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Samstag, April 27, 2024
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    Beugehaft für Sozialarbeiter?! – Repressionen gegen Fans des Karlsruher SC

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    Drei Mitarbeiter:innen des Fanprojekts Karlsruhe, das für KSC-Fans Krisenintervention und Beratung anbietet, droht eine Beugehaft von einem halben Jahr. Damit soll den Ehrenamtlichen eine Aussage bei der Polizei aufgezwungen werden.

    Im vergangenen November feierte eine Ultra-Gruppierung des KSC bei einem Heimspiel gegen den 1. FC St. Pauli ihr 20-jähriges Bestehen. Zu diesem Zweck zündeten sie reichlich Pyrotechnik, was wiederum dazu führte, dass sich elf Menschen über Atemprobleme, Hustenanfälle, Kopfschmerzen und ähnliche Symptome beklagten.

    Der KSC stellte nach dem Vorfall eine Strafanzeige gegen Unbekannt. Im Nachhinein fand ein „Wiedergutmachungsgespräch“ mit dem Verein und den Ultras statt, an dem auch die drei Sozialarbeiter:innen Volker Körenzig, Sophia Gerschel und Sebastian Staneker teilnahmen. Diese sollten nun im Zuge der Ermittlungen zu ihrer Sozialen Arbeit mit Fans eine Aussage machen. Sie verweigerten dies jedoch, wofür bereits zweimal ein Ordnungsgeld gegen sie verhängt wurde.

    Dass es dem Staat bei der Verfolgung von Sozialarbeiter:innen nicht um die Erhöhung der Sicherheit oder Verhinderung von Gewalt im Stadion geht, wird schnell erkennbar: denn genau dafür sind Fanprojekte wie in Karlsruhe ja geschaffen worden. Daniel Melchien, der Geschäftsführende des Karlsruher Stadtjugendausschusses betonte deshalb gegenüber dem Tagesspiegel: „Die Sozialarbeit, die das Fanprojekt leistet, ist eine gute Möglichkeit, dem Gewalt-Phänomen im Fußball zu begegnen“.

    Kein Zeugnisverweigerungsrecht für Soziale Arbeit

    Im Gegensatz zur Ärzt:innen oder Seelsorger.innen gibt es in der Sozialen Arbeit nicht automatisch ein Zeugnisverweigerungsrecht. Zwar findet es in einigen Bereichen – wie zum Beispiel der Arbeit mit Drogensüchtigen – Anwendung, aber im Allgemeinen dürfen Sozialarbeiter:innen ihre Aussage nicht verweigern. Das bedeutet, dass sie unter der Androhung von Strafe dazu gezwungen werden können, privateste Details ihrer Klient:innen zu offenbaren und sie gegebenenfalls sogar einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen.

    Dass so effektive soziale Arbeit beinahe unmöglich wird, ist klar: Wenn man als Nutzer:in eines sozialen Angebots nicht darauf vertrauen kann, dass alles, was man dort bespricht, vertraulich behandelt wird, werden diese Angebote nicht wahrgenommen werden. Dies gilt umso mehr für Projekte wie das Fanprojekt Karlsruhe, das darauf abzielt, Gewaltausschreitungen präventiv zu verhindern und Fans aus der Ultra-Szene in gewaltfreie Richtung zu lenken.

    Das Feindbild “Fußballfan”

    Dementsprechend haben sich auch schon zahlreiche Fangruppierungen und Sozialarbeiter:innen geäußert: Ralf Busch, Leiter des Fanprojekts Berlin für die Hertha BSC, betitelte das Vorgehen der Karlsruher Staatsanwaltschaft gegenüber dem Tagesspiegel als „ungewöhnlich und auch nicht richtig nachvollziehbar“ und betonte: „Alles, was unsere Arbeit ausmacht, basiert auf einem Vertrauensverhältnis“. Des Weiteren nannte er die Androhung von Beugehaft gegenüber Sozialarbeiter:innen einen Präzedenzfall und erklärte, dass der Fall bundesweit verfolgt werde, da es jeden treffen könnte.

    Wie geht es jetzt weiter?

    Nachdem die drei Mitarbeiter:innen am Montag, dem 2. Oktober erneut ihre Aussage verweigerten, möchte die Karlsruher Staatsanwaltschaft nun binnen einer Woche entscheiden, ob sie einen Antrag auf Beugehaft stellen wird. Sollte dies geschehen und der Antrag angenommen werden, droht den Sozialarbeiter:innen eine Haft solange, bis das Verfahren endet oder sie doch aussagen – allerdings maximal sechs Monate. Diese Entscheidung würde wohl nicht nur zu erheblichem Aufsehen, sondern auch zu Protesten, sowohl von Sozialarbeiter:innen, als auch von Fußballfans führen.

    Der Vorfall hat in jedem Fall die Diskussion um das Zeugnisverweigerungsrecht für Soziale Arbeit angefacht. Der “Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit” (DBSH) fordert bereits seit langem die Ausweitung des Rechts auf alle Sozialarbeiter:innen.

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