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Montag, April 29, 2024
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    Die Toten der Flutkatastrophe in Libyen sind Opfer des Kapitalismus!

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    Das nordafrikanische Land Libyen wurde von schweren Unwettern heimgesucht, welche tausende Tote und Vermisste sowie riesige materielle Schäden hinterlassen. Gleichzeitig befindet sich das Land weiterhin in einem von der NATO unterstützten und angefachten Bürgerkrieg, der humanitäre Hilfe massiv behindert. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko

    Wie bei solchen Umweltkatastrophen üblich gehen die Angaben über die Zahl der Opfer meist auseinander und werden vermutlich noch nach oben korrigiert werden müssen. So ist offiziell beispielsweise aktuell von ca. 5.200 Toten und über 10.000 Vermissten die Rede. Ein Großteil der Opfer stammt aus der ostlibyschen Küstenstadt Darna. Schätzungen gehen unterdessen von bis zu 25.000 Toten aus.

    Die Schäden an Wirtschaft und Infrastruktur sind schwer einzuschätzen, werden aber wohl in die Millionen gehen. So sind z.B. auch Internet- und Telefonleitungen weitgehend unterbrochen. Es wird von einer überfluteten Fläche von über 20.000 Quadratkilometer gesprochen, also ungefähr der Größe Sachsen-Anhalts.

    Doch was sind die realen Ursachen einer solchen Katastrophe?

    Dass es sich hierbei nicht einfach um Pech, oder eine Aneinanderreihung unglücklicher Umstände handelt, für die niemand etwas kann, kommt in bürgerlichen Medien oftmals zu kurz. Es gibt vor allem zwei Faktoren, die zur Katastrophe in Ostlibyen geführt haben: einerseits der kapitalismusgemachte Klimawandel und andererseits der von der imperialistischen NATO noch immer befeuerte libysche Bürgerkrieg.

    Seit dem durch die USA und die EU forcierten Sturz des libyschen Präsidenten und Diktator Muammar Al-Gaddafi 2011 wütet in dem Land ein brutaler Bürger- bzw. Stellvertreterkrieg. So ist das Territorium unter lokalen und regionalen Warlords aufgeteilt. Größere Koalitionen, die von westlichen Staaten unterstützt werden, kämpfen um die offizielle Anerkennung und um die staatliche Kontrolle.

    Heutzutage ist das Land mehrheitlich in einen West- und einen Ostteil geteilt. So ist das westliche Regime Vertragspartner Deutschlands bzw. der EU in Sachen „Flüchtlingsabwehr“. Neben Russland, Ägypten und anderen Staaten unterstützt bemerkenswerterweise auch Frankreich den größten Konkurrenten der west-libyschen Regierung, General Haftar. Gerade an diesem Beispiel wird deutlich, dass es im libyschen Bürgerkrieg nicht etwa um die Verteidigung „europäischer Werte“, sondern schlicht um Einfluss in dem geopolitisch bedeutenden und rohstoffreichen Land geht.

    Vor der Stadt Darna sind aufgrund der sintflutartigen Regenfälle am 10. September zwei Dämme gebrochen. Einer der beiden Dämme war seit 2002 nicht mehr gewartet worden. Ebenso kritisieren libysche Kommentatoren, dass es keine ausreichend koordinierte Rettungsaktionen gab, vor allem aber Möglichkeiten zur vorherigen Evakuierung der Stadt nicht genutzt wurden. So beschuldigt gegenüber dem Nachrichtensender Al Jazeera der libysche Politologe Anas Gomati klar die Verantwortlichen unter General Haftar: „Es ist nicht der böse Wille von Mutter Natur, dass ganz Darna jetzt nach Leichen riecht, sondern das Ergebnis der Bosheit von Menschen. Weil diese beiden rivalisierenden Fraktionen sich nicht verständigen können.“

    Die humanitäre Lage in dem Land, welches durch die westliche Intervention ähnlich dem Irak großflächig zerstört wurde, ist katastrophal. Die Folgen der kapitalismusgemachten Umweltzerstörung und des Klimawandels kommen erschwerend hinzu. Extremwetter und Stürme, aber auch Überfischung, Hitzewellen und die Ausweitung von Wüsten bedrohen zunehmend die Länder in Äquatornähe.

    Doch auch bei Umweltkatstrophen, die nicht direkt mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen sind wie die Erdbeben in Marokko, wenige Tage zuvor oder in Kurdistan im Februar 2023, zeigt sich der mörderische Charakter des Kapitalismus. Viele der dortigen Todesopfer werden vermeidbar gewesen, wenn Wohnhäuser in diesen Erdbebenregionen mit erdbebensicherer Bauweise gebaut würden. Der Kapitalismus hat sie längst entwickelt, behält sie jedoch im wesentlichen den reichsten Teilen der Bevölkerung beziehungsweise den reichsten Ländern der Welt vor.

    Die Toten in Libyen sind Todesopfer des Imperialismus. Es wird Zeit, dass wir das auch so benennen und entsprechend damit umgehen.

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    • Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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