Die Sozialarbeiter:innen Inés Heider wurde Mitte Juli aus ihrem Job als Schulsozialarbeiterin an der Kepler-Schule in Neukölln entlassen, nachdem sie eine Mail mit Infos über Haushaltskürzungen und Proteste dagegen an ihre Kolleg:innen schickte. Perspektive hat sich mit ihr getroffen um über den Vorfall und die Kürzungen in der Sozialen Arbeit in Berlin zu sprechen.
Wie betreffen die Kürzungen des Berliner Senats Sozialarbeiter:innen?
Nachdem das Bezirksamt Neukölln eine Liste von zu streichenden Maßnahmen vorgelegt hat, kam es ja zu vielen Protesten, woraufhin der Senat einen “Rekordhaushalt” verabschiedete. Dieser “Rekordhaushalt” reicht aber bei weitem nicht aus und viele der angekündigten Kürzungen wird es trotzdem geben müssen.
Für Sozialarbeiter:innen ist das verheerend, ihnen drohen jetzt im schlimmsten Falle Jobverluste, zum Beispiel bei der Schließung von Jugendclubs. Viele Sozialarbeiter:innen werden auch versetzt werden, so verlieren sie die Beziehungen zu den Kindern und Jugendlichen, die sie betreuen, das ist natürlich für alle sehr schlimm. Darüber hinaus trifft es natürlich auch die gesamte Gesellschaft, wenn beispielsweise Spielplätze nicht mehr instand gehalten werden.
Wie ist deine Schulen konkret von den Kürzungen betroffen?
Der Schulsozialarbeit sollen die Mittel ja vorerst nicht gekürzt werden, doch insbesondere die Schüler:innen meiner Schule leiden unter den Kürzungen. Ich habe an der Kepler-Schule in Neukölln, einer sogenannten “Brennpunktschule”, gearbeitet. Die Kinder und Jugendlichen nehmen dort soziale Angebote immer mit großer Freude an, fallen diese Angebote weg, belastet das die Kinder und ihre Familien natürlich enorm.
Was können Sozialarbeiter:innen und Erzieher:innen tun, um sich jetzt gegen die Kürzungen zu wehren?
Man muss sich zum einen ins Gedächtnis rufen, dass es immer noch Kürzungen geben wird. Wir müssen gegen das Märchen ankämpfen, dass die Kürzungen mit diesem Haushalt jetzt vom Tisch wären. Gerade im Zuge der Militarisierung und Aufrüstung, nach außen und nach innen, soll es immer mehr zur Normalität werden, dass für Soziales eben kein Geld mehr da wäre, das müssen wir thematisieren.
Das wichtigste ist, sich dagegen zu organisieren. Als Beschäftigter in diesem Bereich kann man sich zum Beispiel bei einer Gewerkschaft betätigen, im sozialen Sektor wird immer mehr von Streik geredet, dafür muss man sich halt gewerkschaftlich organisieren. Die Gewerkschaftsspitze interessiert sich leider häufig nicht allzu sehr für den Sozialen Sektor und stellen auch immer wieder Forderungen auf, beziehungsweise haben Positionen, die den Arbeiter:innen nicht weiterhelfen, beispielsweise akzeptieren sie Reallohnsenkungen und das 100-Milliarden-Euro-Rüstungspaket. Wir müssen ihnen Druck machen und für unsere eigenen Interessen einstehen, deshalb müssen wir uns auch politisch organisieren.
Vor kurzem hat dich dein Träger fristlos gekündigt. Wie kam es dazu?
Im März 2022 habe ich angefangen für den Träger “Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft” (tjfbg) zu arbeiten. Dies ist einer der größeren Träger in Berlin und beschäftigt vor allem Erzieher:innen und Sozialarbeiter:innen an Schulen. Über den Mail-Verteiler des Trägers habe ich eine Mail an alle Beschäftigte geschickt, in der ich über die Kürzungen informiert habe und meine Kolleg:innen darüber informiert habe, dass es dagegen eine Petition und eine Kundgebung gibt. Wenige Tage später hat mich der Betriebsrat angerufen und mir mitgeteilt, dass ich fristlos gekündigt werden soll, unter anderem weil ich der Geschäftsführung zufolge die Geschäftsbeziehungen zum Bezirksamt Neukölln gefährde.
Mich hat das sehr überrascht und schockiert, das Thema war ohnehin in aller Munde und es wurde sich in allen Möglichen Bereichen darüber unterhalten, was die Kürzungen bedeuten, dass man zur Kundgebung gehen wolle, oder ähnliches. Ich habe es als die Ausübung des politischen Mandats der Sozialen Arbeit gesehen, meine Kolleg:innen und auch die Kinder und Familien darüber zu informieren, dass sich ihre Lage verschlechtern wird und das man sich dagegen wehren kann.
Fiel der Träger in der Vergangenheit schonmal mit Repressionen gegenüber politischen Aktivist:innen auf? Behindert er euch dabei für eure Interessen einzustehen?
Das Klima im Betrieb ist extrem betriebsratfeindlich, Kolleg:innen haben mir erzählt, dass die Betriebsratsgründung schon sehr schwer war. Die Geschäftsleitung hat seitdem auch einen Ombudsrat gegründet, an den bei Problemen immer wieder verwiesen wird und der teils wie ein Ersatz für den Betriebsrat gehandelt wird. Dieser besteht allerdings nicht aus gewählten Arbeiter:innen, sondern wird von der Geschäftsleitung eingesetzt.
Ich war auch im Wahlvorstand des Betriebsrates, wo ich die letzten Betriebsratswahlen organisiert habe und mit meinem Team zusammen eine Überlastungsanzeige aufgegeben. Vermutlich bin ich der Geschäftsleitung schon so aufgefallen.
Was denkst du möchte dein Arbeitgeber mit deiner Kündigung erreichen?
Repressionen, auch im Betrieb, sollen ja nicht nur die Personen treffen, gegen die sie konkret erhoben werden, sondern dienen auch der Einschüchterung von allen anderen. Von heute auf morgen seinen Job, und damit auch die Beziehungen zu den Kindern, zu verlieren ist ein harter Schlag für Sozialarbeiter:innen.
Das schüchtert natürlich viele meiner Kolleg:innen ein. Ich habe das Glück gerade viel Unterstützung zu bekommen und von meinem Gehalt ist außer mir auch niemand abhängig, aber gerade Menschen mit Kindern und im allgemeinen allen, die von ihrem Gehalt abhängig sind sendet meine Entlassung natürlich eine klare Nachricht.
Ich denke, dass dies auch Teil der Bemühung ist Leute mundtot zu machen, die sich gegen die Politik von Bund und Ländern, welche Militär und Polizei gegenüber dem sozialen Sektor priorisieren, äußern und sich dagegen wehren.
Was sind jetzt deine Forderungen gegenüber deinem Arbeitgeber?
Ich will, dass sie die Kündigung zurücknehmen. Der Träger sollte sich den Gerichtsprozess und den damit verbundenen Zeit-, Geld-, und Gesichtsverlust sparen und meine Kündigung ganz einfach wieder zurücknehmen. Ich möchte gerne wieder an dieser Schule gemeinsam mit meinen Kolleg:innen und den Schüler:innen arbeiten. Dafür habe ich mit der jungen GEW auch eine Petition gestartet, die bereits mehr als 2000 Menschen unterschrieben haben.
Der Träger äußerte sich auf Anfrage der Redaktion zu den Schilderungen im Interview. Diese entsprächen nicht den Tatsachen und dem tatsächlichen Engagement, eine weitere Stellungnahme bleibt aus.