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Gescheitertes Referendum in Australien: Indigene weiterhin ohne Mitbestimmung

Eine deutliche Mehrheit der Australier:innen lehnte am vergangenen Wochenende eine Verfassungsänderung per Referendum ab. Mit der Änderung hätte die indigene Bevölkerung mehr Mitbestimmungsreche erhalten.

Mehr als 60% der zur Wahl aufgerufenen Australier:innen stimmten mit einem Nein“ gegen die Ausweitung der Rechte für Indigene. Für ein erfolgreiches Referendum wäre gar eine doppelte Mehrheit, also nicht nur mehr als die Hälfte aller Gesamtstimmen, sondern auch Mehrheiten in mindestens vier der sechs australischen Bundesstaaten, nötig gewesen. In keinem Bundesstaat wurde schlussendlich eine Mehrheit der Ja-Stimmen erreicht.

Das Referendum sah insbesondere die Anerkennung der Ureinwohner:innen Australiens in der Verfassung und die Einrichtung eines dauerhaften Gremiums vor. Mit der „Aboriginal and Torres Strait Islander Voice“ – oder kurz „The Voice“ (deutsch: „Die Stimme“), hätten gewählte indigene Vertreter:innen die Möglichkeit erhalten, Stellung gegenüber Parlament und Regierung in Bezug auf bestimmte, die indigene Bevölkerung betreffende Fragen und Probleme zu nehmen.

Mit dieser „Stimme“ wäre es, so die Hoffnung vieler Indigener, möglich gewesen, einen gewissen Einfluss auf die Politik zu gewinnen. Bisher, so viele Aktivist:innen, werde anstatt mit den Indigenen nur über sie gesprochen und entschieden. Die Idee für die „Stimme“ wurde von zahlreichen indigenen Repräsentant:innen in der Erklärung „Uluru Statement from the Heart“ entworfen.

Die indigene Bevölkerung Australiens umfasst ca. 3-4% der 26 Millionen Einwohner:innen. Die verschiedenen Stämme und Gruppen bevölkern den Kontinent seit über 60.000 Jahren und haben seit der Kolonialisierung durch britische Siedler:innen massive Gewalt und Ausbeutung erlitten. Auch heute gehören die Indigenen zu den besonders stark ausgebeuteten und unterdrückten Teilen der australischen Gesellschaft.

Regierung und Opposition vereinnahmten das Referendum

Der australische Premierminister Anthony Albanese von der „Australian Labour Party“ machte das Referendum zu einem Großprojekt seiner Regierung. Albanese rahmte die Anerkennung der Indigenen in diesem Zusammenhang als Motor der Entwicklung des Landes: „Es ist eine Gelegenheit für alle Australier:innen, sich zu vereinen und unser Land nach vorne zu bringen“.

Einige der stärksten Befürwörter:innen der Ja-Kampagne kamen folgerichtig aus bürgerlichen Kreisen. Die Gruppe „Australier für die verfassungsmäßige Anerkennung indigener Völker“ ist beispielsweise ein Zusammenschluss prominenter Australier:innen unter anderem unter dem Vorsitz des Direktors des „Business Council of Australia“, Danny Gilbert, und erfahrenen Politikberater:innen.

Thomas Mayo, das Gesicht dieser Gruppe, beschuldigte in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC nach dem verlorenen Referendum vor allem diejenigen politischen Kräfte, die „die australische Öffentlichkeit belogen hätten“. Damit richtete Mayo seine Kritik vor allem an den Oppositionsführer Peter Dutton von der „Liberal Party of Australia“.

Tatsächlich gelang es der Opposition in den letzten Monaten und Wochen, die Öffentlichkeit rund um das Referendum massiv zu beeinflussen. Durch die Kampagne der Opposition wurde vor allem Angst vor Zwangsenteignungen und Reparationen geschürt. Auch ein Anstieg von Rassismus aufgrund der Nein-Kampagne war beobachtet worden.

Während die Forderung der Indigenen nach Anerkennung von den bürgerlichen Kräften Australiens derartig instrumentalisiert wurden, stellen einige Aktivist:innen grundsätzlich die Forderung nach der „Stimme“ in Frage. Schließlich ginge auch ein gesetzlich verbrieften Mitspracherecht nicht weit genug, um die bestehende Ausbeutung und Unterdrückung von Indigenen in Australien wirklich zu überwinden.

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