Am Samstagabend haben Aktivist:innen ein leerstehendes Haus in Leipzig-Volkmarsdorf besetzt. Das selbsternannte soziale Zentrum „Helium“ auf der Hermann-Liebmann-Straße sollte der Verdrängung von nicht kommerziellen Kulturorten im Viertel entgegenwirken. Am Montagnachmittag hat die Polizei das Objekt schließlich geräumt.
Selten sind Aktionen dieser Art von solch langer Dauer: Das besetzte Haus „Helium“ im Leipziger Osten wurde gestern nach knapp zweitägiger Instandhaltung von der Polizei geräumt. Zu dieser Zeit befand sich laut Angaben der Besetzer:innen-Initiative „#leipzigbesetzen“ kein Mensch mehr in dem Gebäude. In den sozialen Medien wird seitdem zu Aktionen am heutigen Dienstagabend mobilisiert.
Das Haus, zu dem sich die Gruppe mit wenigen Personen Zutritt verschaffte, stand zuvor etwa zehn Jahre leer. Erst 2019 verkaufte die Deutsche Bahn die Immobilie des ehemaligen „Bahnbetriebswerks Süd“ an einen privaten und bislang unbekannten Käufer, wie die Leipziger Volkszeitung (LVZ) schreibt. Welche Absichten er im Bezug auf die Räumung verfolgte, bleibt unklar.
„Kultur statt Kommerz“
Zeitweise versammelten sich vor dem Gebäude bis zu 200 Menschen und solidarisierten sich mit der Aktion. Darüberhinaus bot vor allem das Programm am Montag Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme. So gab es ein „Mitbringfrühstück“ am Morgen und noch wenige Stunden vor der Räumung gab es politische Vorträge und sogar noch einen Yoga-Kurs.
Leipziger Eisenbahnstraße – Die Polizei bringt uns keine Sicherheit!
„#leipzigbesetzen“ betonte dabei jedoch stets die Ernsthaftigkeit der Lage: so sei die fortschreitende Bedrohung und Verdrängung nicht-kommerzieller Projekte im Gebiet um die Eisenbahnstraße der hauptsächliche Hintergrund der Besetzung. Auch die Veranstalter:innen der Nachbarschaftsversammlung zum Sonntagnachmittag machten klar, dass das „Haus nicht zum Spaß besetzt“ worden sei.
Vielmehr wolle man die knapp 30 ungenutzten Räume lokalen Projekten, Künstler:innen und politisch aktiven Menschen zur Verfügung stellen, heißt es. Besonders bereits verdrängten oder bedrohten Kulturorten aus dem Viertel soll so ein neues Platzangebot eröffnet werden. Dazu gehören unter anderem Räumlichkeiten für eine Bar, eine Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt, Umsonst-Läden und einige weitere Projekte und Initiativen.
Kritik an der Kommerzialisierung und der Polizei
Für die Gruppe der Besetzer:innen geht diese fortschreitende Verdrängung auch einher mit einer zunehmenden Kommerzialisierung des Viertels im Leipziger Osten. Sie stellt dabei fest, dass „unsere Nachbarschaft … zur Konsummeile“ verkommt. Konkret vorantreiben würde dies unter anderem ein Vermieter aus Wien, der im besagten Viertel bereits mehrere Kulturorte aus ihren Räumen drängte – und bei Widerspruch mit Anwälten drohte.
Aus den Mobilisierungsaufrufen ist außerdem zu entnehmen, dass die Besetzung auch im Zusammenhang mit der geplanten Polizeiwache auf der Eisenbahnstraße steht. Denn nur knapp 300 Meter entfernt vom besetzten Haus befindet sich das – höchstwahrscheinlich ab nächstem Jahr – von der Polizei genutzte Gebäude. Diese Planung wird wohl auch ihn kommender Zeit für Spannungen im Viertel sorgen.