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Montag, April 29, 2024
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    Thomas Meyer-Falk nach 27 Jahren als politischer Gefangener entlassen

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    Am Dienstag dem 29. August wurde der anarchistische Gefangene Thomas Meyer-Falk nach fast 27 Jahren Gefangenschaft aus dem Gefängnis entlassen. Ähnlich wie ihm ging und geht es auch weiterhin vielen politischen Gefangenen in der BRD. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko

    Thomas Meyer-Falk saß seit seiner Verhaftung 1996 im deutschen Gefängnissystem. Einen Großteil seiner Haft verbrachte er in Isolationshaft, also unter besonders schweren Haftbedingungen, die von vielen Expert:innen und Gefangenen als Folter bezeichnet werden. Was war sein Verbrechen? Wofür musste er fast 27 Jahre seines Lebens isoliert im Gefängnis verbringen, obwohl er eigentlich zu „nur“ 16 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden war?

    Die Antwort will nicht so richtig zum ach so liberalen Image passen, in das sich der deutsche Staat gerne hüllt. Sie passt auch nicht zu einem „Rechtsstaat“ oder einer „Demokratie“.

    Thomas Meyer-Falk war bis vor kurzem ein politischer Gefangener der BRD. Gefangen genommen wurde er bei einem Bankraub mit Geiselnahme, bei dem niemand getötet wurde. Ziel war es, mit dem Erlös linke Projekte zu finanzieren. Unabhängig davon, ob man eine solche Aktionsform selbst für zielführend hält: Klar ist, dass es sich hierbei nicht um ein „normales Verbrechen“, sondern um eine politische Tat gehandelt hat. Darum war auch die besonders heftige Reaktion des Staats (immerhin fast 10 Jahre Sicherheitsverwahrung nach Ablauf der Haft) eine politisch motivierte Strafe.

    Thomas Meyer-Falk hatte gegen die kapitalistische Ordnung und ihren Staat rebelliert, und dieser „musste“ ihn dafür bestrafen. Fälle wie seiner können durchaus als Exempel verstanden werden, als Drohung, die an alle gerichtet ist, die für die Überwindung der herrschenden Verhältnisse auch bereit sind, herrschende Gesetze zu überschreiten.

    Wer ist aktuell von politischer Gefangenschaft in der BRD betroffen?

    Die Liste der linken politischen Gefangenen ist zugegeben noch überschaubar. Auch fällt auf, dass bisher hauptsächlich Menschen mit türkischem oder kurdischen Migrationshintergrund in Deutschland in politischer Haft sitzen. Ihre Inhaftierung unter dem Vorwurf der „Terrorunterstützung“ stellt jedoch mehr dar als eine diplomatische Geste in Richtung des faschistischen Erdogan-Regimes in der Türkei. Wir können sicher sein, dass der deutsche Staat auch von sich aus kein Interesse daran hat, Revolutionär:innen ihre politische Arbeit in Deutschland machen zu lassen.

    So sitzen gerade in Deutschland mehrere türkische Revolutionär:innen in Haft, weil ihnen die Mitgliedschaft in oder Unterstützung der revolutionären Organisationen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) oder der kurdischen Organisation PKK vorgeworfen wird. Derzeit sitzen zudem Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in der DHKP-C. Zur Sanktion scheint zu gehören, dass namentlich Ihsan Cibelik aktuell dringend benötigte medizinische Hilfeleistung verwehrt wird.

    Repression auch gegen Antifas und Klimaaktivisten

    Doch auch im Zuge antifaschistischer Aktivitäten oder – in den letzten Jahren verstärkt – wegen ihrer Teilnahme an Aktionen der radikaleren Teile der Umweltbewegung wandern immer wieder Aktivist:innen hinter Gitter. Teils für einige Wochen, teils über Jahre wie Lina E. in der JVA Chemnitz oder Jo, der in der JVA Ravensburg einsitzt.

    Bloß, weil die Zahl der politischen Gefangenen in der BRD noch nicht wieder in die Tausende geht, kann das noch lange nicht als Entwarnung durchgehen. Nicht nur zur Nazi-Zeit, auch danach wurden in der BRD Andersdenkende – allen voran Kommunist:innen – für ihren Kampf gegen die kapitalistische Klassengesellschaft fleißig abgestraft.

    Das Mittel der politischen Inhaftierung erfreut sich bei allen reaktionären Regimen großer Beliebtheit, und auch der deutsche Staat wird weiterhin davon Gebrauch machen – auch wenn er natürlich tunlichst vermeidet, von politischer Haft zu sprechen.

    In Anbetracht der gegenwärtigen Verschärfung der Repression (wie im Fall Lina E. oder beim Framing der „Letzten Generation“ als Terrorist:innen) scheint es durchaus wahrscheinlich, dass die Zahl der politisch inhaftierten in Deutschland in den nächsten Jahren wieder steigen wird, auch wenn Thomas Meyer-Falk endlich auf freiem Fuß ist.

    • Sächsischer Perspektiveautor seit 2022 mit slawisch-jüdischem Migrationshintergrund. Geopolitik, deutsche Geschichte und der palästinensische Befreiungskampf Schwerpunkte, der Mops das Lieblingstier.

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