänzte Fabian Mehring, der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler.

    Am Ende muss man natürlich sagen, dass es für uns heute nur bedingt eine Bedeutung hat, was der rechtskonservative Politiker in seiner Schulzeit für einen politischen Standpunkt hatte. Viel interessanter ist es, auf seine heutige Politik zu schauen. Ob es da wohl Ähnlichkeiten zu faschistischen Positionen gibt?

    Na, Herr Aiwanger, was halten sie eigentlich von Migrant:innen? Was ist ihre Position zur Ehe, Frauen und Familie? Oh und wie sieht es eigentlich aus mit der Aufrüstung der Polizei und der Überwachung im deutschen Staat? Oder mit ihrem Kampf gegen den „linksgrünen Genderwahn“?

    Vom Nazi-Flyer zu den Freien Wählern

    Die Freien Wähler mit ihrem Spitzenkandidaten Hubert Aiwanger, auch „Hubsi“ genannt, haben natürlich ausgefeilte Positionen zu jeder wichtigen Frage des politischen Alltags. Unter dem Punkt „Einwanderung steuern“ fordern sie, die mörderische Söldner-Truppe an der EU-Außengrenze, Frontex, weiter finanzieren und staatlichen rassistischen Terror in Form von Abschiebungen konsequenter und öfter durchführen zu wollen und noch vieles andere mehr. Im Gespräch mit Markus Lanz im ZDF redet Aiwanger z.B. von „den Syrern, die vor 8 Jahren“ ins Land reingekommen sind.

    Die Familie ist für die Freien Wähler das Heiligste. Sie schaffen es, frauenpolitische Themen zu nutzen, um sich für eine stärkere Familienbindung stark zu machen, gegen Migrant:innen im Allgemeinen zu hetzen und Stimmung gegen trans Personen und die „grünlinke Genderideologie” zu machen. Dazu kommen noch Forderungen nach mehr Aufrüstung, Verstärkung des Polizeiapparats und der Justiz. Und natürlich der Kampf gegen den linken und religiösen „Extremismus“.

    Ob es wirklich Aiwangers Bruder oder doch der bayerische Spitzenpolitiker selbst war, der das Flugblatt in seiner Schulzeit verfasst hat, werden wir wahrscheinlich nie hundertprozentig klären können. Dass es seit Jahrzehnten eine rechte Kontinuität  in der Politik Aiwangers gibt, ist hingegen nicht zu leugnen und auch nicht dem eigenen Bruder in die Schuhe zu schieben.

    • Seit 2022 Autor bei Perspektive. Schreibt als Studierender aus Sachsen insbesondere internationalistisch über die Jugend, Antimilitarismus und das tagespolitische Geschehen. Vorliebe für Gesellschaftsspiele aller Art.

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