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Sonntag, April 28, 2024
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    Schwangerschaftsabbrüche: Immer mehr Ärzt:innen werden bedroht

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    Eine Recherche des NDR Schleswig-Holstein ergab, dass immer mehr Frauenärzte:innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder darüber informieren, bedroht werden. Die Form der Drohung reicht über E-Mails, Briefe bis hin zu Flyern, die in der Nachbarschaft verteilt werden. 

    In Schleswig-Holstein führen rund 77 Ärzte und Ärztinnen Schwangerschaftsabbrüche durch. Davon soll rund ein Dutzend schon einmal verbal oder schriftlich angegriffen worden sein, weil sie dies tun. Ein Teil der Drohungen wird als E-Mail oder persönlich adressierter Brief an die Praxen der Ärzt:innen geschickt. Zum Teil handelt es sich aber auch um andere Formen, zum Beispiel werden Flyer in der Nachbarschaft der Ärzt:innen verteilt.

    Das Risiko für die Gynäkologen und Gynäkologinnen steigt deutlich, wenn sie die Leistung auf ihrer Internetseite veröffentlichen, so der Berufsverband. Dementsprechend trauen sich viele Ärzte:innen nicht, aktiv darüber zu informieren, dass sie die Eingriffe vornehmen.

    “Da steht dann zum Beispiel drin, dass auf uns eine Bestrafung wartet. Unsere Arbeit wird aber auch mit Mord verglichen, berichtete Britta Hildebrand, eine der bedrohten Gynäkologinnen aus Wedeler. Sie fordert, dass der Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs abgeschafft wird. Dieser Paragraf regelt in Deutschland das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs. Somit ist dieser zwar unter bestimmten Voraussetzungen straffrei, bleibt aber verboten.

    Seit der umstrittene Paragraf 219a, auch bekannt als „Werbeverbot, Anfang dieses Jahres aufgehoben wurde, trauen sich wieder mehr Ärzte:innen, auf ihren Webseiten über Schwangerschaftsabbrüche aufzuklären und bekannt zu geben, dass sie diese durchführen. Zu ihnen gehört auch Britta Hildebrand – aber seit der Veröffentlichung der Informationen wird sie mit E-Mails und Briefen bedroht.

    Abtreibungsgegner:innen organisieren sich

    Die Gegner:innen von Schwangerschaftsabbrüchen agieren dabei nicht nur als Individuen, sondern organisieren sich. So berichtet die Verbandsvorsitzende Doris Scharrel von Internetseiten, auf denen die Adressen veröffentlicht werden, sowie Absprachen verschiedener Akteur:innen, um Flyer in der Nachbarschaft zu verteilen. Seit Jahren beobachte der Verband radikale Gegner:innen von Schwangerschaftsabbrüchen in Süddeutschland, mittlerweile gäbe es auch in Schleswig-Holstein eine Szene.

    Deren Organisierung lässt sich jedoch nicht nur dort, sondern bundesweit beobachten. So finden dieses Jahr gleich zwei große „Märsche für das Leben“ in Köln und Berlin statt, die durch den „Bundesverband Lebensrecht“ organisiert werden.

    Angst unter Gynäkologe:innen 

    Viele der Ärzt:innen haben Sorge, öffentlich angegriffen zu werden und entscheiden sich dagegen, auf ihren Webseiten über das Durchführen der Abbrüche zu informieren. Diese Angst reicht so weit, dass etwa die Hälfte der Ärzt:innen selbst bei einer internen Abfrage anonym auf die Frage antwortete, ob sie Leistungen zum Schwangerschaftsabbruch erbringen.

    Von 32 Gynäkologe:innen in Flensburg führen 8 Schwangerschaftsabbrüche durch, doch nur einer hat sich ins bundesweite Register eintragen lassen. Das führt dazu, dass viele Betroffene nur über Beratungsstellen oder Mundpropaganda von den Angeboten erfahren. Das macht es umso schwieriger, in der vorgeschriebenen Zeit von 12 Wochen den Eingriff durchführen zu lassen.

    Vielen Praxen fehlt Zusatzqualifikation

    Hinzu kommt, dass man zur Durchführung – sowohl operativer als auch medikamentöser – Schwangerschaftsabbrüche eine Zusatzqualifikation benötigt. Da diese nicht automatisch im Studium erworben werden, führt das dazu, dass vielen Ärzte:innen die Qualifikation fehlt und nur ein Bruchteil von ihnen die Abbrüche überhaupt durchführen darf.

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